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- Soziale Netzwerkarbeit in der Suchthilfe: Case Management als Methode der Sozialen Arbeit
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Arbeit thematisiert die Methode des Case Managements in der Arbeit mit Suchtkranken unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Netzwerkarbeit. Case Management als ein Konzept der Sozialen Arbeit, findet in vielen sozialpädagogischen Fachrichtungen Verwendung und wird auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise im Gesundheitswesen eingesetzt. Soziale Probleme können dann entstehen, wenn die Bedürfnisse eines Menschen und seine soziale Umwelt schlecht aufeinander abgestimmt sind, wenn also die Bedürfnisse einer Person durch die Umwelt nicht erfüllt werden und die zur Verfügung stehenden individuellen Ressourcen nicht für die Schaffung von entsprechenden Umweltressourcen genutzt werden können. Ziel des Case Managements ist es, die Person so zu stärken, dass sie selbstständig Ressourcen erschließen und eigenständig die Lebensführung übernehmen kann. Mit dem Konzept soll durch eine effektive Hilfeleistung, durch Koordination und unter Partizipation der Betroffenen auf diesen verzweigten Hilfebedarf suchtkranker Menschen eingegangen werden. Die Arbeit thematisiert ebenfalls die Gründe und Entwicklung einer Suchterkrankung und die Problemlagen drogenabhängiger Menschen und wird abschließend den Prozess des Case Managements aufzeigen, welcher idealtypisch in fünf Schritten abläuft und skizzieren, in welchen Phasen die soziale Netzwerkarbeit als Methode verortet werden kann
Textprobe: Kapitel 2.3, Schwerpunkte von Case Management: 2.3.1, Klientenorientierter und Einrichtungsorientierter Schwerpunkt: Wie bereits erwähnt, ist bei der Entstehung des Case Managements die Entwicklung von einem weiteren Faktor wesentlich beeinflusst worden, der Frage nach Effektivität und Effizienz. In diesem Kapitel möchte ich die zwei Schwerpunkte beschreiben, nach denen das Case Management ausgerichtet wird, um das Spannungsgefüge aufzuzeigen, in welchem sich professionelle Fachkräfte der Sozialen Arbeit befinden. In der Literatur wird dies häufig im Zusammenhang mit der Ethik des Case Managements diskutiert und mit unterschiedlichen Begriffen belegt. Klug (2002, S. 45) bezeichnet die zwei Typen als consumer-driven-system und system-driven-system , bei Riet und Wouters (2003, S. 50) wird es als Klientenorientiertes vs. Einrichtungsorientiertes Vorgehen bezeichnet und Löcherbach (2002, S. 202) redet von Fall- und Systemmanagement . Alle Begriffe beinhalten jedoch die gleiche Vorstellung, auf der einen Seite werden die Bedürfnisse und Ziele des Klienten in den Vordergrund gestellt, auf der anderen Seite der Wunsch nach Effektivität und Effizienz, der optimalen interorganisatorischen Organisation einer Einrichtung (Klug 2002, S. 46). Im Mittelpunkt der kundenorientierten Variante von Case Management stehen nach Moxley die Bedürfnisse des Klienten und im Sinne einer anwaltschaftlichen Funktion tritt der Case Manager für die Belange des Klienten ein (Klug 2002, S. 46). Dabei werden die betroffenen Personen aktiv in den Hilfeprozess integriert, sie bestimmen selber über die Art, den Umfang sowie den Inhalt der Dienstleistung und erhalten die ungeteilte Loyalität des Case Managers. Der Klient wird während des gesamten Case Management-Prozesses als Subjekt wahrgenommen und bestimmt dessen Richtung (Wendt 1997, S. 65). Als zentrales Anliegen geht es in solchen Modellen um die Selbstverfügung und -bestimmung eines Klienten, seiner Teilnahme an der Definition von Zielen und Bedürfnissen sowie der gemeinsamen Ausformulierung eines geeigneten Hilfeplans (Riet/Wouters 2003, S. 50). Ins Zentrum der Arbeit