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- Sexualstraftäter stigmatisieren oder resozialisieren. Eine Erhebung der Meinung über und Wahrnehmung von Sexualstraftätern in der Gesellschaft
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2019
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Abb.: 20
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Wegsperren – für immer! Ich bin ja normalerweise nicht für die Todesstrafe, aber bei solchen Monstern …! Man sollte die alle kastrieren! Das sind nur einige der Kommentare, die mir begegnet sind, wenn ich versucht habe, mich mit Menschen aus meinem Umfeld über das Thema ‚Sexualstraftäter‘ zu unterhalten. Ich bin kein Samariter, und doch hatte ich im Vergleich zur Mehrheit bisher immer eine andere Perspektive. Die Aufgabe der Psychologie besteht in der Erforschung des Denkens, Fühlens und Handelns der Menschen. Und es ist auch meine Aufgabe als Psychologin, in thematischen Bereichen, in denen ich mir als Wissenschaftlerin gesellschaftlich die Finger verbrennen kann, eine Perspektive anzubieten, die Menschen mit Fehlern dennoch nicht ihr Dasein als Mensch absprechen. Die empirische Studie Sexualstraftäter stigmatisieren oder resozialisieren beschreibt erstmals die Wahrnehmung (entlassener) Sexualstraftäter und auch die Meinung über sie im deutschsprachigen Raum. Es wird ein Konsens über den Begriff des Sexualstraftäters gezeichnet, die Dynamik der Stigmatisierung beschrieben und Faktoren beleuchtet, welche auf den Grad der Stigmatisierung von Sexualstraftätern Einfluss haben – oder eben auch nicht.
Textprobe: Kapitel 2.1.2 Das Tier und andere Erklärungen für delinquentes Verhalten: Eine Betitelung als Tier oder Monster ist insofern einleuchtend, da es sowohl biologische / trieborientierte als auch moralpsychologische Perspektiven zur Betrachtung der Ursächlichkeit delinquenten Verhaltens gibt. Die Kategorisierung und auch die wissenschaftlichen Erklärungsansätze für die Neigung zu straffälligem Verhalten, orientieren sich stets am Zeitgeist und den vorherrschenden Menschenbildern. Da die biologische Perspektive zur Erörterung von Problemen nach wie vor eine der vorherrschenden Sichtweisen der Forschung ist, wird zunächst die Annahme betrachtet, dass es eine angeborene Neigung zu Gewalt gibt. Das ‚Böse‘ oder ‚kriminelle Gen‘ konnte bislang noch nicht bestätigt oder gefunden werden und stellt daher keine ausreichende Erklärung für strafbares Handeln dar (Fuchs 2012). Weitere Faktoren, wie eine reduzierte Serotonin-Aktivität und der Einfluss von Steroiden, können hingegen mit erhöhtem aggressiven und impulsiven Verhalten sowie destruktiver Handlungsbereitschaft assoziiert werden. Obwohl diese Aspekte mit Studien belegt werden konnten, bleibt immer noch die Frage nach der hinreichenden Bedingung für Kriminalität. Die biologischen Aspekte scheinen allenfalls notwendig zu sein, jedoch können sie nicht das breite Spektrum an Taten und Tätern erklären. (Fuchs 2012 Kury et al. 2012) Die evolutionsbiologische Forschung beschreibt die Entstehung von bösem und delinquentem Verhalten aus der Sicht der Selektion heraus. Vor Tausenden von Jahren war dem Menschen ein gewisses Maß an Aggressionstrieb eigen, um in der wilden Umgebung überleben zu können. Die Reliquien dieses Triebes finden in der heutigen Zeit nun kein Ventil mehr und führen daher zu delinquenten Handlungsweisen. (Lorenz 1998) Dieser Triebverzicht hat vor allem seelische Spannung und Deformierung zur Folge. Um diese zu kompensieren bedarf es selbst- oder auch fremdzerstörerischer Handlungen. (Fuchs 2012) Nun ist der Mensch mit dem Tier bezüglich des stammesgeschichtlichen Schichtenbaus von Verhalten, Denken und Fühlen nicht zu vergleichen. Die typischen Merkmale des Menschen sind die Reflexion des eigenen Denkens und Handelns sowie die Entwicklung verantwortlicher Moral und des Gewissens. (Medicus 2000) Auch ein Sexualstraftäter ist in jederlei Hinsicht ein Mensch und damit ein soziales Lebewesen. Der Begriff des Triebes, welches unweigerlich an tierisches Verhalten erinnert, und die Betitelung als Tier verlieren hier insofern an Bedeutung, da der Mensch durch die Fähigkeit der Reflexion die Möglichkeit und die Wahl hat in bestimmten Situationen auf die eine oder die andere Weise zu reagieren. Sich für die Faszination des Bösen zu entscheiden ist ein bewusster und willentlicher Prozess, welcher im Normalfall von der moralischen Instanz des Individuums verhindert wird. Aggressionshemmung, Empathie und Mitgefühl, welche