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- Religion, Ernährung und Gesellschaft: Ernährungsregeln und -verbote in Christentum, Judentum und Islam
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Unser tägliches Brot gib’ uns heute! So lautet die Bitte im christlichen Gebet Vater unser . Nicht nur die Fürbitte um das Lebensnotwendige findet sich in der Religion, sondern ein ganz spezialisiertes System und Regelwerk der Nahrungsmittel, die erlaubt, verboten oder verpönt sind. In den drei großen Religionen (Christentum, Judentum, Islam) sind diese Regeln nicht einheitlich, manche überschneiden sich allerdings. Neben den Anforderungen an die zum Verzehr erlaubten Lebensmittel gibt es noch eine Vielzahl von Vorschriften, die sich auf die Zubereitung, die Schlachtung und auch die Aufbewahrung oder die Lagerung beziehen. Im jeweiligen liturgischen Kalender finden sich Tage, an denen manche Lebensmittel verboten oder zu bevorzugen sind. Das Fasten gehört gleichermaßen zum religiösen Leben wie die Festtage und das gemeinsame Mahl. Diese religiösen Speise- und Zubereitungsvorschriften, aber auch die Fast- und Feiertage wirken nicht nur im familiären Kreis. Sie prägen die Infrastruktur einer Gesellschaft, bilden eine Herausforderung für die Gemeinschaftsverpflegung in vielen unterschiedlichen Institutionen und können sowohl für ein Gemeinschaftsgefühl sorgen, wie auch Distanz zwischen den Menschen schaffen. Ernährung in einer multikonfessionellen Gesellschaft ist zwar ein alltägliches Thema – aber nicht trivial.
Textprobe: Kapitel 5.3.2, Kapital und Einkommen: Berücksichtigt man also, dass in einer bestimmten Religion speziellere Vorschriften zur Speisenbereitung und –darbietung bestehen, so kann sich die Position innerhalb der untersuchten Gruppe beispielsweise durch Menge und Ausstattung (etwa zwei Spülmaschinen in orthodoxen jüdischen Haushalten), aber auch durch die Vielfalt der gebrauchten Gegenstände auszeichnen. Das Wissen um die Regeln und Normen gehört dergestalt zum ‘kulturellen Kapital’ der jeweiligen Gruppe der individualisierte Ausdruck, wer was isst, gerät dann zum symbolischen Kapital, welches mittels des ökonomischen Kapitals umgesetzt werden kann. Hierzu ein Beispiel: ‘Wer kein Kamelfleisch ißt, gehört nicht zu meinen Anhängern’ – so die Worte des Propheten Mohammed. Der Genuss von Kamelfleisch ist den Juden verboten, da das Kamel zwar Paarhufer, aber kein Wiederkäuer ist. Für Muslime ist Kamelfleisch, aber hauptsächlich auch aufgrund des oben zitierten Ausspruchs des Propheten, nicht nur erlaubt, sondern besonderer Ausdruck der Religiosität. Kamele sind als Weidetiere in den europäischen Ländern kaum gebräuchlich. So weist auch HEINE darauf hin, dass in Zeiten des Ramadan Kamelfleisch in Länder exportiert wird, in denen dieses nicht zum herkömmlichen Warenangebot gehört und wo bei Muslimen ein entsprechender Bedarf besteht. Es kann nun zunächst davon ausgegangen werden, dass das Kamelfleisch in den Importländern relativ hohe Kosten aufweisen wird, gegenüber den Ursprungsländern. Für die betreffenden Muslime ist damit also sowohl ein höherer organisatorischer als auch möglicherweise ein höherer ökonomischer Aufwand verbunden. D.h. nur für diejenigen Anhänger, denen die Aufwendungen möglich sind, ist die entsprechende Umwandlung in diesen symbolischen Ausdruck der Religiosität möglich. 