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- Pfadfinden – Weg einer Selbsterziehung zum wertorientierten Handeln: Eine Einführung in die Pfadfinderpädagogik
Soziologie
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 136
Abb.: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
‘Pfadfinden’ möchte Kinder und Jugendliche zur Selbsterziehung anregen und dazu beitragen, dass sie als künftige Erwachsene ihr Leben nach demokratischen Werten und Grundsätzen gestalten. ‘Pfadfinden’ als pädagogischer Begriff beschreibt den besonderen Weg einer Selbsterziehung junger Menschen, die sich auch in ihrem Handeln im Alltag an pfadfinderischen Werten und Normen bzw. Regeln orientieren. In der vorliegenden Schrift über die ‘Pfadfinderpädagogik’, die für die Aus- und Fortbildung von Jugendleiterinnen und Jugendleitern verfasst wurde, geht der Autor auf die Erziehungsziele, die Inhalte in Form attraktiver Programme, die Grundsätze pfadfinderischer Selbsterziehung wie die ‘Orientierung an pfadfinderischen Werten und Regeln’, das ‘Lernen in kleinen Gruppen’, das ‘Lernen durch Erfahrung’, das ‘gesunde und natürliche Leben’ und das ‘Leben einer Freundschaft zu allen Menschen’ ein. Weiterhin werden die ‘Bedürfnisorientierung’ beim Pfadfinden und Formen pfadfinderischen Handelns wie Spiel, Erkundungslernen, Projekt, Zeltlager, Planspiel, Fahrt etc. thematisiert. Zahlreiche, in der Ausbildungspraxis erprobte Schemata dienen als Hilfe zur Klärung der Zusammenhänge und Erkenntnisse. Im abschließenden Teil gibt der Verfasser zusätzlich einen Überblick über die wichtigen Lebensstationen von Lord Robert Baden-Powell of Gilwell, dem Gründer der internationalen pfadfinderischen Erziehungsbewegung.
Textprobe: Kapitel 1, Pfadfinden - Entwurf für eine Selbsterziehung: ‘Erziehung’ wird heute im Allgemeinen nicht mehr als das ‘Einwirken von Erwachsenen auf Kinder oder Jugendliche’ gesehen. Erziehung ist grundsätzlich immer Selbsterziehung. In diesem Sinne kann man ‘Pfadfinden’ (Scouting) als pädagogischen Begriff deuten. Es bezeichnet den besonderen Weg einer Selbsterziehung von jungen Menschen. Hinter dem Begriff ‘Pfadfinden’ verbirgt sich auch der erzieherische Entwurf, der vom Gründer der Pfadfinderbewegung, Robert Baden-Powell, konzipiert wurde und der sich im Laufe der Geschichte der pfadfinderischen Kinder- und Jugendarbeit weiter entwickelt hat. Wie bei jeder Erziehungskonzeption, kann man auch beim Pfadfinden vor allem drei Bereiche unterscheiden, die in einem Zusammenhang zu sehen sind und die sich überschneiden: Erziehungsziele, Inhalte (Programme) und die Pfadfindermethode als Weg der Selbsterziehung. Um beispielsweise das pfadfinderische Erziehungsziel ‘gesundes Leben’ zu erreichen, muss man sich persönlich für den richtigen Weg entscheiden und diesen gehen. Die Pfadfindermethode kann für junge Leute ein sehr hilfreicher Weg sein dieser Weg schließt die ‘Verpflichtung gegenüber sich selbst’ ein (vgl. WOSM 1997, S. 12). Eine ungesunde Lebensführung würde diesem Prinzip widersprechen. Unterstützung bei der Verwirklichung eines gesunden und natürlichen Lebens leisten auch die Gruppenmitglieder, die sich an pfadfinderischen Regeln und Werten orientieren. Die Gemeinschaft kann deshalb die Aufgabe einer ‘Selbsthilfegruppe’ erfüllen. Gesundheitserziehung kann aber auch innerhalb eines Programms verwirklicht werden, indem zum Beispiel das gesunde Leben im Zeltlager bewusst zum Inhalt (Programm) gemacht und über ein Handeln verwirklicht wird. Man kann sagen, dass Erziehungsziele (z. B. Gesundheit) als Orientierungshilfe für die Wegfindung dienen. Der pfadfinderische Weg (Pfadfindermethode) kommt aber ohne Inhalte nicht aus pfadfinderische Aktivitäten setzen immer Programme, für die man sich entscheidet, voraus. 