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- Zwischengeschlechtlichkeit im öffentlichen Diskurs: Eine Kritische Diskursanalyse am Beispiel des "Zwitter-Prozesses" in den Printmedien
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Ich war Mann und Frau : Der Buchtitel von Christiane Völlings 2010 erschienener Erzählung ihrer Version einer intersexuellen Lebensrealität mag in manchen gesellschaftlichen und auch akademischen Kontexten Verwirrung stiften. Mann und Frau zugleich? In einem System, das auf der Trennung von Geschlechtern in genau zwei Kategorien - nämlich weiblich und männlich - beruht, scheint weder die Vorstellungsmöglichkeit noch der Platz für Menschen zu sein, die eine Position als weder das eine oder das andere, ein sowohl als auch oder ein dazwischen beziehen. Die unmittelbare Frage, die sich daran anschließen lässt, ist diese: Wie kommt es, dass - obwohl uns in Gesellschaft und häufig auch der in Wissenschaft vermittelt wird, dass es nur zwei streng voneinander getrennte Geschlechter gibt - es dennoch einen (nicht geringen) Teil von Menschen gibt, die sich in dieses Schema nicht einordnen können oder wollen?
Textprobe: Kapitel 3, Siegfried Jägers Kritische Diskursanalyse: Siegfried Jäger, Vorsitzender des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS), hat mit der Kritischen Diskursanalyse ein Konzept erarbeitet, das im Anschluss an die Theorien von Michel Foucault und dessen theoretischer Aufarbeitung bzw. Rezeption durch J. Links und U. Link-Heers literaturwissenschaftlichen Ansatz, vor allem auf der Ebene einer praktischen Diskursanalyse Methoden vermittelt, die neben wissenschaftlichen Aspekten vor allem auch […] gleichwertig das Ziel einer emanzipatorischen Aufklärung durch Ideologie- und Praxiskritik (Keller 152) setzt. Die Vorteile der Kritischen Diskursanalyse liegen also in ihrer praxisnahen Orientierung die darauf abzielt, konkrete gesellschaftliche Vorgänge anhand der in ihnen vermittelten Diskurse sich- und hinterfragbar zu machen und bietet somit vor allem für die Analyse von Massenmedien bzw. die in Massenmedien (und in dieser Arbeit spezifisch Print-Medien) einen geeigneten Ansatzpunkt, da die KDA die in ihnen zirkulierende Texte als ideologische Produkte betrachtet und analysiert, auch wenn durchaus andere Anwendungspraktiken möglich und machbar sind. Die zentralen Fragen einer Analyse, die mit dem Verfahren der Kritischen Diskursanalyse arbeitet, richten sich an die Produktion und die Vermittlung von Wissen durch Diskurse und ihre sprachliche Vermittlung. Mittels der Kritischen Diskursanalyse lässt sich fragen: Was ist Wissen überhaupt? Wie kommt dieses Wissen zustande? Wie wird es weitergeben? Und auf gesellschaftlicher Ebene: welche Funktionen hat das jeweils gültige Wissen für die Konstituierung von Subjekten und die Gestaltung der Gesellschaft? Und im Anschluss daran: Welche Auswirkungen hat dieses Wissen auf eine gesamte gesellschaftliche Entwicklung sowie aktuelle soziale Positionierungen? Unter Wissen versteht Jäger […] alle Arten von Bewusstseinsinhalten bzw. von Bedeutungen, mit denen jeweils historische Menschen die sie umgebende Wirklichkeit deuten und gestalten (Jäger 2000 81). Das zur Verfügung stehende Wissen beziehen diese aus den jeweiligen diskursiven Zusammenhängen, […] in die sie hineingeboren sind und in die verstrickt sie während ihres gesamten Daseins leben (ebd.). Zur Klärung der von Siegfried Jäger vorgeschlagenen Diskursanalyse, welche in einem weiteren Schritt in dieser Arbeit eine praktische Anwendung findet, müssen zunächst theoretische und methodische Grundlagen erörtert werden - nicht zuletzt, um den gewählten Ansatz dieser Arbeit transparent zu machen (und damit auch kritikfähig), aber auch, um eine theoretische Basis der für die Analyse verwendeten Begrifflichkeiten auszuarbeiten. 3.1, Diskursbegriff: Ein zentrales Moment in der von Jäger konzipierten KDA stellt das Flussmodell dar, dass Diskurse in einen spezifischen zeitlichen, aber auch räumlichen Kontext einbettet. Jäger beschreibt in diesem Zuge Diskurse als […] soziale Wissensflüsse durch die Zeit (Keller 96). Dieses Modell zeigt zwei wichtige Charakteristika von Jägers Diskursbegriff: zum einen haben Diskurse eine zeitliche Dimension, in deren Verlauf sich die Diskurse ändern können, zum anderen kennzeichnen sie sich auch durch eine räumliche Beziehung zueinander, innerhalb derer sie wechselseitig aufeinander einwirken können (Pundt 85). Jäger betont mit dieser Auffassung die historische Verfasstheit von Diskursen, soziale Verhältnisse werden demnach nicht passiv in Diskursen repräsentiert, sondern aktiv konstituiert und organisiert. Andersherum wird in Diskursen gesellschaftliche Realität nicht einfach widergespiegelt, Diskurse führen nach Jäger ein Eigenleben , […] obwohl sie Wirklichkeit prägen und gestalten, ja, gesellschaftliche Wirklichkeit zuerst ermöglichen (Jäger in Keller, 85). Wie aber wirkt sich ein Diskurs, etwa der Diskurs um Zwischengeschlechtlichkeit in deutschen Print-Medien, auf ein kollektives als auch individuelles Bewusstsein aus? Jägers Modell der Diskursanalyse