als typisch menschlich gelten, müssen hierfür abgeschaltet werden. Auch das Gewissen, welches die instinktive Tötungshemmung als Folge von Demutsgebärden unter Tieren abgelöst hat, verfehlt seine Funktion, wenn der Mensch eine bewusste Entscheidung zur strafbaren Handlung trifft. Letztlich kann man sagen, dass die Verantwortung genau aus diesen Gründen immer beim Menschen, der sich für eine Straftat entschieden hat, selbst liegt. (Hinterhuber 2008) Um den Sexualstraftäter, und damit den Menschen, noch weiter vom Tier abzugrenzen muss die Art der Gewalt betrachtet werden. Im Tierreich findet man meist Revierkämpfe oder ritualisierte Rivalenkämpfe, welche nicht durch destruktive Aggression oder Mordlust gegenüber den eigenen Artgenossen ausgeübt wird. Diese Form von Gewalt findet man nur beim Menschen. Je zivilisierter der Mensch wurde, desto kriegerischer und grausamer wurde er. (Fuchs 2012, S. 6) Dadurch zeigt sich, dass es bei einem Menschen, welcher eine Sexualstraftat begeht, etwas geben muss, was ihn gerade vom Tier unterscheidet und damit die Betitelung ‚Tier‘ mit all seinen Vorurteilen ad absurdum führt. Betrachten wir nun weitere psychologische Theorien, so fällt auf, dass auch das wissenschaftliche Forum bereits zu dem Schluss kam, dass sich delinquentes Verhalten aus einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren heraus entwickelt. Einige wichtige Ansätze werden im Folgenden kurz dargestellt. Wie bereits angeschnitten gehen einige Psychologen davon aus, dass beim Großteil der Straffälligen, vor allem bei Sexual- und Gewaltdelikten, die Frustrations-Aggressions-Hypothese greift, welche im Volksmund auch als Dampfkesseltheorie bekannt ist. Gilligan beschreibt diesen Prozess mit folgenden Worten: Gewalttaten (bedeuten) den Versuch (…), ein Gefühl der Erniedrigung und der Schande abzuwehren und zu tilgen – ein Gefühl, das überwältigend schmerzhaft und unerträglich werden kann – und es durch sein Gegenteil zu ersetzen, durch ein Gefühl des Stolzes. (2001, zitiert nach Pickett & Wilkinson, 2009, S. 157) Neuere Ansätze, welche der Lerntheorie entspringen, begründen delinquentes Verhalten mit Aspekten der Konditionierung und des Modelllernens. Die Beobachtung bestimmter gewalttätiger Handlungsweisen, beispielsweise der Eltern oder der Peergroup, bewirkt eine Integration dieses destruktiven Verhaltens in das eigene Handlungsrepertoire. Zudem wird strafbares Handeln unmittelbar durch positives Feedback der sozialen Umgebung verstärkt, da dieses als ein Zeichen für Stärke, Mut oder Männlichkeit betrachtet wird. Stützend auf die Reflexionsfähigkeit des Menschen und die Freiheit der Wahl gewinnt die Rational-Choice-Theorie immer mehr an Bedeutung. Es handelt sich hierbei um eine Kosten-Nutzen-Kalkulation, welche vor allem als Grundlage für die heutige Kriminalitätsprävention fungiert. Die Kosten einer Straftat, zum Beispiel höhere Strafen, intensivere Verfolgung durch Kameraüberwachung und vieles mehr, sollen den Nutzen einer Straftat im hohen Maße übertreffen, um im Vorfeld Straftaten zu vermeiden. Da im Bereich der Sexualstraftaten die Zahl der Präferenztaten im Vergleich zu den situativen Taten jedoch allenfalls ausgeglichen, jedoch keinesfalls überwiegend ist, muss der Erfolg dieser Prävention hauptsächlich bei Eigentums-, Wirtschaft- und Umweltdelikten vermerkt werden. Das Konzept der Selbstkontrolle, welches die Theorie des stark impulsiven Verhaltens unterstützt, beschreibt einen Mangel der Fähigkeit diese Impulsivität zu kontrollieren. Hierbei wird von einer Reduktion der Fähigkeit des Belohnungsaufschubs, fehlender Verantwortungsübernahme in Kombination mit erhöhter Impulsivität ausgegangen. Im Fokus des Täters steht die zeitnahe Verwirklichung temporärer Wünsche und Ziele. (Kury 2012)
Natalie Oesterlein, M. Sc., schloss ihr Studium der Psychologie im Jahr 2014 mit dem Master of Science an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck ab. Bereits während des Studiums lag der Interessenschwerpunkt der Autorin im Bereich der Rechtspsychologie. Nach dem Studium arbeitete sie im Justizvollzug, um im praktischen Anwendungsbereich Erfahrungen mit dem Klientel Inhaftierter zu sammeln. Berufsbegleitend bildete sie sich im Rahmen einer Zertifizierungsweiterbildung des Berufsverbands Deutscher PsychologInnen im Bereich Rechtspsychologie weiter. Seit 2017 arbeitet die Autorin in eigener Praxis als Sachverständige für Kriminalprognostik und Familienrechtsfragen.
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