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Soziologie

Ina Brandenburg

Psychologie der erlernten Hilflosigkeit

ISBN: 978-3-95850-708-1

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Abb.: 6
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Empfinden von Hilflosigkeit ist für alle Menschen eine normale und alltägliche Erfahrung. Dieses Gefühl kann sich jedoch nach belastenden Situationen soweit steigern, dass sich die betroffene Person selbst einfachsten Anforderungen des Alltags nicht mehr gewachsen fühlt. Dadurch erscheinen simple Aufgaben für den Betroffenen als unüberwindliche Barrieren, er verfällt in Grübeln und zieht sich zurück. Diese sogenannte erlernte Hilflosigkeit resultiert aus der wiederholten Erfahrung von Unkontrollierbarkeit und Versagen. Die betroffene Person hat gelernt, dass all ihre Bemühungen, die unkontrollierbare Situation zu überwinden, nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Aus dieser Erwartung heraus reagiert sie mit Hilflosigkeit und erleidet bisweilen depressive Verstimmungen. Diese Studie analysiert das psychische Phänomen der erlernten Hilflosigkeit und gewährt dem Leser einen Einblick in die Mechanismen und Folgen des Störungsbildes. Die Autorin widmet hierbei besonders dem Vorkommen bei Kindern und bietet Erklärungen und Lösungsansätze

