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Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Abb.: 9
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Wieso sind Kinder von Immigranten und Immigrantinnen in der Schule signifikant weniger erfolgreich als einheimische Kinder? Ausgehend von der aussagekräftigen Schulstatistik des Kantons Zürich führt dieses Buch durch die verschiedenen Erklärungsansätze, welche auf der individuellen, interaktionistischen, soziokulturellen und organisatorischen Ebene angesiedelt sind. Es verdeutlicht, dass jeder Ansatz für sich genommen zu kurz greift und gibt konkrete Hinweise darauf, wo Massnahmen ansetzen müssten, damit sich der Schulerfolg von in- und ausländischen Kindern angleicht.
Textprobe: Kapitel 3, Definitionen: 3.1, Lernbehinderung: Nach Böhm (1994, S. 441) ist mit Lernbehinderung ‘das Phänomen der schwerwiegenden, umfänglichen und langdauernden Beeinträchtigung von Lernprozessen eines Menschen, zumeist verbunden mit deutlich normabweichenden Leistungs- und Verhaltensformen’ gemeint. Allerdings stellt Lernbehinderung einen problematischen und umstrittenen, weil ungenauen Begriff dar, da präzise medizinische, psychologische und soziologische Bestimmungsmerkmale fehlen. Es gibt, sagt beispielsweise Baier (1982, nach Lanfranchi 1995, S. 19) ‘kein eindeutiges Merkmal, das Lernbehinderte als eine in sich geschlossene Gruppe von Nicht-Lernbehinderten unterscheiden lässt.’ In der Praxis gilt als lernbehindert, wer die Schule für Lernbehinderte besucht (Bleidick 1977). In der Schweiz gelten heute in der Regel solche Kinder und Jugendliche als lernbehindert, welche ‘bezüglich der Altersnorm einen schulischen Rückstand von mehr als zwei Jahren haben und in einem standardisierten Intelligenztest nicht über einem IQ von 90 liegen’ (ebd., S. 93). Früher wurde Lernbehinderung ausschliesslich mit mangelnder Intelligenz und Begabung gleichgesetzt, d. h. als angeborene Tatsache angesehen, währenddem man heute davon ausgeht, dass Lernbehinderung durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren wie psychosoziale Beeinträchtigungen, Sozialisationsdefizite und soziokulturelle Belastungsfaktoren, aber auch solcher, die sich durch das Interaktionsgeschehen im Schulzimmer und durch die organisatorische Realität der Schule als Institution ergeben, zustandekommt, worauf Diehm und Radtke (1999) sowie Gomolla und Radtke (2002) aufmerksam gemacht haben. Aufgrund der Unmöglichkeit der genauen Abgrenzung von Lernbehinderten und Nicht-Lernbehinderten macht nicht die besondere Behinderungsart die Kinder zu sogenannten Lernbehinderten, sondern die jeweiligen schulorganisatorischen Massnahmen, was sich in der Schweiz beispielsweise daran ablesen lässt, dass der Prozentsatz von Kindern, die eine Sonderklasse für Lernbehinderte besuchen, in einem Kanton um ein Mehrfaches höher liegen kann als in einem anderen. Wenn man aber einen gescheiterten Lernprozess nicht ausschliesslich durch individuelle Faktoren erklären kann, wird jegliche ‘Lernbehinderung implizit zur Abhandlung über die Unzulänglichkeit des gegenwärtigen Schulsystems. Konsequenterweise verbietet sich deshalb jede Intervention, die einseitig beim Kind ansetzt’ (Kronig et al. 2000, S. 61). Aufgrund der Ungenauigkeit des Begriffs und der bedenklichen Tendenz, durch seine Verwendung schulschwachen Kindern eine Behinderung zu attestieren, und nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass der Begriff ‘Lernbehinderung’ suggeriert, das Problem liege alleine auf der Seite des betroffenen Kindes, also seien es auch ausschliesslich das betroffene Kind und sein familiäres Umfeld, welche durch geeignete Massnahmen therapiert und gefördert werden müssen, möchte ich im Laufe meiner Ausführungen auf den Begriff der Lernbehinderung verzichten und eher den weniger diskriminierenden Begriff der Schulschwäche verwenden. 