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Soziologie

Andrea Zeller

Regionale Integration: Die EU und der MERCOSUR im Vergleich

ISBN: 978-3-8428-9236-1

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Abb.: 10
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Drei Regionalisierungswellen haben im Laufe des 20. Jahrhunderts regionale Integration zu einem neuen Bestandteil des internationalen Systems (Kösler/Zimmek 2008) werden lassen. So vielfältig wie die regionalen Integrationsprojekte sind auch die zahlreichen integrationstheoretischen Ansätze, die vor allem mit der dritten Regionalisierungswelle eine weitere Ausdifferenzierung erfuhren, jedoch auch oftmals von der europäischen Integration inspiriert wurden. Heute gilt die Europäische Union (EU) als die am weitesten entwickelte Form regionaler Integration und wird daher oft als Modell für andere Regionen betrachtet. Der Gemeinsame Markt des Südens (Mercado Común del Sur, Mercosur) wurde von der Integration in Europa inspiriert. Er wurde 1991 während der dritten Regionalisierungswelle von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gegründet, ist heute jedoch anders integriert als die EU. Nach der Diskussion integrationstheoretischer Ansätze erfolgt eine Analyse des Integrationsstatus von Mercosur und EU. Sodann steht die Frage nach den Ursachen der unterschiedlichen Verfasstheit der südamerikanischen und der europäischen Integration im Zentrum der vorliegenden Untersuchung. Ausgehend von den besprochenen theoretischen Ansätzen werden die Ziele, Rahmenbedingungen und die Entwicklung des Mercosur und der EU verglichen: Deuten bereits verschiedenartige Motive und Ziele auf eine unterschiedliche Integrationstiefe hin? Welche Rolle spielen das soziopolitische und ökonomische Umfeld oder nationale Souveränitätsvorstellungen? Was kann auf die internationale Umgebung zurückgeführt werden? Und wie groß ist der Einfluss der regionalen Ebene?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.1.2, Europäisches Integrationsverständnis und Theorien der europäischen Integration: Die europäische Integration wird aufgrund ihrer wechselhaften Entwicklung verschiedentlich als 'moving target' (Bieling/Lerch 2006, 9) oder 'Baustelle' (List 1999, 18) bezeichnet. Ihre dynamische Entstehungsgeschichte hinterließ Spuren, sowohl im europäischen Integrationsverständnis als auch bei den Theorien der europäischen Integration. Die Vision einer Einheit Europas kann bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden (vgl. Elvert 2006, 23ff.). Nach dem Zweiten Weltkrieg erhoffte man sich in Europa Frieden, Sicherheit und ökonomischen Wohlstand (Weidenfeld 2007, 15f.). Während des Kalten Krieges zwischen den Westmächten und dem Ostblock stand die beginnende (west)europäische Integration zudem für eine Verknüpfung von 'Demokratie, Marktwirtschaft und sozialstaatliche[r] Gerechtigkeit' (Bodemer 2002, 99). Die 'reale' (west)europäische Integration begann im wirtschaftlichen Sektor (vgl. Weidenfeld 2007, 17ff.). Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht bedeutet 'gelebte' Integration im europäischen Kontext jedoch mehr als 'nur' wirtschaftliche Integration, sie beinhaltet zudem eine politische, rechtliche und soziale Dimension (vgl. Nickel 2007, 151f.). Viele Integrationstheorien wurden von der europäischen Integration inspiriert (vgl. Bieling/Lerch 2006, 12), und auch ihre Schwerpunkte haben sich über die Jahre verändert. Im Folgenden wird die phasenweise Entwicklung wichtiger Integrationstheorien kurz nachgezeichnet: Die 'erste Phase der politisch-normativen Theoriebildung' setzte etwa mit der Beendigung des Zweiten Weltkriegs ein. Sie wurde einerseits durch den Föderalismus, andererseits durch den Funktionalismus bestimmt. Mit der Gründung eines föderalen europäischen Bundesstaates wollte der Föderalismus Staatsgrenzen überwinden und eine friedliche Koexistenz der europäischen Völker sichern (vgl. Bieling/Lerch 2006, 25). David Mitrany als Vertreter des Funktionalismus stand dagegen regionaler Integration skeptisch gegenüber und setzte zur Friedenssicherung auf 'ein Netzwerk transnationaler Organisationen auf funktioneller Basis', das staatliche Macht beschränken sollte (vgl. Diez/Wiener 2004, 7). Die zweite Phase beherrschte der Neo-Funktionalismus als 'dominante[s] Paradigma' (Bieling/Lerch 2006, 25): Ernst B. Haas orientierte sich an der europäischen Integration als er klären wollte, weshalb Staaten zugunsten einer sich formierenden 'politischen Gemeinschaft' Souveränität abgeben. Basierend auf einem 'pluralistische[n] Gesellschaftsbild', einem 'technisch-funktionalistische[n] Staatsverständnis' und der Annahme rationalen Akteurhandelns sah er die Ursachen für diesen Prozess in der Logik des 'spillover', also des 'Überschwappens' einmal begonnener Integrationsprozesse auf weitere, angrenzende Politikbereiche, sowie im