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- Navigation in der nordeuropäischen Schifffahrt des Spätmittelalters: Instrumente und Methoden
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Abb.: 16
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Werpet dat loet – Werft das Lot! So legt das ‚Seebuch‘, eine niederdeutsche Segelanweisung aus dem späten Mittelalter, Schiffern auf dem Weg von der dänischen Insel Læsø zur Insel Hjelm vor der Ostküste Jütlands im Kattegat den Gebrauch des Lotes nahe, um die Wassertiefe zu überprüfen. Betrachtet man die modernen technischen Hilfsmittel, die den Seeleuten der heutigen Handels- und Kriegsflotten zur Verfügung stehen, muss zwangsläufig die Frage aufkommen, wie es den Schiffern des Mittelalters ohne diese gelang, unbeschadet die langen Seerouten zu bewältigen und die Zielhäfen zu erreichen. Heute stehen moderne Navigationsinstrumente wie GPS zur Verfügung, die es den Schiffern ermöglichen, den genauen Kurs festzulegen, den exakten Standort des Schiffes zu bestimmen und Untiefen rechtzeitig zu erkennen. Zudem dienen den Seeleuten heute verschiedene Seezeichen, etwa Tonnen zur Fahrwassermarkierung sowie moderne Leuchttürme, dazu, die gefährlichen Küstengewässer zu befahren und die Häfen unbeschadet zu erreichen. Doch auch die Schiffer des Mittelalters verließen sich auf ihren teilweise sehr langen und gefährlichen Routen nicht allein auf glückliche Umstände. So sind zahlreiche mittelalterliche Navigationsinstrumente und -methoden belegt, die es ihnen ermöglichten, die europäischen Küstengewässer zu besegeln und mit erstaunlicher Genauigkeit in die Zielhäfen einzulaufen. Welche Methoden und Instrumente hierbei zum Einsatz kamen, wird in diesem Buch unter besonderer Berücksichtigung der Gewässer des nördlichen Europas dargelegt. Hierbei wird vor allem auf die Bedeutung der verschiedenen navigatorischen Hilfsmittel für die mittelalterliche Schifffahrt Nordeuropas sowie auf die Eigenarten und Besonderheiten der Navigationstechniken in diesem Raum allgemein eingegangen. Zudem soll die Frage beantwortet werden, warum sich moderne Hilfsmittel der Navigation, die im südlichen Europa bereits sehr früh zur Anwendung kamen, in der Seefahrt des nördlichen Europas erst zu Beginn der Frühen Neuzeit durchsetzen konnten.
Textprobe: Kapitel 6. Vertonungen und Seekarten: 6.1 Portulankarten: Seekarten sind speziell für nautische Zwecke angefertigte Karten der Küsten und Meere, die den Schiffern eine ganze Reihe von Informationen geben, die diese auf ihren Fahrten nutzen können. Sie werden in Verbindung mit dem Kompass genutzt und erlauben den Seefahrern somit, ihre Position auf See zu überprüfen und etwaige Kursänderungen vorzunehmen. Zudem unterscheiden sich Seekarten von einfachen Landkarten dahingehend, dass dem Betrachter auch Informationen zu veränderlichen Gegebenheiten der jeweiligen Orte, etwa den Gezeiten der Küstenregionen, geliefert werden. Seekarten dienen im Wesentlichen drei Zwecken. Zum einen sollen sie die sichere Überquerung der Meere außerhalb jeder Landsicht garantieren. Zum anderen dienen sie mit ihren Küstenbeschreibungen der Fahrt in Sichtweite des Landes und liefern zudem wichtige Informationen, die beim Ein- oder Auslaufen in einen Hafen oder eine Reede nützlich sind. Die früheste schriftliche Überlieferung der Nutzung einer Seekarte stammt aus dem Jahre 1270. In diesem Jahr segelte der französische König im sogenannten Siebten Kreuzzug nach Tunis. Um dem König die genaue Position auf See zeigen zu können, fertigte der Schiffer zu diesem Zweck eine Seekarte an. Um die gleiche Zeit kamen auch die sogenannten Portulankarten, die in der Seefahrt des Mittelmeerraumes seit Ende des 13. Jahrhunderts belegt sind und aus älteren Küstenbeschreibungen, den bereits erwähnten Portulanen, hervorgegangen waren, auf. Die Portulankarten stellten eine große Neuerung in der mittelalterlichen Kartographie dar. Die Weltkarten vor dieser