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- Ein Expertensystem zur Unterstützung körperbehinderter Menschen: Prototypische Entwicklung für eine Sozialeinrichtung
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 170
Abb.: 83
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Als Beispiel für eine Sozialeinrichtung in Oberösterreich wird ein Expertensystem (ESAT) mit der Expertensystem-Shell ‚d3web’ entwickelt. Dieses Expertensystem dient dazu Assistierende Technologien behinderten Menschen aufgrund deren Fähigkeiten zuzuordnen. Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen einer Vorarbeit von Frydyada de Piotrowski, wird die systematische Auswahl einer geeigneten Expertensystem-Shell und der Entwicklungsprozess eines Prototyps beschrieben. Es wird auf den Aufbau einer Wissensbasis mit den entsprechenden Regeln ebenso wie auf Heuristiken zur Zuordnung der Hilfsmittel eingegangen. Die Funktionalität der Software wird durch erstellte Testfälle mittels Continuous Integration (CI) geprüft. Ebenso werden die Heuristiken und die Praxistauglichkeit anhand retrospektiver Tests nachgewiesen. Der Autor Siegfried Kreutzer führt in die theoretischen Grundlagen von Behinderungen, Assistierenden Technologien, Künstliche Intelligenz und Expertensysteme ein. Das Buch beschreibt ein Projekt aus der Praxis, mit vielen Tipps und richtet sich an alle Personen mit Interesse im Kontext behinderter Menschen, Assistierende Technologien und Expertensysteme.
Textprobe: Kapite 2.4.1.3, Vorwärts- oder Rückwärtsverkettung: Ob Vorwärts- oder Rückwärtsverkettung die bessere Wahl zur Lösung eines Problems ist, hängt im Wesentlichen davon ab ob Fakten oder Ziele bekannt sind und welche Fragestellung verfolgt wird. Vorwärtsverkettung ist besonders nützlich, wenn alle anfänglichen Fakten bekannt sind, aber nicht, welche Schlüsse wahrscheinlich wären. Bohrer gibt der Vorwärtsverkettung den Vorzug, wenn nur wenige Symptome bzw. Voraussetzungen, dafür aber viele mögliche Diagnosen bzw. Ergebnisse verfügbar sind. Ist jedoch bekannt wie die Schlüsse bzw. Diagnosen bzw. Ergebnisse aussehen könnten, oder soll eine spezielle Hypothese geprüft werden, kann Vorwärtsverkettung ineffizient sein. Rückwärtsverkettung hilft dabei, irrelevante Schlussfolgerungen zu vermeiden und eignet sich, wenn es nur wenige Diagnosen bzw. Ergebnisse, aber viele Symptome bzw. Voraussetzungen gibt. Die Vorteile der regelbasierten Wissensdarstellung mittels WENN-DANN-Regeln sind: Es ist möglich, Wissen modular aufzubauen. Die Regeln sind im Allgemeinen leicht verständlich. Regelsysteme zeichnen sich damit durch einen leichten und verständlichen Aufbau aus. Es ergibt sich eine gute Erklärbarkeit der gezogenen Schlüsse. Regeln eigenen sich besonders für die Darstellung von empirischem Wissen. Ein weiterer Vorteil durch die regelbasierte Wissensdarstellung ist die einfache Erweiterbarkeit der Wissensbasis und die Möglichkeit des Systems, ‘intelligente’ Entscheidungen zu treffen. Als Nachteile sehen Lämmel und Cleve: Die Abarbeitung kann durch die Prüfung aller Bedingungen aufwändig sein. Die Auswahl einer anwendbaren Regel muss bei größeren Problemen geeignet gesteuert werden. Nachfolgend werden Beispiele an Expertensystemen vorgestellt. Beispiele von Expertensystemen ‘MYCIN’ ist ein Expertensystem welches entwickelt wurde, um Ärzte bei der Diagnose und Behandlung von Patienten mit bestimmten Arten bakterieller Infektionen zu helfen. Es wendet Techniken der KI an, wie z.B. Konfidenzfaktoren zum Feststellen des Grades an Sicherheit, um Probleme zu lösen, die unsicheres und unvollständiges Wissen umfassen. ‘MYCIN’ benutzt primär ein regelbasiertes Rückwärtsverkettungsverfahren. Das Programm ‘Internist’ ist ein umfassendes Diagnostikprogramm, das im Gegensatz zu ‘MYCIN’ explizit versucht, die Art, wie menschliche Experten ihre Diagnosen stellen, zu erfassen. Es bedient sich einer Problemlösungsstrategie, die