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- Zum Verordnungsvorschlag über ein gemeinsames europäisches Kaufrecht: Die Bereitstellung von digitalen Inhalten nach dem CESL
Wirtschaftswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 36
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Am 11. Oktober 2011 legte die Europäische Kommission nach mehr als zehnjähriger Vorbereitung den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht vor. Das Common European Sales Law (‘CESL’) ist als fakultatives zweites Vertragsrecht ausgestaltet und als optional anwählbares (‘opt-in’) Modell zum Kaufrecht der Mitgliedsstaaten konzipiert. Ist der Anwendungsbereich gegeben, können die Vertragsparteien also das CESL als anzuwendendes Recht vereinbaren. Das CESL ist damit nicht als Teil des einzelstaatlichen Rechts zu verstehen, sondern als Wahlmöglichkeit zwischen zwei innerhalb des Mitgliedsstaats geltenden Vertragsrechtsregelungen. Der Entwurf der Kommission spricht sich für eine Vorschaltlösung aus. Die europäische Kommission hat dabei die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung von Transaktionen digitaler Inhalte erkannt. Der Verordnungsvorschlag erfasst daher ausdrücklich Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte. In der Arbeit beschäftigt sich der Autor mit dieser neuen Vertragsart und untersucht die Auswirkungen des CESL auf IT-Verträge. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, auf welche Art und Weise digitale Inhalte zur Verfügung gestellt werden müssen, damit die zugrunde liegenden Verträge als Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte zu qualifizieren sind.
Textprobe: Kapitel B., Der Anwendungsbereich für die Bereitstellung digitaler Inhalte: Zunächst möchte ich mich der Frage nähern, unter welchen Voraussetzungen die Anwendbarkeit des CESL für die Bereitstellung digitaler Inhalte überhaupt möglich ist. Die Kommission hat die Anwendbarkeit in sachlicher, örtlicher und in persönlicher Hinsicht eingeschränkt. I., Sachlicher Anwendungsbereich: Das CESL gilt in sachlicher Hinsicht gem. Art. 5 lit. b CESL-VO für Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte, die der Nutzer ‘speichern, verarbeiten oder wiederverwenden kann oder zu denen er Zugang erhält’, unabhängig davon, ob die Inhalte auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind oder nicht. Software wird also unabhängig davon, ob sie nun als immaterielles oder materielles Gut verstanden wird, vom Anwendungsbereich erfasst. Erfasst von Art. 5 lit. b CESL-VO ist ausdrücklich auch die unentgeltliche Bereitstellung der Inhalte. Art. 2 lit. j CESL-VO definiert ‘digitale Inhalte’ als ‘Daten, die – gegebenenfalls auch nach Kundenspezifikation – in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, darunter Video-, Audio-, Bild oder schriftliche Inhalte, digitale Spiele, Software und digitale Inhalte, die eine Personalisierung bestehender Hardware oder Software ermöglichen.’ Die Definition des Anwendungsbereichs ist denkbar weit. Einer der Gründe dafür ist sicherlich, dass durch die rasante technologische Entwicklung eine engere Definition schnell veralten würde. Insgesamt führt die nahezu uferlose Ausdehnung des Anwendungsbereichs allerdings zu etlichen Unsicherheiten und wirft diverse Fragen auf, die im Folgenden dargestellt und erörtert werden sollen. Unter anderem kann die Weite des Anwendungsbereichs den Schluss zulassen, dass bestimmte Dienstleistungen unter die Definition digitaler Inhalte fallen. 