Zeit, die aufgrund ihres Siegels TO ( TO = Terrarum Orbis) auch als TO-Weltkarten bezeichnet werden, wobei das O den Kreis und das T im Innern der Karte die Dreiteilung der Welt darstellen, waren vor allem durch biblische Elemente und die Vorstellung über die Welt gekennzeichnet. Mit dem Aufkommen der Portulankarten traten in der Kartographie nun Erfahrungen an die Stelle von biblischen und teils mythischen Vorstellungen. Die Portulankarten waren mit Windrichtlinien versehen, die von einem Punkt der Karte aus in sämtliche Windrichtungen ausstrahlen. Sie zeigen vor allem die Küstenlinien mit ihren Gefahren, etwa Inseln und Flussmündungen, die für die Schiffer zum Verhängnis werden konnten. Zudem waren alle bekannten Häfen, Vorgebirge, Buchten und andere markante Punkte beschriftet, wobei der Name senkrecht zur Küstenlinie geschrieben wurde, um die Stelle auf See genau lokalisieren zu können. Die verschiedenen Symbole, die in den Karten verwendet wurden, blieben über Jahrhunderte unverändert. So markierte etwa ein schwarzes Kreuz einen gefährlichen Felsen und rote Punkte gaben die Orte an, an denen das Wasser besonders flach war. Auch wurden Häfen und Städte mit Flaggen markiert und ein Kreuz oder Halbmond zeigte sogar an, welcher Religion die Bewohner angehörten. Der geographische Raum, den die Portulankarten umfassen, beschränkt sich in den frühen Karten zunächst hauptsächlich auf den Mittelmeerraum, also von der Straße von Gibraltar bis Konstantinopel sowie das Schwarze Meer, teilweise werden allerdings auch skizzenhaft Teile Nordwesteuropas abgebildet. Auf den späteren Portulankarten des 15. Jahrhunderts hingegen, etwa auf den Karten des Graziosa Benincasa, die zwischen 1461 und 1482 entstanden, werden auch die afrikanische Küste und vor allem Teile Nordeuropas abgebildet. Für die Erweiterung des geographischen Raumes der Portulankarten sind zum einen die Entdeckungsfahrten der Portugiesen und zum anderen der Handel der italienischen Küstenstädte mit Flandern verantwortlich. Da es den mediterranen Schiffern auf ihren Handelsreisen ermöglicht werden sollte, auch in diesen Gewässern sicher zu navigieren, war es nötig, die nördlichen Seegebiete in die Karten aufzunehmen. Auf den Portulankarten, etwa der sogenannten Pisaner Karte , der ältesten erhaltenen Portulankarte aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert, von der ein zweites Exemplar ursprünglich auch im Compasso de navegare enthalten war, oder den 1313 entstandenen Karten des Ägäischen Meers, des Schwarzen Meers und des zentralen Mittelmeers des Petrus Vesconte sowie dessen Karte des Atlantiks von 1325, finden sich rote und grüne Linien, die einem Spinnennetz ähneln. Zudem finden sich 16 sogenannte Rumbenlinien , die 16 Knotenpunkte bilden sowie 16 Windrichtungen und Windrosen markieren. Durch die verschiedenen Linien ergeben sich in den Karten Quadrate, die als Grundlage für das Einzeichnen der Küstenlinien dienten. In den späteren Portulankarten wurden diese Rumbenlinien dann auf 32 erweitert, die der 32-teiligen Kompassrose entsprachen. Die acht Hauptwindrichtungen waren in den Portulankarten schwarz eingezeichnet, die acht halben Windrichtungen grün und die sechzehn Viertelwinde rot. Geographische Breiten- und Längenangaben finden sich in den Portulankarten jedoch noch nicht. Somit besteht wohl keine direkte Beziehung zur antiken Geographie, die Breiten und Längen bereits kannte. Ein in Grade eingeteiltes Koordinatensystem kam in der Kartographie erst wieder im 16. Jahrhundert in Gebrauch, als man sich des antiken Geographen Ptolemäus erinnerte. Trotz alledem setzten die Herstellung und der Gebrauch der Portulankarten genaue Berechnungen und die Benutzung verschiedener nautischer Instrumente voraus. So mussten Richtungen festgelegt und Entfernungen berechnet werden. Eine Voraussetzung für die Entstehung und Nutzung der Portulankarten war zum einen die Bussole, ein Schwimmkompass, die nur wenige Jahrzehnte vor