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- Sicherheit hinter Mauern? Eine qualitative Studie zum Sicherheitsempfinden von Strafgefangenen
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 90
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In diesem Buch wird die Thematik des Sicherheitsempfindens von Haftinsassen erstmals aus einem umfassenden, mehrdimensionalen Blickwinkel erforscht. In einer qualitativen Studie stellt die Autorin die Frage, wie Menschen, die in Unfreiheit in einem totalen System untergebracht sind, ihre ganz persönliche Sicherheitslage empfinden. Untrennbar mit den hohen Mauern jeder Strafvollzugseinrichtung ist der Anspruch der Bevölkerung nach Sicherheit vor gefährlichen Straftätern verbunden. Mauern, Stacheldraht und Kameras sind das Sinnbild für den Schutz der Bevölkerung vor der dahinter lauernden Kriminalität. Sie versprechen Sicherung nach außen- aber auch Schutz nach innen? Wie sicher fühlen sich Inhaftierte gemeinsam eingeschlossen mit anderen Tätern, dem vereinnahmenden Regelwerk- und der eher menschenfeindlichen Umgebung eines Gefängnisses ausgesetzt? Zunächst werden der Sicherheitsbegriff und das Sicherheitsverständnis im deutschen Justizvollzug dargelegt. Anschließend ergeht die Darstellung des aktuellen Forschungsstandes zu Sicherheit im Strafvollzug, welche Anknüpfungspunkte für die weitere Forschungsarbeit auf diesem Gebiet liefert. Die vorliegende Studie bezieht sich auf die theoretischen Rahmen der frühen Untersuchungen von Gresham M. Sykes' The society of captives, sowie Erving Goffmans Asyle. Konkret werden Goffmans Theorie des Selbstbildangriffs und Sykes' Theorie der Schmerzen des Freiheitsentzuges als Bezugsrahmen genutzt, auf den in den folgenden Ausführungen immer wieder Rückbezug genommen wird. Im Anschluss werden das methodische Vorgehen, der Zugang zum Feld, die Erhebungs- und Auswertungsmethode, sowie das Auswahlverfahren dargelegt. Anhand von qualitativen Interviews mit aus der Haft entlassenen Bewährungshilfe-Probanden, die retrospektiv über ihre Erfahrungen der Inhaftierung berichten, wird das Sicherheitsgefühl im Strafvollzug untersucht. Hierbei widmet sich die Autorin unterschiedlichen Dimensionen von Sicherheit, wie dem Verhältnis zu Bediensteten und Mitgefangenen, dem Gefühl des Eingesperrt-Seins, dem Gesundheitszustand, sowie Kraft-spendenden Faktoren. Die daraus entwickelte theoretische Konzeption der Untersuchung wird an Fallbeispielen und Interviewpassagen veranschaulicht, sodass der Zugang zu den Erfahrungswelten der Inhaftierten möglich wird. Zusammenfassend erfolgt schließlich ein Ausblick zur Bedeutung der Studienergebnisse für die praktische Arbeit im Strafvollzug.
Textprobe: Kapitel 5, Methodisches Vorgehen: In den vorangegangenen Kapiteln wurde der Forschungsstand zum Sicherheitsempfinden von Gefangenen und zu den Auswirkungen von Gefangenschaft behandelt. Es wurde dargestellt, zu welchem theoretischen Rahmen meine eigene Studie Bezug nimmt. Da, wie es bereits dem Titel zu entnehmen ist, das ganz individuelle Sicherheitsempfinden von Strafgefangenen untersucht werden soll, habe ich eine qualitative Methode gewählt, die mir die Möglichkeit bietet, ein umfängliches Verständnis eines sehr komplexen und differenzierten Phänomens zu vermitteln. Die Erhebungsmethode des Episodischen Interviews erschien mir für die Bearbeitung der Forschungsfrage besonders geeignet, da die Interviewpartner frei über einen fokussierten Themenkomplex erzählen sollten. Die Handhabung dieser Interviewform erlaubt es, durch einen Leitfaden stützend und lenkend auf unterschiedliche Teilaspekte des Sicherheitsempfindens einzugehen. Speziell auf den ausgewählten Forschungsbereich ist, wie bereits aufgezeigt, in bisherigen Studien nur sehr wenig eingegangen worden. Deshalb ergibt sich die Notwendigkeit, grundlegende Wirkungsmuster und Bedingungsfaktoren des Sicherheitsgefühls im Strafvollzug offenzulegen, um hierüber ein zusammenhängendes, theoriegeneriertes Konzept entwickeln zu können. Aus diesem Grund habe ich die Daten nach der Methode der Grounded Theory (GT) ausgewertet, um anhand von Fallrekonstruktionen eine gegenstandsbegründete Theorie zu Sicherheit und Unsicherheit im Justizvollzug zu konzipieren. 