1., Das CESL als allgemeines Vertragsrecht?: Die Struktur des CESL weist einige Besonderheiten und komplexe Regelungsbereiche auf. Beispielsweise ist Teil IV des CESL in zwei Abschnitte nach Rechtsbehelfen des Käufers und nach Rechtsbehelfen des Verkäufers aufgeteilt und beschreibt die Verpflichtungen und Abhilfen der Vertragsparteien. Dies führt nicht nur zu Redundanzen, beispielsweise in den Vorschriften zum Zurückbehaltungsrecht oder in den Vorschriften über die Beendigung wegen antizipierten Vertragsbruchs . Vielmehr wird nicht deutlich, ob sich das Leistungsstörungsrecht nun auf einen bestimmten Vertragstyp oder auf zwei bestimmte Vertragstypen bezieht. Der Grund für die mitunter komplizierte und umständliche Formulierung ist auch, dass die Kaufrechtslinie des Vorschlags nicht durchgehalten wird. Es existiert kein gesonderter Regelungskomplex über die Lieferung von digitalen Inhalten, einmal abgesehen von den wenigen Sonderregelungen, die insbesondere den Fall der Unentgeltlichkeit betreffen. Die Regelungen der Art. 91-146 dienen sowohl dem Vertragstyp Kauf als auch dem Vertragstyp der Bereitstellung digitaler Inhalte und dem der verbundenen Dienstleistungen. Es gibt zudem viele Querverweise vom Dienstleistungskapitel zu den kaufrechtlichen Vorschriften. Das Kaufrecht erhalte somit im Verordnungsvorschlag eine ‘Doppelfunktion’. a) Cloud Computing im CESL Die ‘Enttypisierung’ der Vertragsarten im Verordnungsvorschlag hat mitunter erhebliche Auswirkungen. Ein entscheidender Faktor bei der Anwendbarkeit des CESL auf Verträge mit digitalen Inhalten soll grundsätzlich sein, dass der Vertrag beziehungsweise die Art der Bereitstellung der Inhalte mehr einem Kaufvertrag als einem Dienstleistungsvertrag gleicht. Dienstleistungen spielen daher im Verordnungsvorschlag zunächst nur als sog. ‘verbundene Dienstleistungen’ (Art. 1 I CESL-VO) eine Rolle. Nach Art. 2 lit. m CESL-VO sind dies solche Dienstleistungen, die ‘im Zusammenhang mit Waren oder digitalen Inhalten wie Montage, Installierung, Instandhaltung, Reparatur oder sonstige Handreichungen, die vom Verkäufer der Waren oder vom Lieferanten der digitalen Inhalte auf der Grundlage des Kaufvertrags, des Vertrags über die Bereitstellung digitaler Inhalte oder auf der Grundlage eines gesonderten Vertrags über verbundene Dienstleistungen erbracht werden, der zeitgleich mit dem Kaufvertrag oder dem Vertrag über die Bereitstellung digitaler Inhalte geschlossen wurde.’ Aus den aufgeführten Beispielen Montage, Installierung, Instandhaltung und Reparatur bzw. ‘sonstige Handreichungen’ und der Notwendigkeit der Verbindung zu einem Vertrag über die Bereitstellung digitaler Inhalte soll sich entnehmen lassen, dass die Dienstleistung nicht das charakterprägende Merkmal der geschuldeten Leistung sein darf. Der genaue Grenzverlauf zwischen einem (kaufrechtlichem) Vertrag digitaler Inhalte und dem damit verbundenen Dienstleistungsvertrag ist indes völlig unklar. Dem Verordnungsvorschlag lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob alle Verträge über die Lieferung digitaler Inhalte erfasst sind oder nur solche mit kaufähnlichem Charakter. Die weit auslegbare Definition kann mitunter das Feld für Verträge eröffnen, bei denen die dienstleistungsspezifischen Merkmale überwiegen, die aber nicht unter die Kategorie der ‘verbundenen Dienstleistungen’ fallen, sondern sich vielmehr in dem uferlosen Definitionsbereich der ‘Bereitstellung digitaler Inhalte’ befinden. Möglicherweise erstrecken sich die kaufrechtlichen Regeln des CESL auf Verträge, die sich inhaltlich von einem typischen Kaufvertrag sehr unterscheiden. aa),Der Begriff der Bereitstellung: Die Bestimmung des Begriffs der ‘Bereitstellung’ ist entscheidend für den Umfang des Anwendungsbereichs. Er wird im Verordnungsvorschlag allerdings nicht einheitlich verwendet. In Art. 91 lit. a wird die ‘Bereitstellung’ (digitaler Inhalte) mit der ‘Lieferung’ (von Waren) als Hauptleistungspflicht gleichgesetzt. In Art. 94 I lit. a jedoch wird die Lieferverpflichtung des Verkäufers bei digitalen Inhalten bereits ‘durch die Übertragung der Kontrolle über die digitalen Inhalte auf den Verbraucher’ erfüllt und nicht erst durch die Übertragung des Besitzes, wie es beim Warenkauf erforderlich ist. Demnach ist ein Download der Daten nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit des CESL, sondern es kann ausreichen, dass dem Erwerber der Online-Zugriff