dem Aufkommen der ersten Portulankarten erfunden worden war. Sie diente dazu, wie bereits erwähnt, die Schiffsroute zu bestimmen und einzuhalten, indem mit ihrer Hilfe ein gleichbleibender Winkel zwischen Schiff und Anzeige der Magnetnadel gehalten wurde. Zum anderen wurde die im Mittelmeerraum schon lange gebräuchliche Sanduhr, mit deren Hilfe sich Entfernungen und die dafür benötigte Zeit berechnen ließen, benötigt. Zu diesem Zweck befinden sich auf der Pisaner Karte auch zwei Entfernungsmaßstäbe. Dass die Schiffer mit Hilfe der Karten und ihrer Maßstäbe in der Lage waren, Entfernungen zu berechnen, ist wohl die bedeutsamste Neuerung, die mit dem Aufkommen der Portulankarten einherging. Neben Kurs- und Zeitbestimmung mit Kompass und Sanduhr mussten bei der Benutzung eines Seekarte auch Strömungen, die allerdings, wie bereits mehrfach erwähnt, im Mittelmeer nicht besonders stark und häufig sind, und vor allem die Effekte des Windes berücksichtigt werden. Der Ausgleich der Abdrift bei der kompassgestützten Navigation war also eine Voraussetzung für die effektive Nutzung der Portulankarten und musste von den mediterranen Schiffern bewältigt werden. Eine weitere Neuerung der Portulankarten hinsichtlich der älteren mittelalterlichen Weltkarten war der Umstand, dass Norden nun oben angezeigt wurde. Hierbei war eine, oft reich verzierte, Kompassrose auf den Karten abgebildet und die französische Lilie, die Fleur-de-lis, zeigte die Nordrichtung an. Auch dies weist darauf hin, dass die Portulankarten ganz praktischen Zweck dienten. Dass sie offensichtlich mit der Absicht hergestellt wurden, sie leicht lesen zu können und dass vor allem Küstenlinien, Inseln und gefährliche Flussmündungen deutlich dargestellt sind, lässt ebenfalls den vorrangig praktischen Wert der Karten erkennen. Zudem bemühten sich die Kartographen stets sichere Informationen und Beobachtungen, etwa von Fischern oder Seereisenden wie Marco Polo, in ihre Karten aufzunehmen. Am deutlichsten zeigt sich dies wohl an der großen Weltkarte des Venezianers Fra Mauro aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, die er für den portugiesischen König anfertigte. Er gab sogar an, dass er nicht genug Platz auf der Karte gehabt hätte, um alle ihm zugetragenen Informationen über die verschiedenen Gebiete in die Karte aufzunehmen. Einige heutige Kartographen sind aufgrund der hohen Genauigkeit hinsichtlich der Darstellung der Küstenlinien in den Portulankarten der Ansicht, dass diese zum Zweck der kartographischen Darstellung sogar vermessen wurden. Einen Beweis für diese Theorie gibt es jedoch nicht. Vielmehr ist es wahrscheinlicher, dass die Kartographen sich beim Anfertigen der Karten vor allem auf genaue Beobachtungen und Erfahrungen verließen und weniger auf eine geometrische und kartographische Theorie. Wie die mittelalterlichen Kartographen des Mittelmeerraumes hierbei jedoch genau vorgingen, lässt sich nicht nachvollziehen. Die Genauigkeit der Darstellung der Küstenlinien auf den Portulankarten ist jedenfalls erstaunlich. Fest steht, dass die Portulankarten vor allem unter dem Einfluss der arabischen und abendländischen Wissenschaft und den aufkommenden Seemächten Venedig und Genua entstanden, die am Ende des 13. Jahrhunderts mit ihren Schiffen bis nach Brügge gelangten und diverse Handelsniederlassungen in Frankreich und England ins Leben riefen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die ersten Portulankarten italienischen Ursprungs sind. Zentren der Kartographie waren Genua, Venedig und Palermo in Italien sowie Mallorca und Barcelona in Spanien. Die Portulankarten waren in ihrer ursprünglichen Form bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts in Gebrauch. Ihre Hochzeit endete 1546, als der Universalgelehrte und Kartograph Gerhard Mercator darauf aufmerksam machte, dass die Missweisung des Kompasses in den Karten nicht berücksichtigt werde.
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