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- Präimplantationsdiagnostik – Fluch oder Segen? Perspektiven, Argumentationsstrategien und Lösungsansätze
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 94
Abb.: 7
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In dem vorliegenden Buch wird vorrangig die ethische Debatte um die PID aus verschiedenen Perspektiven nachgezeichnet, die Argumentationsstrategien der Befürworter und Gegner dargestellt und anschließend ihr jeweiliger Beitrag zur Lösung der komplexen Problematiken beurteilt, die sich aus der Einführung, aber auch aus dem Verbot der PID ergeben. Es werden mehrere Ziele verfolgt. Zum einen möchte dieses Buch zu einer Einschätzung über das Verhältnis von Recht und Ethik in einer hochkomplexen Streitfrage wie der PID kommen. Wie unterscheiden sich die Debatten beider Fachgebiete? Wo liegen ihre Gemeinsamkeiten und können sie sich gegenseitig befruchten und voranbringen oder müssen sie separat geführt werden? Wie bedingen geltendes Recht und ethische Normen einander? Des Weiteren sollen die hier erörterten Perspektiven ethischer Fragestellungen zur Präimplantationsdiagnostik hinsichtlich ihres Beitrages zu einer konsensualen Entscheidungsfindung beurteilt werden. Durch die Entwicklung der PID eröffnen sich neue, mit komplexen Problemstellungen behaftete Handlungsoptionen. Welcher Ansatz kann am ehesten den Erfordernissen adäquater Begegnung mit diesen Problemstellungen gerecht werden? Welche Argumentationsstrategie ist am besten geeignet, eine allgemein akzeptierte Lösung zu erarbeiten? Wie ist die PID letztlich aus ethischer Sicht zu beurteilen und ist eine eindeutige Aussage hierzu überhaupt möglich?
Textprobe: Kapitel 10.4, PID und PND im Vergleich: Die bereits seit den 60er Jahren zunehmend etablierten Techniken der Pränataldiagnostik und die noch jungen Möglichkeiten der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik haben als Ziel gemeinsam, Paaren mit genetischen Risiken zu gesundem Nachwuchs zu verhelfen. Ebenfalls gemeinsam ist ihnen, dass in beiden Fällen eine genetische Diagnostik vorgenommen wird, deren Ergebnisse im Fall der PID zur Tötung eines menschlichen Keimes durch Nicht-Implantation, also Verwerfung, und im Fall der PND zur Tötung eines Fötus durch Abtreibung führen können. Einige Unterschiede beider Methoden bestehen in der Konfliktlage, die eng mit der Beziehung zwischen Mutter und Kind verbunden ist sowie dem selektiven Charakter. Hinsichtlich der Konfliktlage handelt es sich bei der PND um eine 'Schwangerschaft auf Probe', die Paare eingehen müssen, wenn sie trotz des Risikos genetisch bedingter Krankheiten den Wunsch nach einem (gesunden) Kind hegen, so dass der Konflikt hier durch das Ergebnis der genetischen Diagnose entsteht. 'Die PGD setzt im Unterschied zur PND eine IVF mit deren spezifischen Risiken voraus, andererseits erfordert sie keine Schwangerschaft. Wird der menschliche Keim nach der genetischen Diagnostik nicht implantiert, so handelt es sich um eine Unterlassungshandlung. Die PND erfordert dagegen keine IVF. Sie setzt eine monatelange Schwangerschaft voraus und wird in den meisten Fällen an einem Fötus vorgenommen, dessen Organogenese abgeschlossen ist. Wird der Konfliktfall zwischen Mutter und Kind in der Weise aufgelöst, dass gegen das Leben des Kindes entschieden wird, so wird dieses gezielt getötet, teilweise sogar zu einem Zeitpunkt, an dem es bereits außerhalb des Mutterleibs lebensfähig gewesen wäre.' Einem Modell graduell anwachsenden Lebensschutzes folgend, wäre daher die Verwerfung eines Embryos nach PID der zu einem viel