auf die Dateien eingeräumt wird und der Speicherort beim Verkäufer verbleibt. Aus den Definitionen in Art. 2 lit. j CESL-VO und Art. 5 lit. b CESL-VO zusammen mit dem Erwägungsgrund 17 lässt sich durchaus die Intention der Kommission entnehmen, dass bei der Bereitstellung digitaler Inhalte zur Nutzung dieser ein Zugriff über das Internet ausreichend sein soll und eine vollständige Kopie der Inhalte nicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des CESL erachtet wird. Bei einem Vertrag über digitale Inhalte ist also kein Übergang der Eigentums- oder Besitzverhältnisse beziehungsweise der Urheberrechte an den eigentlichen digitalen Inhalten notwendig, sondern es genügt, wenn der Endnutzer ein Nutzungsrecht an diesen Inhalten erhält. Dies kann beispielsweise Verträge über den Zugang zu Online-Datenbanken umfassen. Das CESL erfasst somit das sogenannte ‘Cloud Computing’. Die Bereitstellung digitaler Inhalte ist damit nicht gleichbedeutend mit der Lieferung dieser, sondern beschreibt vielmehr die unterschiedlichen Wege der Nutzung digitaler Inhalte. bb), Die Bereitstellung von Speicherplatz in der Cloud: Nach Art. 5 lit. b CESL-VO muss der Nutzer die digitalen Inhalte speichern, verarbeiten oder wiederverwenden können oder Zugang zu ihnen erhalten. Nach dieser Definition ist fraglich, ob ein Vertrag über die Bereitstellung von Speicherplatz zur Aufbewahrung von digitalen Daten mittels Cloud Computing von der Definition des digitalen Inhalts erfasst wird und somit in den Anwendungsbereich des CESL fällt, obwohl diese Leistung eher dienstleistungsrechtliche als kaufrechtliche Eigenschaften aufweist. Möglicherweise eröffnet das CESL hier eine Grauzone zwischen verschiedenen Vertragstypen. Der Begriff ‘Cloud Computing” wird nicht immer einheitlich verwendet und fasst unterschiedliche Anwendungen zusammen. Im Allgemeinen versteht man darunter ‘ein Modell, das es erlaubt bei Bedarf, jederzeit und überall bequem über ein Netz auf einen geteilten Pool von konfigurierbaren Rechnerressourcen (z.B. Netze, Server, Speichersysteme, Anwendungen und Dienste) zuzugreifen, die schnell und mit minimalem Managementaufwand oder geringer Serviceprovider-Interaktion zur Verfügung gestellt werden können” . Die vom Cloud-Anbieter geschuldeten Leistungspflichten divergieren aber je nach Umfang der Dienste. Daher ist für jede einzelne Leistung der Vertragstypus nach dem rechtlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt zu bestimmen. So hat die Implementierung in der Regel Werkvertragscharakter (i.S.d. § 631 BGB) und die Rechnerleistung in der Regel Dienstvertragscharakter (i.S.d. § 611 BGB). Bei der entgeltlichen Bereitstellung von Cloud-Diensten handelt es sich nach deutschem Recht wohl insgesamt um typengemischte Verträge mit überwiegend mietvertraglichem Charakter. Ob beim Cloud Computing der Schwerpunkt der Leistungen tatsächlich im mietvertraglichen Bereich zu suchen ist, hängt allerdings wesentlich davon ab, wie man das Angebot definieren möchte und welche Leistungen eingeschlossen sein sollen. Das Wesen des Cloud Computing liegt in der Bündelung von mehreren dieser IT-Leistungen. Eine trennscharfe Abgrenzung zu den inzwischen etablierten Modellen kann nur gelingen, wenn die Auslagerung in vollem Umfang betrachtet wird. Konkret handelt es sich dabei im Wesentlichen um drei verschiedene Servicemodelle: ‘Software as a Service’ (SaaS), ‘Platform as a Service’ (PaaS) und ‘Infrastructure as a Service’ (IaaS). Beim IaaS werden dem Anwender alle Infrastruktur-Komponenten wie die Server, Rechenleistung, Netzkapazitäten und andere Komponenten von einem Cloud-Anbieter zur Verfügung gestellt. Das bedeutet, dass sich der Nutzer beim gewünschten Anbieter der Cloud-Technologie registriert und dort vorhandene Serverkapazitäten bucht, auf die er dann über jeden an das Internet angeschlossenen PC zugreifen kann. Erstellte Dokumente werden dann jedoch nicht mehr lokal auf dem Rechner des Nutzers, sondern im