2.2, Pfadfinden - Weg einer Erziehung zur Demokratie: Der Begriff ‘Demokratie’ wird im Allgemeinen mit einer Regierungs- oder Staatsform in Verbindung gebracht. In der Bundesrepublik Deutschland besteht eine parlamentarische Demokratie. Der Volkswille vollzieht sich in Wahlen und Abstimmungen die demokratische Ordnung ist im Grundgesetz verankert. Man kann ‘Demokratie’ aber auch als ‘Form des Zusammenlebens’ begreifen (vgl. Dewey 1993, S. 121). Demokratie als ‘Lebensform’ kommt immer in einem demokratischen Handeln zum Ausdruck. Gelebte Demokratie schließt eine aktive Mitverantwortung für die Menschen und die Mitwelt ein deshalb verwirklicht sich in der Pfadfinderbewegung das ‘Leben von Demokratie’ durch eine tätige Schöpfungsverantwortung. Angesichts antidemokratischer Tendenzen in der Gesellschaft (Verletzung der Menschenwürde, steigende Gewaltbereitschaft etc.) wird deutlich, dass Demokratie als Lebensform entwicklungsbedürftig ist und eine ständige Erziehungsaufgabe bleibt. Pfadfinden als ‘Weg einer Selbsterziehung’ ist mit seinen Handlungsgrundsätzen in besonderer Weise geeignet, Demokratie leben zu lernen. So werden beispielsweise bei konsequenter Verwirklichung des Tätigkeitsgrundsatzes (‘Scouting is Doing’) die für eine Demokratiefähigkeit so wichtigen Qualifikationen wie Eigeninitiative, Selbständigkeit, Handlungsfähigkeit und Handlungsbereitschaft gefördert. Vor allem beim Projekthandeln können Pfadfinderinnen und Pfadfinder verschiedene Techniken und Strategien politischen Handelns erproben und lernen deren zielgerichteten Einsatz. Handlungsorientiertes Pfadfinden ist besonders geeignet, junge Menschen für die in der sozialen und natürlichen Umwelt bestehenden Probleme und Missstände zu sensibilisieren und ihnen zu vermitteln, dass die Wirklichkeit durch einen gemeinsamen und aktiven Einsatz veränderbar ist. Solche Schlüsselerlebnisse haben positive Auswirkungen auf die politisch-sozialen Lernprozesse der Jugendlichen und tragen damit zur Weiterentwicklung der Demokratie in der Gesellschaft bei. Das gruppendynamische Pfadfinden ist besonders geeignet, die für ein demokratisches Zusammenleben wichtigen Fähigkeiten der Sozial- und Selbstkompetenz zu erlernen. So ist beispielsweise ein friedliches Miteinander ohne Toleranz, ohne die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen oder Konflikte gewaltfrei zu lösen, nicht möglich. Das Zusammenspiel von kleineren Gemeinschaften in einer größeren (Rudel und Meute Sippen und Trupp etc.) ist bereits für die Jüngsten (Wölflinge) eine gute Schule der Demokratie. Was im Meutenrat an Wünschen und Ideen eingebracht wurde, wird gemeinsam in der Meutenversammlung reflektiert, diskutiert und von allen die Entscheidung über die weiteren Unternehmungen auf demokratischem Weg durch Mehrheitsbeschluss herbeigeführt. Auf diese Weise werden bereits bei den Kindern die für das demokratische Zusammenleben bedeutsamen Kompetenzen wie Entscheidungsfähigkeit und Kompromissbereitschaft angebahnt. Die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung oder aus ausländischen Familien in die Pfadfindergruppen ist unter anderem ein Kennzeichen für ein demokratisches Pfadfinden, das allen jungen Menschen das Grundrecht auf Teilnahme am Gemeinschaftsleben zubilligt (vgl. Gerr 2000, S. 98 f.). Pfadfinderische Friedenserziehung trägt damit zur ‘Demokratie als Form des Zusammenlebens’ bei. Pfadfinderisches Handeln orientiert sich an demokratischen Werten und Normen (Umweltschutz, Mitverantwortung für die Schöpfung etc.). Durch eine bewusste persönliche Verpflichtung, das alltägliche Leben nach pfadfinderischen Grundlinien/Regeln zu gestalten (Pfadfinderregeln und Versprechen), durch Handeln, das sich an Werten orientiert, und durch eine Reflexion nach Gruppenunternehmungen und in Alltagssituationen lernen Pfadfinderinnen und Pfadfinder Demokratie zu leben entsprechend dem pfadfinderischen Tätigkeitsprinzip setzen sie sich gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsextremismus oder gegen eine Unterdrückung von Minderheiten ein und übernehmen Verantwortung für die Mitschöpfung. Durch eine einfache und natürliche Lebensweise, bei der bewusst von einer stark konsumorientierten Gestaltung des Lebens Abstand genommen wird, leisten Pfadfinderinnen und Pfadfinder einen Beitrag zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Gemeinschaftliche Aktivitäten wie Lager und Fahrt fördern nicht nur die Gesundheit und die Gemeinschaftsfähigkeit, sondern auch die Naturverbundenheit und damit die Sensibilität für den Schutz der lebenden Mitwelt. Bereits in der Wölflingsstufe werden bei altersgemäßen Spielen und Unternehmungen in der Natur die für den Naturschutz so wichtigen Naturerfahrungen gewonnen. Gleichzeitig werden die für die demokratischen Lernprozesse grundlegenden Wahrnehmungsbereiche (hören, sehen, fühlen etc.) geschult. Entsprechend dem Grundsatz ‘Denke global - handle vor Ort!’ führen die Jugendlichen Umweltprojekte durch, bei denen sie sich nicht nur inhaltlich