werden der Klient und die konkrete Unterstützungsarbeit zur Verbesserung der persönlichen Netzwerke gestellt (Löcherbach 2002, S. 202). Dagegen hat der Typ des Systemmanagements andere Zielperspektiven im Blick. Ausschlaggebend sind eine bessere Koordination von sozialen Dienstleistungen, dass Vermeiden von Überschneidungen und somit eine optimale Nutzung der Ressourcen, immer im Hinblick auf Rationalisierung und Kostenmanagement. Teure Dienstleistungen sollen durch preiswertere, oft auch durch informelle Angebote, ersetzt werden. Nicht der Klient bestimmt seine Bedürfnisse, sondern der Case Manager wählt die für die Einrichtung effizientesten Möglichkeiten heraus und bestimmt weitestgehend die Ziele und den Hilfebedarf des Klienten (Klug 2002, S. 46). Dem Klienten wird ein vorprogrammiertes Hilfsangebot der jeweiligen Einrichtung präsentiert, welchem er sich anzupassen hat. Dabei wird er als Objekt des Dienstes und des professionellen Handelns wahrgenommen (Wendt 1997, S. 65) und seinen Bedürfnissen wird wenig bis gar keine Aufmerksamkeit geschenkt (Riet/Wouters 2003, S. 50). Im Vordergrund des system-driven-Modells stehen die Organisationsstruktur, finanzielle und personelle Ausstattung der Einrichtung sowie das Umfeld der Dienste. Leistungen werden im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Ökonomie erbracht (Riet/Wouters 2003, S. 27). 2.3.2, Ethische Probleme: Als Antwort auf sich immer weiter entwickelnde managed care systeme2 formulierte 1992 die National Association of Social Work (NASW)3 ethische Standards für die Arbeit mit Case Management. Deren klare Prinzipien verfolgen einen kundenorientierten Ansatz und die Bedürfnisse des Klienten sollen, auch gegenüber der eigenen Organisation, in den Mittelpunkt gestellt werden (Klug 2002, S. 48). Diese Haltung birgt Konflikte im Zusammenhang mit den Zielen des einrichtungsorientierten Ansatzes. Case Management hat daher ein Problem des doppelten Mandates bzw. der doppelten Loyalität. Einerseits loyal gegenüber seinem Klienten (umfassende, ganzheitliche Hilfe), anderseits loyal gegenüber dem Dienstleistungssystem (effiziente, kostengünstige Versorgung) (Klug 2002, S. 57). Der Case Manager gerät somit in Widersprüche. Wem soll er sich gegenüber solidarisch verhalten? Nach Powell (Klug 2002, S. 48) gibt es für dieses Spannungsfeld keine klare Methode. Im Wesentlichen bestimmt der Auftraggeber den Schwerpunkt des Case Managements. Es ist entscheidend, ob der Case Manager bei einer privaten Profit- Organisation (z.B. Versicherung) oder bei einer öffentlichen oder privaten Non-Profit-Organisation angestellt ist. Die weiteren Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf öffentliche Einrichtungen. Daher steht für mich im Case Management der kundenorientierte Ansatz im Vordergrund und er ist Ausgangspunkt für meine weiteren Überlegungen. Die o.g. Ausführungen lassen erahnen, in welchem Spannungsgefüge sich Case Management befindet und welche grundlegenden Fragen sich daraus ergeben. Die Frage der ethischen Verpflichtung gegenüber dem Klienten und der Wirtschaftlichkeit ist allerdings nicht Thema meiner Diplomarbeit. Wenn Professionelle jedoch mit dem Konzept des Case Managements arbeiten, sollten sie sich dieser Situation bewusst sein. 2.4, Funktionen von Case Management: Um ein umfassendes Unterstützungsnetzwerk zu akquirieren, sind im Case Management verschiedenste Funktionen verortet. Dabei kristallisieren sich drei Kernfunktionen heraus. Die Advocacy-, die Broker- und die Gate-Keeper-Funktion (Neuffer 1997, S. 186 Ewers 2002c, S. 63). Je nach Arbeitsbereich konzentrieren sich Professionelle auf eine der drei genannten Funktionen. 