Wirken von Eliten, supranationalen Institutionen und den Regierungen teilnehmender Staaten. Die involvierten Akteure müssten ständig weitere Bereiche der Hoheit der Gemeinschaft unterstellen, um den reibungslosen Ablauf der einmal begonnenen Integration abzusichern (Faber 2005, 41ff.). Es folgte eine Phase der 'dreifachen Infragestellung des Neo-Funktionalismus' (Bieling/Lerch 2006, 26). Der Intergouvernementalismus von Stanley Hoffmann galt als klare Kritik am Neo-Funktionalismus. Inspiriert von der realistischen Schule sowie von der Politik von Charles de Gaulle maß er Machterwägungen und nationalen Interessen in regionalen Integrationsprozessen erhebliche Bedeutung bei. Er unterschied politisch sensible Bereiche wie Außen- und Sicherheitspolitik (high politics) von weniger politisierten Bereichen (low politics) und gestand mögliche Integrationsfortschritte nur letzteren Politikfeldern zu (Faber 2005, 88ff.). Auch seitens der marxistischen Theorien wurde der Neo-Funktionalismus in Frage gestellt. Diese sahen 'Integrationsschritte […] auf internationaler Ebene […] als politische Reaktionen auf endemische Probleme kapitalistischer Entwicklung […]' (Beckmann 2006, 121). Angesichts der Schwierigkeiten des europäischen Integrationsprozesses in den 1970er Jahren zweifelte Haas schließlich 1975 selbst den Neo-Funktionalismus an (Higgott 2007, 78). Nach Jahren des Stillstands der theoretischen Debatte stand die vierte Phase ab dem Ende der 1980er Jahre im Zeichen der 'Wiederaufnahme der integrationstheoretischen Diskussion' dabei wurde oft an die früheren Ansätze angeknüpft (vgl. Bieling/Lerch 2006, 27). Der liberale Intergouvernementalismus von Moravcsik sieht wie der klassische Intergouvernementalismus dann eine Entwicklung des Integrationsprozesses vor, wenn die Interessen der wichtigsten Mitgliedstaaten übereinstimmen und zusammen Regeln verabschiedet werden, die allen vorteilhaft erscheinen. Die Interessen der beteiligten Staaten entstehen hier jedoch in einem 'innergesellschaftlichen Präferenzbildungsprozess' (vgl. Steinhilber 2006, 169f.). Auch der Supranationalismus von Stone Sweet und Sandholtz weist Parallelen zum Neofunktionalismus auf. Hier wird das Voranschreiten der Integration allerdings aus der gemeinsamen Entwicklung dreier unabhängiger Variablen erklärt: Supranationale Organisationen gelten als Motor der Herausbildung gemeinsamer Regelungen, welche ihrerseits die Entstehung einer transnationalen Gesellschaft begünstigen. Diese wiederum befürwortet stärkere supranationale Organisationen und Regelungen, weil sie davon Nutzen zieht (vgl. Nölke 2006, 149ff.). Der Neo-Gramscianismus hat dagegen historisch-materialistische Wurzeln. Als Basis der europäischen Integrationsdynamik gelten für Gill 'zivilgesellschaftliche Kräfte' die Haupttriebkraft stellen der 'Kampf um Herrschaft' unterschiedlicher 'sozialer Klassen' und die 'gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse' dar (vgl. Bohle 2006, 204). In der nun folgenden Phase der 'Kombination aus Perspektivenwechsel, Perspektivenirritation und Perspektivenerweiterung' seit den 1990er Jahren (vgl. Bieling/Lerch 2006, 28) befasste sich die theoretische Debatte zur europäischen Integration mehr mit der aktuellen Verfassung der EU als mit der Suche nach den Ursachen und Triebkräften der fortschreitenden Integration wie in den vorhergehenden Phasen (vgl. Faber 2005, 25 Nölke 2006, 165f.). Mehr und mehr wurden die 'institutionelle Form und die politischen Prozesse in der EG/EU' analysiert. Der 'Perspektivenwechsel' manifestierte sich etwa im Mehrebenenansatz oder in der Policy-Analyse. Ferner wurde das 'rationalistische Paradigma' zunehmend von konstruktivistischen Ansätzen hinterfragt, was als 'Perspektivenirritation' interpretiert werden kann. Die 'Perspektivenerweiterung' zeigte sich letztlich in der zunehmenden interdisziplinären Öffnung der integrationstheoretischen Debatte (vgl. Bieling/Lerch 2006, 28ff.). Generell bleibt festzuhalten, dass eine erhebliche Ausdifferenzierung theoretischer Ansätze stattgefunden hat (vgl. Wessels 2006, 427ff.) und sich kein Ansatz allein zur Erklärung des komplexen europäischen Integrationsgeschehens durchsetzte.

Über den Autor

Andrea Zeller schloss ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Ravensburg 1999 als Dipl.-Betriebswirt (BA) ab und war im Anschluss viele Jahre bei einem mittelständischen Unternehmen als Controllerin und Projektleiterin tätig. Mehrere Aufenthalte in Südamerika sowie politische Vorgaben für die Wirtschaft inspirierten sie zum Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften, welches sie 2009 an der FernUniversität in Hagen mit einem Bachelor of Arts abschloss. Ihr Interesse an wirtschaftlichen Entwicklungen in Südamerika und Europa motivierte sie, sich der Thematik der vorliegenden Studie zu widmen.

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