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- Vereinbarkeit von Arbeit und Kinderbetreuung: Flexibilisierung als Chance oder Herausforderung?
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Abb.: 68
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Gegenstand der Untersuchung ist im ersten Schritt eine Aufarbeitung von bereits vorhandener Literatur und vorhandenen Daten zum Thema Arbeitszeit sowie deren Veränderungen und Flexibilisierung in der Bundesrepublik Deutschland. Aufbauend darauf werden mittels einer eigenen Trendanalyse von SOEP- Daten (Sozio-Oekonomisches Panel) zusätzliche Befunde zu Arbeitszeit, Arbeitsweg und Zeitaufwand für Weiterbildungen herausgearbeitet, anhand derer eine Beurteilung der zeitlich-(veränderten) Anforderungen an Betreuungseinrichtungen erfolgt. Im zweiten Teil der Untersuchung wird anhand von zwei Fallstudien erarbeitet, auf welche unterschiedliche Weise Kinderbetreuungseinrichtungen den Anforderungen an ihr Betreuungsangebot in zeitlicher Sicht gerecht werden. Kinderbetreuung bezieht sich in diesem Untersuchungszusammenhang auf die Altersgruppe der null- bis sechs-Jährigen.
Textprobe: Kapitel 1.4, Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit: Die Arbeiten und Analysen zur Entgrenzung und Subjektivierung sind ein sehr umfangreiches Themenfeld und könnten, bei detaillierter Aufarbeitung, eine eigenständige Arbeit füllen. Da dies für die vorliegende Fragestellung allerdings nicht den Analysekern, sondern nur einen weiteren wichtigen Aspekt darstellt, erheben die folgenden Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollen lediglich einen Überblick über die beiden in der Literatur intensiv thematisierten Entwicklungstrends und deren Folgen und Konsequenzen für die ArbeitnehmerInnen ermöglichen. Entgegen der recht engen Definition des Flexibilitätsbegriffs in den vorangestellten Teilkapiteln wird er in der Debatte um die Entgrenzung von Arbeit etc. in einer eher loseren Bedeutung, nämlich im Sinne von Abweichungen und / oder Veränderungen von dem bisher als normal bzw. üblich Betrachtetem, verwendet. Entgrenzungs- und Subjektivierungsdebatten sind im Zuge der (arbeits) gesellschaftlichen Entwicklungen entstanden, die oben anhand von verschiedenen Daten in Bezug auf die Anforderungen der Arbeitswelt skizziert wurden. Sie beziehen eine recht eindeutige Position, die an dieser Stelle allerdings nicht weiter hinterfragt, sondern lediglich dargelegt werden soll. Mit dem Begriff Entgrenzung wird, ganz generell betrachtet, ein Prozess beschrieben, bei dem sich die Grenzen zwischen verschiedenen Sphären auflösen. Auf den Bereich der Arbeit übertragen, meint dies z.B. die Auflösungen von zeitlichen und räumlichen Strukturen der betrieblich organisierten Arbeit - wie etwa die strikten Grenzziehungen zwischen Arbeitszeit und Freizeit, Arbeitsstätte und Heim etc. (vgl. Belwe, 2007: 2). Zur Beschreibung und Erfassung von Entgrenzungsprozessen in der Arbeitswelt wird in der Regel der Idealtypus der Normalarbeit fordistisch-tayloristischer Prägung als Referenzpunkt verwendet (vgl. Kratzer, 2003: 44). Die These der Entgrenzung von Arbeit geht davon aus, dass nun eben ‘jene Grenzziehungen erodieren, die für die betriebliche Organisation von Arbeit im Fordismus und Taylorismus konstitutiv und strukturprägend waren’ (ebd.: 23) und die Trennung zwischen Lebenswelt und Arbeitswelt, Person und Arbeitskraft immer mehr verschwimmen bzw. aufgehoben werden. Somit entstehen neue Formen der Arbeitsgestaltung, die geprägt sind von ‘flexibel und/oder selbstbestimmten Arbeitszeiten, Gruppenarbeit, Jobenrichment, Enthierarchisierung, Mitarbeiterbeteiligung usw.’ (ebd.: 13). Dadurch ergeben sich eine Erweiterung der Gestaltungsspielräume der Arbeitstätigkeit und -ausübung und gleichzeitig der Verlust der Begrenzung der Zurechnung von Verantwortlichkeiten und Konsequenzen (vgl. Moldaschl, 2003: 35). Gestaltungsspielräume eröffnen die Möglichkeit zur Flexibilität, setzen in gleichem Maße auch die Bereitschaft und Fähigkeit der Arbeitnehmer dazu voraus (vgl. Kratzer, 2003: 25). Nach Ansicht Kratzers hat dies ambivalente Konsequenzen: ‘Die Flexibilisierung der Arbeit kann bedeuten: bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben, Berücksichtigung individueller Bedürfnisse, Aufhebung der strikten und oft kritisierten Trennung von Familie und Beruf. Sie kann aber genauso bedeuten – und das oft gleichzeitig – Entsicherung