1, Advocacy oder die anwaltschaftliche Funktion: Im Allgemeinen versteht man im Case Management unter Anwaltschaft eine zielorientierte, methodische Vorgehensweise zur Durchsetzung von Klienteninteressen (Ewers 2002c, S. 63). Wenn Klientengruppen nicht in der Lage sind, ihre persönlichen Interessen aufgrund individueller Problemlagen wie Armut, mangelnde Bildung, Behinderung, Unfall oder Arbeitslosigkeit u.a. vorzubringen und somit potenzielle Hilfsquellen in Anspruch zu nehmen, tritt der Case Manager als Anwalt für ihre Belange ein. Er hilft ihnen, Zugang zu allen Leistungen zu finden, auf diese sie per Gesetz Anspruch haben. Nach Raiff und Shore (1997, S. 82) gehören folgende Schritte dazu: 1. den Klienten über seinen Anspruch auf sozialstaatliche Leistungen aufklären. 2. bestehende Hilfemaßnahmen auf den Bedarf des Klienten abstimmen. 3. neue Dienste entwickeln, um Klientenbedürfnisse zu befriedigen. Dabei geht das anwaltschaftliche Handeln im Case Management allerdings über den individuellen Einzelfall hinaus. Ziel ist es außerdem, Lücken, die das Versorgungssystem hervorbringt, aufzudecken und die Informationen an politisch, institutionelle Instanzen bzw. Entscheidungsebenen weiterzuleiten (Ewers 2002c, S. 65). Die Funktion der Anwaltschaft gehört zu den herausfordernsten Aufgaben des Case Managements (Raiff/Shore 1997, S. 81). Der Case Manager benötigt ein hohes Maß an Fallverständnis und soziale Kompetenzen. Weiter muss er mit dem vorhandenen Hilfesystem vertraut sein, um Ressourcen optimal nutzen zu können (Ewers 2002c, S. 65). Abschließend bleibt anzumerken, dass die anwaltschaftliche Funktion als die ursprünglichste Funktion im Case Management bezeichnet wird und vor allem für stark benachteiligte Personengruppen, wie Wohnungslose und Suchtkranke von Bedeutung ist. Drogenabhängige Menschen benötigen ein stärkeres Engagement, da sie aufgrund ihrer problematischen Lebenslage oft nicht selbst tätig werden können. Eine bloße Vermittlung an andere Einrichtungen wäre oftmals zu wenig. 2, Broker oder die vermittelnde Funktion: Die Broker- oder Makler Funktion im Case Management ist die neutrale Vermittlung zwischen Nutzern und Anbietern sozialer Dienstleistungen mit dem Ziel, ein unüberschaubares und zerstreutes Versorgungssystem so zu nutzen, dass für den individuellen Problemfall die bestmögliche Versorgung gewährleistet wird (Ewers 2002c, S. 68). Dabei ist der Case Manager kein Mitglied des Behandlungsteams, sondern lediglich die vermittelnde Instanz (Riet/Wouters 2003, S. 53), die auch als Form der Betreuung ohne administrative Eingriffsmöglichkeit bezeichnet werden kann (Ewers 2002c, S. 69). Dies sei auch ein Nachteil der Funktion, da keine Qualitätsveränderung oder Erneuerung der Leistungsangebote erreicht werden könnte. 3, Gate-Keeper oder selektierende Funktion: Die dritte Kernfunktion des Türwächters hat im Zusammenhang mit wachsenden Kosten für soziale Dienstleistungen bei begrenzten finanziellen Möglichkeiten an Bedeutung gewonnen. Bei der Gate-Keeper Funktion stehen Selektion und Zugangssteuerung im Vordergrund (Ewers 2002c, S. 69). Bei dieser Funktion handelt der Case Manager weder auf der Seite des Klienten noch auf der Seite des Versorgungssystems. Vielmehr hat er die Aufgabe, einer verschwenderischen und unangemessenen Verwendung der vorhandenen Ressourcen im Versorgungssystem entgegenzuwirken (Ewers 2002c, S. 71). Dazu gehören u.a. eine gezielte Selektion, ein kontinuierliches Monitoring sowie eine Budgetkontrolle und die Akquirierung kostengünstiger Hilfsangebote. Abschließend ist anzumerken, dass keine dieser drei Funktionen so idealtypisch in Erscheinung tritt, wie sie hier skizziert sind. In der Praxis werden sie in vielfältiger Art und Weise miteinander verknüpft und sind in ihrer Verwendung auf die spezifischen Arbeitsfelder abgestimmt.