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- Soziale Arbeit im Kapitalismus zwischen professionellem Selbstverständnis und Ökonomisierungszwang: Repolitisierung, kritisches Bewusstsein und das politische Mandat
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Buch beschäftigt sich mit der Notwendigkeit eines politischen Mandats für die Soziale Arbeit. Es wird dabei den Fragen nachgegangen, welche Perspektiven die Profession Soziale Arbeit im Kapitalismus angesichts der Zustände der Gesellschaft und ihrer eigenen Verortung hat, wie sie nachhaltig und qualitativ in Ausbildung und Praxis agieren kann und warum sie ein politisches Mandat benötigt. Ziel ist es, darzustellen, warum ein politisches Mandat für die Soziale Arbeit aufgrund ihres Gegenstands und ihrer gesellschaftlichen Funktion als notwendig erscheint, welche Bestandteile dieses Mandat beinhaltet und welche Perspektiven sich daraus für Praxis und Theorie ergeben. Dabei wird insbesondere auch auf die zugedachte Kontrollfunktion, den Ökonomisierungszwang und den sozialen Ausschluss von Menschen im aktivierenden Sozialstaat eingegangen, daneben sowohl auf die notwendigen Veränderungen in der Lehre, als auch auf handlungsorientierte Beispiele für die Praxis Sozialer Arbeit.
Textprobe: Kapitel 3, Soziale Gerechtigkeit, Gerechtigkeitsprinzipien und die Menschenrechtsdebatte in der Sozialen Arbeit: Bereits der erste ‘Bundeskongress Soziale Arbeit’ thematisierte das Thema ‘Soziale Gerechtigkeit’ als wesentlich für die Soziale Arbeit in Deutschland (AKADEMIE FÜR SOZIALARBEIT UND SOZIALPOLITIK E.V., 1994). Unter den Eindrücken des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen wurde damals noch der aufkeimende Rechtsextremismus als mitunter größte Gefahr für soziale Gerechtigkeit in Deutschland gesehen (Karsten 1994 Klönne 1994) und Timm Kunstreich (1994) kritisierte: ‘War in der DDR soziale Gerechtigkeit nur um den Preis eines undemokratischen kontrollierenden, pädagogisierenden 'Monosubjekts' in Staat und Ökonomie möglich, so sind heute demokratische Grundrechte und Politikformen nur um den Preis kapitalistischer, sozialstaatlich abgefederter sozialer Ungerechtigkeit zu haben - beides in den Grenzen des westdeutschen Konsens der staatstragenden Kräfte’ (ebd., S. 31). Er thematisierte mit diesem Beitrag die Gefahr, dass das Thema der sozialen Gerechtigkeit erstens mangels eines als bedrohlich empfundenen Konkurrenzsystems für die Politik zunehmend an Bedeutung verlieren könnte, daneben aber auch, dass Menschen suggeriert würde, soziale Gerechtigkeit sei für den Großteil, aufgrund der Erfahrungen aus diesem System, nicht ohne (sozial) abgefederte Ungerechtigkeit für eine Minderheit zu realisieren und damit soziale Gerechtigkeit für alle schlicht unmöglich. Das Gemeinsame aller Beiträge auf diesem ersten Bundeskongress, auch die der Beiträge von Thiersch (1994) und Wendt (1994), war nicht nur das Thema soziale Gerechtigkeit, sondern auch die damit einhergehende Dimension von deren ‘Bedrohung’ und die Aufgabe der Sozialen Arbeit, sich damit auseinander zu setzen. ‘Welches Maß an Ungleichheit von einer Gesellschaft als gerecht akzeptiert wird, kann sich [aber] durchaus unterscheiden [Hervorhebung durch den Verfasser]’ (Engel 2011, S. 13). Auch hierbei geht es also letztendlich um die Frage nach (sozialer) Gerechtigkeit. Soziale Gerechtigkeit scheint damit ein selbstverständliches Merkmal Sozialer Arbeit zu sein und allgegenwärtig, dies soll im Weiteren überprüft werden. 3.1, Die Selbstverständlichkeit sozialer Gerechtigkeit: Thiersch (1995) weist seit jeher darauf hin, dass die Frage nach Gerechtigkeit im Alltag von Sozialer Arbeit und dort stattfindender Diskussionen allgegenwärtig ist (ebd., S. 25) und zudem ‘auf ihrer Funktion innerhalb des gesellschaftlichen Selbstanspruchs auf soziale Gerechtigkeit [insistiert]’ (Thiersch 2002, S. 6). Wenige Jahre später stellt er erneut fest, dass ‘Soziale Arbeit selbstbewusst und offensiv vertreten [muss], dass sie ein Moment im Projekt sozialer Gerechtigkeit der Moderne ist’ (Thiersch 2005, S. 1252). Zusammen mit den bereits in der Einleitung zitierten Äußerungen lässt sich bei Thiersch also