3.2, Schulschwäche: Der Begriff der Schulschwäche ist weniger dem medizinischen Paradigma verhaftet als der der Lernbehinderung. Schulschwäche ist laut Wocken (1980) ein Relationsbegriff, der keine Persönlichkeitsmerkmale von Schülern und Schülerinnen beschreibt, sondern negative Abweichungen von Lernleistungen eines Kindes gegenüber schulischen Bezugsnormen. Folgerichtig spricht Wocken auch von ‘Lehrgangs’- und von ‘Lehrplanschwäche’. Schulschwäche kann nicht nur als Schwäche des Kindes betreffend schulischer Leistungen, sondern auch als Schwäche der Schule bei ihrer Aufgabe der Förderung des Kindes gesehen werden. In der vorliegenden Untersuchung möchte ich den Begriff der Schulschwäche in seinen beiden obengenannten Bedeutungen verwenden. Parallel dazu werde ich den noch neutraleren Begriff ‘Kinder mit Schulschwierigkeiten’ verwenden. 3.3, Schulerfolg: Der Begriff ‘Schulerfolg’ bzw. ‘Schulmisserfolg’ ist eng an den Begriff der Schulschwäche gekoppelt. Als schulschwach gilt, wer in der Primarschule besondere Förderung benötigt, um die Lernziele der Regelklasse erreichen zu können, oder wer eine Sonderklasse besucht. Auf der Sekundarstufe I wollen wir als schulschwach bezeichnen, wer eine Sonderklasse oder die Sekundarschule C besucht. Schulmisserfolg lässt sich also wie folgt operationalisieren: Alle diejenigen Kinder und Jugendlichen sind von Schulmisserfolg betroffen, welche eine Sonderklasse oder die Abteilung C der Sekundarstufe I besuchen. Demgegenüber sind solche Schüler und Schülerinnen erfolgreich, die Regelklassen besuchen und die Schule mit einem Abschluss der Abteilung A oder B oder mit einem Mittelschulabschluss (Maturitätszeugnis) verlassen. Da es in der vorliegenden Untersuchung nur um Schulerfolg bzw. –misserfolg im engeren Sinne geht, soll nicht auf die sicherlich interessante Frage eingegangen werden, ob allenfalls der durch das System definierte schulische Misserfolg zu einem späteren Zeitpunkt, beispielsweise in der Berufswahl und Berufsbildung, wieder kompensiert werden kann. Speziell auf unser Thema zugeschnitten müsste man sich fragen, ob sich also der statistisch erwiesene Schulmisserfolg von Immigrantenkindern (überproportional hoher Anteil in Sonderklassen und in der Abteilung C der dreiteiligen Sekundarschule) durch die Berufsbildung oder vielleicht auch erst auf dem zweiten Bildungsweg ausgleichen lässt, oder ob er sich wie ein roter Faden durch die ganze Bildungslaufbahn der Betroffenen zieht. 3.4, Immigranten, Ausländer: In meinen Ausführungen werde ich mich hauptsächlich auf Kinder und Jugendliche ohne schweizerische Staatsangehörigkeit beziehen und den Begriff Immigrant bzw. Immigrantin oder ausländischer Schüler bzw. Schülerin verwenden. Ausgeschlossen sind demzufolge alle Schüler und Schülerinnen ausländischer Herkunft, die einen Schweizer Pass besitzen. Den Begriff ‘Kinder bzw. Jugendliche aus fremden Kulturkreisen’ möchte ich aufgrund seiner Unschärfe vermeiden. Problematisch ist für die Schweiz auch der Begriff ‘fremdsprachige Kinder’, da beispielsweise in der Deutschschweiz auch Kinder aus den französisch, italienisch oder rätoromanisch sprechenden Landesteilen als solche definiert werden müssten, sie aber in keiner Schulstatistik zu finden sind. Dennoch werde ich vor allem im Kapitel über Sprache den Begriff ‘fremdsprachige Kinder und Jugendliche’ verwenden, womit Kinder ausländischer Staatsangehörigkeit gemeint sind, deren Erst- bzw. Muttersprache nicht Deutsch ist.
Amanda Zwahlen wurde 1970 in Bern geboren. Sie schloss ihr Studium der Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie an der Fern-Universität Hagen 2003 mit dem Magistertitel erfolgreich ab. Bereits während dem Studium befasste sie sich beruflich mit interkulturellen Fragen und verbrachte selbst auch mehrere Jahre in Südostasien. Nach langjähriger Berufsausübung im sozialpädagogischen Arbeitsfeld ist sie heute in der Ausbildung von Fachleuten im Bereich der Früherziehung tätig.
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