impliziert zeitgleich eine Wirkungsanalyse, die […] mögliche Konsequenzen des diskursiv vermittelten Wissens für das individuelle und kollektive Handeln und damit für die Gestaltung der Wirklichkeit aufzeigt (Jäger/Jäger, 32). Der Begriff der Wirkung von Massenmedien, der vor allem in den Medienwissenschaften einen nicht unumstrittenen Platz einnimmt, bedarf an dieser Stelle eine nähere Erläuterung, denn vor allem seine Verknüpfung mit Macht ist vor allem für die Fragestellung dieser Arbeit relevant. Es muss betont werden, dass sich ein einzelner Text bzw. um Jägers Terminologie zu verwenden, ein einzelnes Diskursfragment, nur geringfügig und kaum nachweisbar wirkt (Jäger/Jäger 32), dennoch wirkt sich die ständige Wiederholung von Inhalten, Symbolen, Argumenten und Strategien einzelner Diskursfragmente auf die Gesamtwirkung eines Diskurses bzw. eines Diskurstrangs aus, sie […] ´wirken´ durch ständige Rekurrenz und tragen so mit dazu bei, Bewusstsein zu formieren, Wissen aufzubauen und zu verfestigen und damit Machtwirkungen auszuüben (Jäger/Jäger 33). 3.2, Methoden und Ziele der Kritischen Diskursanalyse: Um das große Wuchern der Diskurse zu entwirren und um ihre Verflochtenheit sichtbar zu machen, erarbeitet Jäger in der KDA einige begriffliche Vorschläge, […] die dazu geeignet sind, die prinzipielle Struktur von Diskursen durchschaubarer und infolgedessen erst eigentlich analysierbar werden zu lassen […] (Jäger in Keller 96). Die im Folgenden erläuterten Begrifflichkeiten dienen also dazu, Diskurse handhabbar zu machen und eine Grundlage für eine konkrete Analyse zu schaffen. Spezialdiskurse und Interdiskurs: Jäger unterscheidet in Anlehnung an J. Link zwischen Spezialdiskursen und Interdiskursen, wobei die Spezialdiskurse den Wissenschaften zu Eigen sind und alle nicht-wissenschaftlichen Diskurse als Elemente des Interdiskurses begriffen werde. Dennoch existieren diese beiden Diskursformen nur analytisch getrennt voneinander, da ständig Elemente der wissenschaftlichen Diskurse in den Interdiskurs einfließen. Diskursstränge: Als Diskursstränge versteht Jäger jeweils thematisch einheitliche Diskursverläufe. So ist zum Beispiel innerhalb der Diskurse um Geschlecht ein einzelner thematisch einheitlicher Diskursverlauf die Debatte um Zwischengeschlechtlichkeit, so dass ein Diskursstrang dadurch charakterisiert werden kann, dass er die Summe aller Äußerungen die zu einem bestimmten Thema bestehen, beschreibt. Dabei verortet Jäger den jeweiligen Diskursstrang in einer diachronen und in einer synchronen Dimension (längere bzw. kürzere Zeiträume). Jäger ist es an dieser Stelle nicht nur wichtig, einen einzelnen Diskursstrang zu betrachten, sondern diesen ebenso im Kontext anderer Diskursstränge (Diskursstrang-Verschränkungen) zu analysieren, die sich miteinander verschränken, also sich gegenseitig beeinflussen und stützen. Ein Text kann demnach Bezüge zu verschiedenen Diskurssträngen enthalten. Diskursfragmente: Ein Diskursstrang besteht wiederum aus der Verbindung einer Vielzahl von Texten bzw. Textteilen, die bei Jäger als Diskursfragmente terminiert werden. Ein Diskursfragment behandelt ein bestimmtes Thema, wobei es innerhalb verschiedener Diskursverläufe als argumentative Aussagen herangezogen werden kann, so dass ein Diskursfragment in diversen Diskurssträngen vorhanden sein kann. Diskursive Ereignisse: Als diskursive Ereignisse lassen sich solche Ereignisse verstehen […] die politisch, und das heißt in aller Regel auch durch die Medien, besonders herausgestellt werden und als solche Ereignisse die Richtung und die Qualität des Diskursstrangs, zu dem sie gehören, mehr oder minder stark beeinflussen (Jäger in keller 98). In der synchronen Analyse von Diskurssträngen können die jeweiligen diskursiven Ereignisse eine Art Chronik ergeben, die für eine Interpretation der Diskursstränge von Jäger als hilfreich angesehen wird. Diskursebenen: Diskursebenen können als die sozialen Orte charakterisiert werden, von denen aus gesprochen wird: dazu gehören unter anderem die Ebenen Wissenschaft, Politik, Alltag, Medien oder Erziehung. Die verschiedenen Diskursebenen nutzen einander, wirken aufeinander ein und beziehen sich auf einander, so dass auf der Medien-Ebene etwa die Diskursfragmente eines wissenschaftlichen Spezialdiskurses aufgenommen werden, wie es z.B. bei Colapintos Artikel über David Reimer zu beobachten war. Diskursposition: Mit der Diskursposition beschreibt Jäger den spezifischen ideologischen Standort, von dem aus sich eine Person oder ein Medium innerhalb der Struktur der Diskurses zu einzelnen Diskurssträngen äußert. Diskurspositionen lassen sich als das Resultat der Verstricktheit des Individuums in verschiedene Diskurse fassen, von der aus dann wiederum die jeweils gültigen Wahrheiten verteidigt werden (vgl. Jäger 99). Während die Diskurspositionen in einem hegemonialen Diskurs wahrscheinlich ziemlich homogen wären (und somit gleichzeitig auch schon auf eine Wirkweise hegemonialer Diskurse hindeutet), können durch oppositionelle Diskurspositionen Gegendiskurse entstehen.
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