Leseprobe

Kapitel 3.1, Zu Seligmans Theorie der erlernten Hilflosigkeit: 3.1.1, Erste experimentelle Untersuchungen Seligmans an Hunden: Im Folgenden werden erste tierexperimentelle Studien Seligmans beschrieben, auf deren Grundlage er ein Störungsbild der erlernten Hilflosigkeit ableitete und schließlich die Theorie der erlernten Hilflosigkeit formulierte. Seligmans Experimente zur erlernten Hilflosigkeit zählen zu den klassischen Experimenten der Psychologie. Die Prägung des Begriffs der erlernten Hilflosigkeit ist auf gezielte tierexperimentelle Studien von Seligman & Maier (1967) und Seligman & Overmier (1967) zurückzuführen. Infolge eines Experiments zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Angstkonditionierung und instrumentellem Lernen entdeckten Maier, Overmier und Seligman das Konzept der erlernten Hilflosigkeit. Nachfolgend werden die wesentlichen Elemente der Versuchsreihe an Tieren und deren Ergebnisse erläutert. Seligman und seine Mitarbeiter fixierten Mischlingshunde im Pavlovschen Geschirr und konditionierten sie klassisch. Dazu boten sie den Hunden Töne dar, die von mäßigen elektrischen Schlägen gefolgt wurden. Die elektrischen Schläge konnten durch keine willentliche Reaktion der Versuchshunde abgestellt werden. Nach den Erfahrungen im Pavlovschen Versuchsapparat wurden die Hunde in eine shuttle box gesetzt. Dieser Versuchskäfig war in zwei Abteile aufgeteilt, die durch eine Barriere voneinander getrennt waren. Die Böden der Abteile waren elektrisch aufladbar. Durch das Überspringen der Barriere war es den Hunden möglich, dem elektrischen Schlag zu entfliehen. Von 150 Versuchtieren, die zuvor den unvermeidbaren elektrischen Schocks ausgesetzt waren, reagierten etwa zwei Drittel hilflos. Sie legten sich auf den Käfigboden und winselten leise. Sie zeigten keinerlei willentliche Reaktionen mehr und gaben auf. Diese Entdeckung beschrieb Seligman als Musterbeispiel für erlernte Hilflosigkeit. Im Gegensatz dazu lernten Versuchshunde, die zuvor nicht im Pavlovschen Geschirr klassisch konditioniert wurden, also keine experimentelle Vorerfahrung hatten, sehr schnell, die elektrischen Schläge durch das Überspringen der Barriere abzustellen. Aus seinen Versuchen leitete Seligman ein allgemeines Störungsbild von erlernter Hilflosigkeit ab, das nachfolgend erörtert werden soll. 3.1.2, Zu Folgen erlernter Hilflosigkeit: Im Folgenden wird auf die von Seligman beschriebenen Folgen erlernter Hilflosigkeit eingegangen, dazu werden die motivationalen, kognitiven und emotionalen Defizite, die mit Hilflosigkeit einher gehen, beschrieben. In seinen Untersuchungen zeigte Seligman, dass gelernte Hilflosigkeit durch die Erwartung unkontrollierbarer Konsequenzen entsteht. Er postulierte, dass Hilflosigkeit mit drei Störungen einher geht. Erlernte Hilflosigkeit führt zum einen dazu, dass die Motivation, Konsequenzen kontrollieren zu wollen, sinkt. Dabei spielt nach Seligman die Erwartung, dass eine Reaktion Erleichterung bringt eine wesentliche Rolle, ob das Individuum versucht die traumatische Situation zu überwinden oder nicht. Seligman definiert den Terminus der Erwartung als die kognitive Repräsentation einer Kontingenz zwischen Reaktion und Konsequenz. Den gleichen Sachverhalt bezeichnen nach Seligman andere Wissenschaftlern auch als lernen , wahrnehmen oder überzeugt sein . Seligman selbst spricht im Zusammenhang mit dem Aufbau von Erwartungen von Individuen und nimmt keine Unterscheidung zwischen Tieren und Menschen vor. Es wäre jedoch sinnvoller, bei Tieren von Reflexen zu sprechen und bei Menschen von Erwartungen. Der Begriff Reflex ist als unmittelbare und direkte Reaktion auf einen Reiz definiert. Die Erwartung hingegen setzt bestimmte kognitive Fähigkeiten voraus und führt zur Antizipation zukünftigen Erlebens und Verhaltens. Allerdings ist fraglich, inwieweit ein Tier zu solchen kognitiven Denkleistungen überhaupt in der Lage ist oder überhaupt zu einer Erwartungshaltung fähig ist. Vielmehr legt die klassische Lerntheorie nahe, dass es sich bei Tieren um ein einfaches Reiz-Reaktions-Lernen handelt, das angenehme Konsequenzen herbeiführt und unangenehme Konsequenzen verringern will. Da es in der vorliegenden Arbeit jedoch um erlernte Hilflosigkeit beim Menschen geht, wird weiterhin der Terminus Erwartungen gebraucht. Seligman verweist an dieser Stelle auf ein Humanexperiment von Thornton und Jacobs (1971), in dem man Versuchspersonen unvermeidbare, elektrische Schläge verabreichte. In einem darauffolgenden Durchgang wurden die Versuchspersonen erneut elektrischen Schlägen ausgesetzt, die nun jedoch kontrollierbar waren. Die Motivation der Versuchspersonen wurde jedoch so stark untergraben, dass sie die Elektroschocks passiv über sich ergehen ließen. Mehr als zwei Drittel gaben in einer späteren Befragung an, dass sie nicht reagiert hätten, weil sie der Überzeugung gewesen wären, dass sie nichts gegen die Schocks hätten ausrichten können. Zum anderen führt erlernte Hilflosigkeit dazu, dass die Fähigkeit zu lernen, dass eigene Reaktionen eine (traumatische) Konsequenz tatsächlich kontrollieren können, vermindert wird. Hierzu soll beispielhaft eine Studie von Kemler und Shepp (1971) angeführt werden, in die beiden Forscher herausfanden, dass Grundschulkinder besonders langsam lernten, welche Größe für die Lösung einer Diskriminationsaufgabe relevant war, wenn die gleiche Größe zuvor als irrelevant ausgewiesen wurde. Ein weiteres Defizit, das im Zusammenhang mit erlernter Hilflosigkeit auftritt, ist die Störung der Emotion. Unter dem Begriff Emotion werden hier Gefühle und Befindlichkeiten verstanden, die sowohl den Körper (als organische Komponente), die Psyche und auch das Verhalten des Menschen umfassen. Erlebt ein Individuum ein traumatisches Ereignis, so reagiert es zunächst mit gesteigerter emotionaler Erregung und Furcht. Ein Individuum erlebt Furcht, wenn es gegenwärtig mit einer offensichtlichen Gefahr konfrontiert wird und es diese als bedrohlich erlebt. Furcht kann sich über kognitive Komponenten (bspw. die Furcht vor dem Tod), physiologische Komponenten (bspw. Herzrasen) und verhaltensbezogene Komponenten (z.B. Fluchtbedürfnis) erstrecken. Im Gegensatz dazu richtet sich der emotionale Zustand der Angst auf kein spezifisches Objekt und ist meist in die Zukunft gerichtet und diffuser. Der Zustand der Furcht kann nach einer Weile von zwei Möglichkeiten abgelöst werden: Lernt das Individuum, dass die traumatischen Erfahrungen für ihn kontrollierbar sind, kann die Furcht abgebaut werden und ganz verschwinden. Wenn das Individuum die traumatischen Erlebnisse jedoch weiterhin als unkontrollierbar wahrnimmt, wird die Furcht abnehmen und allmählich wird sich eine Depression einstellen. Seligman bezieht sich hierbei u.a. auf die Arbeit von R. W. White (1959), der den Begriff der Kompetenz aufgreift. White stellt den Begriff der Kompetenz als einen fundamentalen Trieb zur Kontrolle und des Widerstandes gegen Zwänge dar. Seligman interpretiert den Begriff der Kompetenz für sich als ein Bedürfnis, Hilflosigkeit zu vermeiden. Es gilt die durch Hilflosigkeit hervorgerufenen Zustände von Furcht und Depression zu vermeiden. Erlebt ein Schüler beispielsweise mehrfach, dass er die Anforderungen in Prüfungssituationen nicht bewältigen kann, so kann die Motivation an weiteren Prüfungen teilzunehmen herabgesetzt werden. Auch kleinere Teilerfolge, wie beispielsweise gelungene Aufgabenteile könnten vom betroffenen Schüler nicht als positive Leistung erkannt werden, da er die Prüfung letztendlich nicht bestanden hat. Aufgrund der Erwartung, dass alle Bemühungen, die Prüfungen zu bestehen, scheitern werden, kann schließlich sich eine depressive Verstimmung einstellen.

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