und Re-Kommodifizierung, Unterordnung lebensweltlicher Bedürfnisse und Interessen unter ökonomische Anforderungen, Unplanbarkeit des sozialen Lebens und die Unmöglichkeit des Aufbaus stabiler sozialer Beziehungen’ (ebd.: 15). Subjektivierung steht in engem Zusammenhang mit Entgrenzung und meint eine zunehmende Bedeutung von personenbezogenen (subjektiven) Potenzialen und Leistungen im Arbeitsprozess (vgl. Moldaschl, Voß, 2003: 13) und damit eine verstärkte Eigenverantwortlichkeit, also die Zurechnung der Verantwortung für bestimmte Prozesse und Prozessergebnisse auf ein einzelnes Subjekt. Subjektivierung als Auflösung einer bürokratischen Verantwortlichkeit, bei der Zurechenbarkeit von Verantwortung durch Vorgesetzte und Hierarchien abgefedert wird, hat zur Folge, dass jeder selbst Verantwortung für sein Tun, die korrekte Verrichtung seiner Arbeit, Dienstleistung etc. übernehmen muss (vgl. Kratzer, 2003: 60). In diesem Zusammenhang erfolgen dann z.B. auch keine konkreten Arbeitsanweisungen mehr, sondern es werden Zielvorgaben ausgesprochen, die dem Arbeitnehmer wiederum mehr Handlungsautonomie ermöglichen (vgl. Nickel et. al., 2008: 218), aber oft gleichzeitig mit Zielvereinbarungen, und somit variablen und leistungsbezogenen Entgeltkomponenten (vgl. Grimm Windeln, 2006: 3) gekoppelt sind. Aus den Annahmen der Entgrenzung, Flexibilisierung und Subjektivierung ergibt sich in zugespitzter Form dann ein neuer Typus des Arbeitnehmers: der Arbeitskraftunternehmer (vgl. Hermann, 2005: 224). Aufbauend auf der Besonderheit der Ware Arbeitskraft, nämlich der Untrennbarkeit von Arbeitsvermögen und Person (vgl. Voß Pongratz, 1998: 131) und der trotzdem stark voranschreitenden marktförmigen Nutzung dieser Ware durch Betriebe und Unternehmen (vgl. ebd.: 133), sind die Kernbestandteile der These der Entwicklung des Arbeitskraftunternehmers: eine verstärkte Selbstkontrolle, eine erweiterte Selbst-Ökonomisierung und die Selbst-Rationalisierung und Verbetrieblichung der Lebensführung. In der Regel sind nicht alle ArbeitnehmerInnen von diesen Entwicklungstendenzen betroffen, sondern vorwiegend die Personengruppe der hochqualifizierten bzw. spezifizierten Arbeitskräfte oder Selbstständigen (vgl. Daser, 2009: 68). Es stellt sich daher die Frage, in wie weit man aus der These des Arbeitskraftunternehmers auf einen generellen neuen gesellschaftlichen Leittypus von Arbeitnehmerinnen bzw. der Nutzung von Arbeitskraft schließen kann. Nichts desto trotz verdeutlichen die in den vorangestellten Kapiteln dargelegten Entwicklungstendenzen auch, dass arbeitsweltliche Aspekte immer mehr Zugang in das Privatleben finden und Individuen ‘unter diesen Bedingungen (…) selbst für Abgrenzungen sorgen [und] in verstärktem Maße selbst zeitliche und räumliche Grenzen ziehen [müssen]’ (Belwe, 2007: 2). In wie weit es sich dabei allerdings um gänzlich neue Entwicklungen oder nur die Fortschreibung eines bereits lange vorhandenen Trends handelt, kann an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Die Annahmen der Theorien zur Entgrenzung und Subjektivierung sehen in den dargestellten Entwicklungen oberflächlich betrachtet positive Entwicklungstendenzen, die aber tiefgreifendere und weitreichendere negative Folgen für die ArbeitnehmerInnen mit sich bringen können und z.B. eine Unterordnung anderer Lebensbereiche, wie dem der Familie, unter den der Arbeit und damit eine Ökonomisierung der eigenen Person und des Lebens zur Folge haben (vgl. Hohschild, 2002: XIV). Moosbrugger stellt sogar die Frage, ob ggfs. die Entgrenzung von Arbeit und Leben mit verantwortlich für die Verhinderung von Familiengründungsprozessen ist (vgl. Moosbrugger, 2008:145).
Janina Tatan wurde 1982 am Niederrhein geboren. Vor ihrem Masterstudium (Soziologie – Arbeit, Beruf und Organisation) an der Universität Duisburg-Essen, studierte sie an derselben Universität die Praxisorientierten Sozialwissenschaften (DI) . Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen durch die Mitarbeit in verschiedenen Forschungsprojekten an den Instituten der Heimuniversität sowie durch eigene Evaluationsprojekte für die Stadt Duisburg und durch die Mitarbeit an einer Schule in Oberhausen. Ihr Interesse an der Ungleichheit, insbesondere zwischen den Geschlechtern und in Bezug auf Bildung und Teilhabe (am Erwerbsleben), motivierten sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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