eine mittlerweile über 17jährige Kontinuität in dieser Frage feststellen und Staub-Bernasconi (2005) stellt unter der Überschrift die ‘Etappen des Gerechtigkeitsdiskurses’ (ebd., S. 75) fest, dass schon allein aufgrund der Theoriebeiträge vor rund 100 Jahren davon auszugehen ist, dass Gerechtigkeit schon immer eine ‘zentrale handlungstheoretische (normative) Leitidee der Sozialen Arbeit war’ (ebd., S. 76). Auch Seithe (2012a) reiht sich in diese selbstverständliche Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit für die Soziale Arbeit ein (ebd., S. 282) und Timm Kunstreich (2003) sieht Gerechtigkeit und nicht Hilfe als wichtigste Bezugspunkte für Sozialer Arbeit (ebd., S. 71). Umschrieben steht dies auch als Auftrag der Jugendhilfe in §1 des achten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Dabei ist wichtig festzuhalten, dass das Verständnis von ‘Gerechtigkeit’ und damit einhergehend das erträgliche Maß an ‘Ungerechtigkeit’ in Gesellschaften unterschiedlich ausgeprägt sein können, abhängig von der individuellen Zugehörigkeit zu Bevölkerungs- oder Berufsgruppen. ‘Ein verbindliches Konzept von Gerechtigkeit gibt es nicht’ (Thiersch 1995, S. 26). Diese Aussage soll anhand eines nachvollziehbaren Beispiels verdeutlicht werden: Die bayerische Staatsregierung sieht es als gerecht an, wenn alle Studierenden den gleichen Betrag an Studienbeiträgen für ein Semester zu zahlen haben. Jenseits von der Frage, ob Studiengebühren grundsätzlich zu befürworten oder abzulehnen sind, erfolgt zumindest keine Eingruppierung von Studierenden in Kohorten nach individueller Leistungs- bzw. in diesem Fall Zahlungsfähigkeit. Auch ein anderes Modell könnte aber als gerecht angesehen werden: Jede Person zahlt abhängig von ihren individuellen Möglichkeiten einen bestimmten Betrag an Gebühren, wobei die Leistungsfähigen die weniger Leistungsfähigen subventionieren. Da aber nicht mehr alle Studierenden das Gleiche bezahlen, steht der Vorwurf der Ungerechtigkeit wieder im Raum. Dritte wiederum können argumentieren, dass jeder Betrag unabhängig von seiner Höhe nicht gerecht sei, weil er Menschen mit besonders schlechten finanziellen Spielräumen grundsätzlich von einem Studium abschreckt, da es irrelevant ist, ob eine Person 200 Euro oder beispielsweise 1000 Euro nicht aufbringen kann. Bildung muss nach dieser Argumentation, um gerecht sein zu können, grundsätzlich auch kostenlos sein. Letztendlich geht es bei der Frage nach sozialer Gerechtigkeit also immer darum, wie innerhalb einer Gesellschaft Güter und Lasten verteilt werden (Thiersch 1995, S. 27 Heite 2007, S. 49 Engel 2012, S. 14). Gil (2006) kritisiert dabei, dass ‘viele Streiter für soziale Gerechtigkeit die Bedeutung dieses Konzepts nicht präzisieren’ (ebd., S. 78), dies aber für den Diskurs unbedingt nötig wäre und zwar ‘über eine emotionale Verbindung zu einer vagen Idee hinaus’ (ebd.). Für die Soziale Arbeit soll die Bedeutung daher im Folgenden präzisiert werden, denn Gil argumentiert, dass ‘[...] die verbreiteten vagen Definitionen von sozialer Gerechtigkeit zur Aufrechterhaltung des Status Quo beitragen - also sozialer Ungerechtigkeit’ (ebd.). Im Folgenden soll daher auch darauf eingegangen werden, was soziale Gerechtigkeit bzw. Gerechtigkeit für die Soziale Arbeit bedeuten muss, um damit den bisher herausgearbeiteten Darstellungen (Gegenstandsbereich und gesellschaftliche Funktion Sozialer Arbeit)auch gerecht werden zu können.
Florian Paul, B.A., wurde 1982 in Regensburg geboren. Sein Studium der Sozialen Arbeit an der Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg schloss der Autor im Jahre 2013 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende fachpraktische Erfahrungen im Bereich der politischen Jugendbildungsarbeit und Jugendarbeit. Insbesondere der Bereich der Rassismusprävention und die Aufklärung über den historischen Nationalsozialismus sind ihm dabei ein wichtiges Anliegen. Auch diese Tätigkeiten motivieren ihn immer wieder, sich mit kritischer Sozialer Arbeit und ihren politischen Aspekten zu beschäftigen. Die Repolitisierung der Profession sieht er als unbedingt notwendig an.
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