späteren Zeitpunkt vorgenommenen Abtreibung nach PND vorzuziehen. Allerdings werden aufgrund der relativ hohen Fehlerraten präimplantativer Diagnostik zur Ergebnissicherung weiterhin Amniozentesen zur Kontrolle durchgeführt, so dass die PID Spätabbrüche nicht vermeiden, sondern nur deren Anzahl verringern kann. Dieser Umstand schwächt wiederum die Rechtfertigung der PID. Die Beziehungslage zwischen Mutter und Fötus stellt sich in den beiden Konfliktfällen sehr unterschiedlich dar. Mit Fortschreiten einer bestehenden Schwangerschaft entsteht vor dem Hintergrund der körperlichen Einheit zweier geschützter Leben eine Beziehung der Fürsorge, die die Frau im Falle des Konfliktes, mit einem schwer erkrankten Kind zu leben oder die Schwangerschaft abzubrechen, in eine besondere psychische Belastungssituation bringt. Mit der Feststellung einer genetischen oder chromosomalen Störung müssen die Eltern 'sich für oder gegen dieses eine Kind entscheiden. Einen anderen Ausweg aus dem Dilemma gibt es nicht. Dabei sind mütterliche Autonomie bzw. das mütterliche Recht auf Unversehrtheit und das Lebensrecht des ungeborenen Kindes die Güter, die es gegeneinander abzuwägen gilt. Die Rechtfertigung eines Schwangerschaftsabbruchs liegt darin, dass dem Schutz der mütterlichen Integrität Vorrang vor dem Schutz des pränatalen Lebens eingeräumt wird.' Bei der PID dagegen handelt es sich um eine 'Zeugung auf Probe', 'die womöglich ohne das Vorliegen eines aktuellen Konflikts die Auswahl nicht-betroffener Embryonen und darüber hinaus eine positive Selektion ermöglicht. Eine Rechtfertigung dieser Auswahl ohne jede Not wäre dann nur durch das positive Recht der Eltern auf ein gesundes Kind denkbar.' Doch da die der PID vorausgehende oft langwierige Behandlung im Rahmen der IVF derart mit Risiken und Belastungen, vor allem für die prospektive Mutter, behaftet ist, kann man annehmen, dass allein das Wissen um die Abstammung der Embryonen und die Hoffnung auf ein eigenes gesundes Kind keine völlige Beziehungslosigkeit zulassen […].' Zudem haben viele Paare mit einem hohen Risiko, schwer kranke Kinder zu zeugen bereits eine oder mehrere Abtreibungen nach PND hinter sich und wollen 'den für die Frau und auch die betroffenen Keime weniger schmerzhaften Weg der PGD wählen, denn eine Abtreibung stellt eine Gefährdung der mütterlichen Gesundheit dar und ein abgetriebener Fötus ist zumindest empfindungsfähig, was von einem drei Tage alten menschlichen Keim nicht gesagt werden kann.' Nach Knoepffler kann die PID in Fällen bestimmter genetischer Veränderungen auch als passive Sterbehilfe verstanden werden, nämlich dann, 'wenn der menschliche Keim so geschädigt ist, dass das Unterlassen seiner Implantation einer passiven Sterbehilfe vergleichbar wäre, die manchmal Neugeborenen gewährt wird, wenn diese sich in einem Sterbeprozess befinden.' Letztlich muss die Entscheidung über die Zumutbarkeit der PID wie auch der PND wohl den betroffenen Frauen in ihrer individuellen Lebenssituation überlassen werden, da sie im Zweifelsfall diejenigen sind, die die Risiken und die Belastungen des Konfliktes hauptsächlich tragen. 'Sie kann nicht pauschal und paternalistisch von Außenstehenden vorgenommen und als Argument für oder gegen die Präimplantationsdiagnostik verwendet werden.' Bezüglich des unterschiedlichen selektiven Charakters beider Methoden ist festzustellen, dass die Entscheidung hinsichtlich der Fortsetzung oder des Abbruchs einer bestehenden Schwangerschaft nach PND durch die Eltern bzw. die Mutter selbst für oder gegen einen ganz bestimmten Fötus fällt, wohingegen im Entschluss zur PID bereits auch die Entscheidung für die Wahl (in diesem Fall durch Mediziner) aus mehreren Embryonen nach genetischen Kriterien liegt. 