5. 1 Zugang zum Feld und der problematische Einstieg: Forschung im Strafvollzug ist stets mit Schwierigkeiten verbunden. Die abgeschlossene Welt gewährt nicht jedem Einlass, der ihn erwünscht. Sicherheitsbedenken und die derzeit stattfindende mediale Aufarbeitung von Mängellagen des Systems erschweren den Feldzugang und schränken den Bewegungsspielraum für den Forscher in der Vollzugseinrichtung erheblich ein. Beim Zugang zu einer Institution muss die Hürde des Eintritts über sogenannte gatekeeper überwunden werden. Diese Schlüsselpersonen entscheiden dann über den weiteren Verlauf und können nähere Kontakte in die Einrichtung oder direkt zu Interviewpartnern vermitteln. In meinem Falle hieß das, den Weg über die verantwortlichen Abteilungsleiter einer JVA, die Öffentlichkeitsabteilungen oder sogar die Anstaltsleitung zu gehen und diese anzuschreiben bzw. Telefonate zu führen. Zunächst nahm ich schriftlichen Kontakt zu den Anstalten auf und stellte mein Forschungsvorhaben und die entsprechende Fragestellung vor und bat um ein persönliches Gespräch, um weitere Fragen und Organisationsschritte klären zu können. Die Absagen, wenn ich überhaupt eine Antwort bekam, enthielten stets die Begründung, dass das von mir geplante Vorhaben zu großer organisatorischer Vorbereitungen bedürfe und mein Anliegen daher abgelehnt werden müsse. In einer Anstalt bat ich sogar nur um ein einzelnes Interview mit einem Gefangenen, der bereits seine Einwilligung dazu gegeben hatte. Trotzdem wurde meine Anfrage auf Genehmigung des Interviews mit obiger Argumentation abgelehnt. Ich suchte daraufhin den persönlichen Kontakt zu Vollzugseinrichtungen per Telefongespräch. Auch diese Maßnahme hatte keinen Erfolg, sodass ich in insgesamt zwölf Anfragen meines Forschungsvorhabens an Justizvollzugsanstalten aus dem ganzen Bundesgebiet keinen Zugang herstellen konnte. Mir wurde bewusst, dass die Aushandlung des Zugangs zu Institutionen […] weniger ein Informationsproblem [ist] als die Herstellung einer Beziehung, in der so viel Vertrauen in die Personen der Forscher und ihre Anliegen entsteht, dass sich die Institution – trotz allem, was dagegen sprechen könnte – auf die Forschung einlässt . Da die Zeit drängte, entschloss ich mich, einen anderen Feldzugang zu wählen. In meiner ehemaligen Praktikumsstelle, der Bewährungshilfe Kassel, konnte ich schnell Kontakte knüpfen, da mich einige der Mitarbeiter noch persönlich kannten und mir gern weiterhalfen. Ich berichtete also über meine Lage und das bisherige Scheitern. Die Mitarbeiter waren bereit, mir geeignete Bewährungshilfe-Probanden, die bereits eine Haftstrafe verbüßt hatten, als Interviewpartner zu vermitteln. Schnell wurde jedoch deutlich, dass auch hier offizielle Wege beschritten werden mussten und der Präsident des Landgerichts seine Zustimmung erteilen musste. Doch die Genehmigung zur Durchführung der Studie wurde vom Landgerichtspräsidenten unkompliziert und rasch veranlasst. Es sollten lediglich einige Bedingungen erfüllt werden: Ich erfuhr die tatsächlichen Namen der Probanden nicht, damit von Anfang an die Datenschutzrechte der Interviewten gewahrt blieben. Außerdem sollten alle weiteren persönlichen Angaben der interviewten Probanden verfälscht werden, damit ein Rückschluss auf die Person ausgeschlossen werden konnte.
Ina Morgenroth wurde 1985 in Ilmenau (Thüringen) geboren und absolvierte nach ihrem Diplomstudium zur Sozialarbeiterin/-pädagogin an der Universität Kassel (2004-2008) das Masterstudium Internationale Kriminologie an der Universität Hamburg (2008-2010). Bereits während ihrer Studienjahre sammelte sie umfangreiche praktische Erfahrungen in der Bewährungshilfe, sowie im Jugendstrafvollzug. So wuchs weiterhin das Interesse der Autorin an der Arbeit mit Straffälligen und deren ganz eigenen Lebenswelten und inneren Befindlichkeiten. In diesem Buch untersucht sie anhand einer eigens durchgeführten qualitativen Studie das bisher wenig erforschte Sicherheitsempfinden von Inhaftierten aus der Retrospektive. Derzeit ist Ina Morgenroth als Wohngruppenleitung in der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg tätig.