mit der Problematik einer fortschreitenden Umweltzerstörung auseinander setzen, sondern auch Möglichkeiten umweltgerechten Handelns erproben können. Naturschutzaktionen und Umweltprojekte vermitteln ihnen Erfahrungen und Erkenntnisse über ökologische Zusammenhänge. Im aktiven Umweltschutz kommt eine demokratische Grundhaltung zum Ausdruck. Pfadfinden ist durch ‘Internationalität’ gekennzeichnet internationales Lernen kann eine große Bedeutung für eine Erziehung zur ‘Demokratie als Lebensform’ besitzen. Demokratisches Handeln kommt im ‘Leben einer Freundschaft zu allen Menschen’ zum Ausdruck. Bei regelmäßigen internationalen Kontakten und der Beteiligung an übernationalen Aktivitäten und Projekten (Entwicklungshilfe etc.) lernen Pfadfinderinnen und Pfadfinder mit kulturell und ethnisch bedingten Lebens- und Verhaltensformen umzugehen. Internationales Pfadfinden fördert den Abbau von Vorurteilen gleichzeitig ermöglicht es, dass junge Menschen Solidarität und Freundschaft erfahren. Innerhalb der pfadfinderischen Friedensbewegung wird Mitmenschlichkeit über alle Grenzen hinweg gelebt damit eröffnet sich die Perspektive zu einer weltweiten Demokratisierung im zwischenmenschlichen Bereich. 3, Fortschreitende und attraktive Programme (Inhalte): Die Anziehungskraft des Pfadfindens auf junge Menschen besteht darin, dass es ein Angebot an attraktiven Programmen bereithält. Pfadfinderische Programme können aus den verschiedenen Lebensbereichen entlehnt werden. Sie dienen der fortschreitenden Selbsterziehung. Im Hinblick auf eine kontinuierliche Förderung der Kinder und Jugendlichen ist es von Bedeutung, dass Programme ‘aufeinander aufbauend’ entwickelt werden, bezüglich der Selbsterziehungsprozesse ‘anregend’ sind und auf ‘den Interessen der Mitglieder’ basieren (vgl. WOSM 1997, S. 18). Um diese Anforderungen an ein gutes Programm zu gewährleisten, wird weltweit in vielen Verbänden ein Proben- und Abzeichensystem umgesetzt. Dabei kann man zwei verschiedene Arten von Proben bzw. Abzeichen unterscheiden: die Proben und Abzeichen, die in einer Altersstufe abgelegt bzw. erworben werden, und die Spezialabzeichen, die für die Aneignung spezieller Fähigkeiten und Fertigkeiten vergeben werden. Die verschiedenen Proben dienen zum Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen. So fördert beispielsweise die Beherrschung der Techniken in Erster Hilfe auch die Hilfsbereitschaft (vgl. Gerr 1998, S. 45). Wenn sich ein Verband für das Proben- und Abzeichensystem entschieden hat, so ist von Bedeutung, dass Proben nicht im Sinne einer schulischen Leistungsüberprüfung stattfinden. Wenn die Aneignung von Fähigkeiten und Fertigkeiten - wie beim Erwerb der Lagertechniken - in einer konkreten Situation, in der sie benötigt werden (z. B. beim Lageraufbau), geübt und deren Beherrschung bestätigt werden, wirken sie motivierend das Miteinander- und Voneinanderlernen spielt dabei eine wichtige Rolle (vgl. Gerr 1998, S. 46). Die Vergabe von Spezialabzeichen nach Ablegung von Tüchtigkeitsproben dient der Entdeckung von individuellen Interessen und der Vervollkommnung von Fähigkeiten und Fertigkeiten auf diesem Gebiet. Stufenproben sollen zum Erreichen der Stufenziele anregen. Das Stufenabzeichen symbolisiert auch die Zugehörigkeit zur entsprechenden Altersstufe. Es kann vom Verband auch entschieden werden, dass das Stufenabzeichen ohne eine Abnahme der Proben verliehen wird, da mit Aufnahme in die Gruppe sich das Mitglied verpflichtet, auf die Stufenziele hinzuarbeiten und sich auf das Versprechen vorzubereiten (vgl. BdP 2002, S. 116).
Hans E. Gerr, Jahrgang 1937, ist Dr. phil. und Diplom-Pädagoge. Seine beruflichen Erfahrungen umfassen Tätigkeiten als Bankkaufmann, Lehrer an Grund- und Hauptschulen, Sonderschullehrer und hauptamtlicher Dozent an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Außerdem übt er ein langjähriges ehrenamtliches Engagement in der pfadfinderischen Jugendarbeit und Erwachsenenbildung aus, wo er für die Aus- und Fortbildung von Jugendleiterinnen und Jugendleitern zuständig ist. Seine Veröffentlichungen umfassen fachpädagogische Publikationen, unter anderem zu den Themenbereichen ‘Pfadfinderpädagogik’, ‘Projektlernen’, ‘Umgang mit Aggressionen’, ‘offener Unterricht’, ‘Kreativitätsförderung’ und ‘Seniorenarbeit’, darunter sechs Bücher (Monographien).
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