5.3.3, Verfügbarkeit, Institutionalisierung und Sozialbeziehungen: Es stellt sich die Frage, ob und wie sich die Verfügbarkeit religiös gebotener Speisen und die soziale Geschmacksprägung ausformen können. Bei verfügbarem ökonomischem Kapital ist der Erwerb von Importspeisen daher wahrscheinlich unproblematisch, bei geringem ökonomischem Kapital jedoch erschwert, bis unmöglich. Zudem kämen weiterhin noch soziale Beziehungen zum Tragen, die dazu verpflichten können, während der Festtage Speisen an die Mitmenschen zu verteilen. Und auch der Institutionalisierung und Schaffung von Infrastrukturen soll späterhin nochmals Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die zweite, oben erwähnte Linie, in Bezug auf ‘die Gestaltung der Sozialbeziehungen’, lässt danach fragen: ‘wie, mit wem und zu welchem gesellschaftlichen Zweck Menschen Speise zubereiten, zu sich nehmen und genießen’. Die religionssoziologische Fragestellung geht noch darüber hinaus und fragt nach dem ‚Was (darf gegessen/nicht gegessen werden)’ und ‚Warum’ – also nach dem Sinn oder der Begründung, auf die sich die Gebote oder Verbote stützen. Gehen wir hierfür in der Historie noch etwas zurück: 5.3.4, Vorstellungen von Reinheit und Heiligkeit: Mit der Zeit bildeten sich – so auch der Rückgriff auf die Studie von DOUGLAS – Vorstellungen von ‘reinen und unreinen’ Nahrungsmitteln aus. Diese Reinheit bezieht sich zum einen auf eine in unserem Verständnis ‚hygienische Sauberkeit’, die sich aber im religiösen Sinne als eine Befleckung der ‚Heiligkeit’ darstellt, worunter DOUGLAS folgendes versteht: ‘Heiligkeit ist Einssein, Integrität, Makellosigkeit des einzelnen und der Art. Auch die Speisegesetze sind Ausformungen dieser Metapher der Heiligkeit’. So heißt es weiter: ‘Wenn die vorgeschlagene Interpretation der verbotenen Tiere zutrifft, dann waren die Speisegesetze wie Zeichen, die in jedem Moment zum Nachdenken über die Einheit, Reinheit und Vollkommenheit Gottes anregten. Die Meidungsvorschriften verliehen der Heiligkeit bei jeder Begegnung mit dem Tierreich und bei jeder Mahlzeit einen physischen Ausdruck. So gesehen, erscheint die Einhaltung der Speisegesetze als bedeutungsvoller Teil des großen liturgischen Aktes der Anerkennung und Anbetung, der im Tempelopfer kulminierte’. Die Tempelopfer – als Kulminationspunkt – sind in den hier betrachteten Religionsformen nicht von Relevanz, da insbesondere die institutionalisierten Formen, wie bspw. Kirche, Moschee, Synagoge, hier ausgeklammert werden und der private, ‘unsichtbare’ Bereich mehr Zuwendung erfahren soll. Unabhängig von den religiösen Institutionen haben diese Regeln des ‚Reinen/Unreinen’ oder ‚Heiligen/Unheiligen’ in Bezug auf die Ernährung immer noch Relevanz. Es wurden Ordnungen der Nahrungsmittel entwickelt, die sich ‘in allen großen Religionen’ der Welt finden, und ‘die modernen westlichen Gesellschaften sind immer noch von diesem alten Klassifizierungen geprägt, und zwar viel mehr, als ihnen bewusst ist. Zwar haben wir den religiösen Ursprung dieser Verbote vergessen, aus denen die Vorlieben und Abneigungen hervorgehen, die das Fundament unserer Kultur bilden, dennoch wirken sie fort [...]’. Für die heutige Zeit hat das Konsequenzen, denn ‘der Esser der Gegenwart kann nicht ohne Zaubermittel und Tabus leben, und er wird dies in Zukunft noch weniger können. Die Wissenschaft selbst bringt die Ernährungsmagie hervor, indem sie die Gesellschaft mit kritischem Denken infiltriert. [...] Die Kategorien sind beliebig manipulierbar für denjenigen, der die Schwächen der Theorie, auf die er sich bezieht, verkennen will’.
Marion Röbkes lebt und arbeitet in Bonn. Neben zwei Verwaltungsaus-bildungen und langjähriger Tätigkeit in der Bundesverwaltung schloss die Autorin das Studium der Kulturwissenschaften (B.A.) und nachfolgend der Soziologie (M.A.) erfolgreich ab. Weiterhin verfügt sie über die Zulassung als Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ihre Interessenschwerpunkte liegen im Bereich der Symbolik und der symbolischen Interaktion. Davon ausgehend entwickelt sie die Themen ihrer Studien, die sich auf konkrete Symbolsysteme, menschliche Wahrnehmung und Handlungen, Kommunikation und insbesondere auch kulturelle und gesellschaftliche Phänomene beziehen.
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