auf der Technik der ‘Differentialdiagnose’ basiert. Das bedeutet, dass man ausgehend von einer Reihe aktueller Hypothesen zur Krankheit eines Patienten Fragen zu stellen versucht, um unter diesen Hypothesen die Wahrscheinlichste abzugrenzen. Bei ‘Internist’ werden zwei Zahlen, welche die Wechselwirkung Befund zu Krankheit widerspiegeln, verwendet. Die erste Zahl (evoking strength) gibt die Wahrscheinlichkeit für die Krankheit an, wenn der Befund auftritt [4]. Die zweite Zahl (frequency) gibt die Wahrscheinlichkeit des Befundes an, wenn die Krankheit vorliegt. Als Beispiel bringt Cawsey den Fall, dass Kopfschmerzen nicht unbedingt zur Hypothese Gehirntumor führen, bei einem Gehirntumor sind Kopfschmerzen aber sehr wahrscheinlich. Cawsey beschreibt das Vorgehen von ‘Internist’ zur Stellung einer Diagnose folgendermaßen: Bei nur einer Diagnose versucht ‘Internist’ Schlussfolgerungen abzuleiten. Das Programm trachtet danach, die Diagnose zu bestätigen und mehr Daten über ihre assoziierten Befunde zu sammeln (dem Benutzer werden noch weitere Fragen gestellt, welche den ‘Verdacht’ bestätigen sollen). Bei zwei bis vier in Frage kommenden Diagnosen versucht ‘Internist’, diese unterschiedlich zu behandeln und durch gezielte Fragen eine Diagnose zu favorisieren. Die Diagnosen werden anschließend entsprechend ihrer Relevanz gereiht. Bei mehr als fünf in Frage kommenden Diagnosen versucht ‘Internist’, einige auszuschließen. ‘Pathfinder’ ist ein System, dass Pathologen bei der Diagnose von Krankheiten im Zusammenhang mit den Lymphknoten hilft. Bei der Entwicklung von ‘Pathfinder’ wurden für die Behandlung von Unsicherheiten eine Reihe von Techniken in Erwägung gezogen, darunter das einfache Bayes’sche Verfahren, Konfidenzfaktoren und das in Internist verwendete Bewertungsschema. Die Untersuchungsergebnisse zeigten, dass das einfache Bayes’sche Verfahren zur Bestimmung der Sicherheiten für Diagnosen die besten Ergebnisse liefert. ‘Pathfinder’ schlägt mögliche noch nützliche Befunde vor, welche es zu erheben gilt, um Diagnosen zu bestätigen oder zu verwerfen. Dabei bedient es sich einer anspruchsvollen Technik, die auf der Entscheidungstheorie basiert. Die Idee besteht darin, dass die Eingabe von Befunden bestimmte Kosten hat und der Gewinn durch die Kenntnis des Befundes diese möglicherweise nicht aufwiegt. Pathfinder zieht also unter anderem den Nutzen eines Befundes in Erwägung, basierend darauf, wie viel er zur Diagnose beiträgt. Diese Beispiele zeigen einen Ausschnitt an Möglichkeiten, wie Expertensysteme zur medizinischen Diagnose eingesetzt werden und welche Problemlösungsstrategien verfolgt werden. Cawsey beschreibt das Bayes’sche Verfahren aufgrund von Untersuchungsergebnissen als das am Vielversprechendsten. Um ein Expertensystem erfolgreich in der Praxis zu etablieren, muss es mit bestehenden Arbeitspraktiken vereinbar sein, eine einfach zu bedienende Oberfläche besitzen, wenig Zeit erfordern und vielleicht zusätzliche nützliche Funktionen wie Lehrbuchinformationen und Literaturverweise bieten. Diese Faktoren fließen auch bei der in Kapitel 2.4.3 begründeten Auswahl einer Expertensystem-Shell mit ein.
Siegfried Kreutzer, Jahrgang 1971, studierte ‚Engineering für Computer-basiertes Lernen’ an der FH Oberösterreich, Campus Hagenberg und ‚Gesundheitsinformatik’ an der UMIT in Hall/Tirol. Zuvor arbeitete er nach seiner Berufsausbildung zum Elektromechaniker für Schwachstrom über 15 Jahre in den Bereichen Systemengineering, Netzwerke und Web-Entwicklung und war 10 Jahre lang als IT-Trainer tätig. Zurzeit arbeitet er freiberuflich im Virtual Office des FAB. Er forscht und entwickelt dort in den Bereichen ‚kognitive Förderung von Jugendlichen mit Beeinträchtigungen’ und ‚assistierenden Technologien’. Die veranlasste ihn dazu, sich intensiv der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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