'Besonders die schutzlose Verfügbarkeit der In-vitro-Embryonen verstärkt den Eindruck, dass die Schwelle zur Selektion hier niedriger anzusiedeln ist als bei einer 'Schwangerschaft auf Probe', deren Vorsätzlichkeit und selektiver Charakter nicht offensichtlich sind.' Ein vollständiges Verbot selektiver Methoden würde aber nach sich ziehen, dass nach der Fristenlösung der Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch gesunde Föten abgetrieben werden könnten, während behinderte Föten ausgetragen werden müssten. 10.5, PID und Abtreibung im Vergleich: Die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch sehen eine Fristenlösung vor, nach der eine Abtreibung nach einer zwingenden Beratung innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft zwar rechtswidrig ist, aber straffrei bleibt. Die Rechtswidrigkeit des Abbruches beruht auf der Annahme zweier Rechtsträger, nämlich der Mutter und eben des Embryos, deren Rechte aber in Form einer Güterabwägung einander gegenüber gestellt werden können, wobei das Recht der Frau auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit das relative Lebensrecht des Embryos überwiegt. Nach geltendem Recht sind Nidationshemmer und die so genannte 'Pille danach' erlaubt und 'nicht durch das Vorhandensein einer Konfliktlage, sondern vielmehr durch deren Vermeidung zu rechtfertigen. Die rechtliche Regelung der Abtreibung klammert also Embryonen vor der Implantation aus der Strafvorschrift aus. Obwohl die Präimplantationsdiagnostik ebenfalls dazu dient, den Eintritt existenzieller Schwangerschaftskonflikte und der ihnen folgenden Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern, ist das Verwerfen drei Tage alter In-vitro-Embryonen hingegen verboten.' Bei bestehendem PID-Verbot sind also wenige Tage alte in vitro gezeugte Embryonen stärker geschützt als bereits implantierte, nachgewiesene und fortgeschritten entwickelte Embryonen. Für Frauen und Paare mit dem Wunsch nach einem eigenen Kind bei gleichzeitigem Risiko für schwere genetische Defekte, die aus persönlichen Gründen eine Abtreibung ablehnen, wäre die PID die einzige Möglichkeit, relativ sicher gesunden Nachwuchs zu bekommen. Gleichzeitig kann die Anwendung der PID unter bestimmten Bedingungen, die es später noch zu erörtern gilt, auch zu einer Stärkung autonomer weiblicher Reproduktionsentscheidungen führen. 11, Perspektive II: Die praktische Anwendung der PID: Da die Erörterung des moralischen Status des Embryos keine eindeutige und allgemein akzeptable Entscheidung über die ethische Vertretbarkeit der Präimplantationsdiagnostik erbringen konnte, wollen wir uns nun weiteren diskussionsbedürftigen Fragen zuwenden, in deren kritischer Betrachtung und Beantwortung eventuell auch eine Entscheidungsgrundlage zu finden sein könnte. Hinsichtlich der praktischen Anwendung der Präimplantationsdiagnostik ergeben sich vor allem Fragen nach den zulässigen Grenzen der derzeitigen und zukünftig vorstellbaren Anwendungsmöglichkeiten sowie der vertretbaren Indikationsstellung. Ein weiterer wichtiger Punkt sind Überlegungen zu Autonomie und Fortpflanzungsfreiheit, dies vor allem aus der Perspektive der betroffenen Frauen.
Nadja Belobrow wurde 1983 in Bremen geboren. Die Diplom-Pädagogin absolvierte ihr Studium an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Ihr besonderes Interesse liegt in der interdisziplinär eingenommenen, geschlechtsspezifischen Perspektive.
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