Rechenzentrum des Anbieters gespeichert, wo sie von jedem Berechtigten ortsungebunden abgerufen und weiter bearbeitet werden können. Letztlich ist die vertragliche Einordnung dieser ‘Webhosting’-Verträge nicht abschließend geklärt. Das reine Zur-Verfügung-Stellen von Speicherkapazität in einer Cloud lässt sich als Miete qualifizieren, da IaaS-Verträge dem Mietvertrag, also der Gebrauchsüberlassung auf Zeit gegen die Entrichtung eines Mietzinses, sehr ähnlich sind. Wenn der Anwender nun seine eigenen digitalen Inhalte in der Cloud speichert und der Provider den Cloud-Dienst lediglich zur Speicherung von Daten anbietet, dann sollen solche Verträge nicht in den Anwendungsbereich des CESL fallen, weil diese nicht die Lieferung oder Bereitstellung digitaler Inhalte beinhalten würden, sondern nur die Aufbewahrung eben solcher. Beim SaaS hingegen wird die Nutzung von auf der Infrastruktur des Anbieters installierter Software ermöglicht, ohne dass die Software auf dem Rechner des Kunden installiert oder auch nur zwischengespeichert wird. Prominente Beispiele sind Facebook oder Myspace . Damit solche Angebote in den Anwendungsbereich des CESL fallen, muss dem Endnutzer nach Art. 5 lit. b CESL-VO zumindest die Möglichkeit gegeben werden, Zugriff auf diese Software zu erhalten. Dies wäre beispielsweise auch der Fall, wenn ein Verbraucher ein E-Book kauft und es zum Lesen nicht herunterlädt, sondern lediglich über einen Cloud-Server darauf zugreift. cc), Die Bereitstellung digitaler Inhalte per Streaming: Nach dem Wortlaut des Art. 5 lit. b CESL-VO scheinen bereits Gebrauchsüberlassungen (‘Zugang erhält’ genügt) vom Vorschlag umfasst zu sein. Was unter einem ‘Zugang’ zu verstehen ist, wird im Verordnungsvorschlag nicht definiert. Grundsätzlich ist vom Anwendungsbereich jede Bereitstellung digitaler Inhalte als Download über das Internet umfasst. Die Daten sind nach dem Download auf der Festplatte des Käufers gespeichert und ihm dann uneingeschränkt zur Verarbeitung oder Wiederverwendung zugänglich. Unklar ist aber, ob digitale Inhalte, die über das Internet gestreamt werden, vom Anwendungsbereich des CESL erfasst werden. Die Ausweitung könnte auch eine Datenübertragung durch Streaming erfassen und damit insgesamt über die Konzeption als gemeinsames Kaufrecht weit hinausgehen. Beim Streaming werden auf Abruf des Endbenutzers Datenpakete zu dessen Computer übertragen und dort kurzzeitig zwischengespeichert, um einen konstanten Datenstrom zu gewährleisten. Es handelt sich dabei nur um eine temporäre Speicherung der Daten, der Nutzer behält also keine dauerhafte Kopie auf seiner Festplatte. Nach § 433 BGB ist, zumindest für das deutsche Kaufrecht, die die dauerhafte Überlassung der Kaufsache jedoch von zentraler Bedeutung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat daher auch die zeitweise Bereitstellung und Online-Nutzung von Anwendungssoftware als Miete i.S.d. §§ 535 ff. BGB qualifiziert. Begründet haben die Richter ihre Entscheidung damit, dass der Anwender zu Nutzungszwecken stets auf den Datenträger im Rechenzentrum des Anwenders zugreife, auf dem die Software verkörpert sei und verbleibe. Es genüge daher aber die Einräumung der bloßen Nutzungsmöglichkeit und setze keine Besitzverschaffung voraus. Auch der Verordnungsvorschlag verlangt bei einem Vertrag über digitale Inhalte keine Besitzverschaffung oder Übertragung der Urheberrechte, sondern wohl nur die Einräumung eines Nutzungsrechts. Nach Art. 5 lit. b CESL-VO soll der Nutzer zudem die Daten wiederverwenden können, ohne dass dies auf einen bestimmten Zeitraum eingegrenzt wird. Dies spricht daher grundsätzlich auch für eine dauerhafte Überlassung im Sinne einer Eigentumsverschaffung entsprechend dem § 433 BGB nach deutschem Recht.
Jonas Kaiser, L. L. B., wurde 1989 in Melle geboren. Sein Studium des Wirtschaftsrechts an der Universität Osnabrück schloss der Autor im Jahre 2013 mit dem akademischen Grad Bachelor of Laws erfolgreich ab.