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- Personalfluktuation und Wissenstransfer: Theoretische Überlegungen und empirische Betrachtung
Soziologie
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 284
Abb.: 17
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Im vorliegenden Werk befassen sich die Autoren mit dem Problem des Managements von Wissenstransfers in Organisationen. Exemplarisch wird dies am Thema Personalfluktuation dargestellt, welches vor allem im Hinblick auf die aktuelle und bevorstehende Vielzahl von Pensionierungen eine entscheidende Rolle für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und anderen Organisationen spielt. Das Organisationsproblem des Wissenstransfers lässt sich dabei in ein Koordinationsproblem und in ein Motivationsproblem aufgliedern. Im Zentrum dieser Abhandlung stehen eine theoriebasierte Analyse des Wissenstransfers und die Identifikation möglicher Einflussfaktoren auf die Motivation zum Wissenstransfer. Hierfür wurde von den Autoren ein Modell entworfen, welches die zentralen individuellen und kollektiven Einflüsse auf die Motivation zum Wissenstransfer enthält. Dieses Modell bildet die Grundlage für die anschließende empirische Betrachtung. Hierzu wurden unterschiedliche Wissenstransfer-Teilnehmer befragt. Ziel der Befragung war es, die zuvor theoretisch abgeleiteten Einflussfaktoren für die Wissenstransfermotivation in den tatsächlichen Wissenstransferprozessen zu identifizieren, zu bewerten und zu gruppieren. Dieser Text enthält eine anschauliche Analyse, die sowohl in der Wissenschaft als auch in Organisationen als Einstieg in dieses vielschichtige Thema genutzt werden kann.
Textprobe: Kapitel 1.1, Die Bedeutung des Wissenstransfers bei Personalfluktuation: Aufgefallen ist uns, dass Wissen als Schlüsselfaktor für den zukünftigen Erfolg heutiger Industrieländer stetig an Beachtung gewinnt (vgl. z.B. Drucker 1993, S. 16). Dagegen scheint die Bedeutung der einzelnen ‘Humanressourcen’ durch Dynamisierung und Globalisierung der Arbeitsmärkte abzunehmen. Geht man nun davon aus, dass der größte Teil des Wissens personengebunden ist, ergibt sich auf Grund der unterschiedlichen Bedeutungsentwicklungen ein Spannungsverhältnis. Beispielhaft seien hier trotz der aktuellen Rentendiskussion, die vielen Frühverrentungsprogramme oder Entlassungswellen von Großunternehmen, wie der Deutschen Telekom AG genannt. Dabei ergibt sich das Dilemma für die Organisationen aus dem Kostendruck (Lohnkosten) einerseits und dem Innovationsdruck (Wissensgenerierung) andererseits. Diese Entwicklung hat uns animiert, das Problem der Wissenserhaltung im Zusammenhang mit Personalfluktuation aus einer organisationstheoretischen Perspektive zu betrachten. Auch wenn Wissen und Lernen stark in den Mittelpunkt aktueller Forschungen gerückt sind, nahmen sie schon immer eine entscheidende Rolle ein. ‘For hundreds of years, owners of family businesses have passed their commercial wisdom on to their children, master craftsmen have painstakingly taught their trades to apprentices, and workers have exchanged ideas and know-how on the job.” (Hansen et al. 1999, S. 106). Dennoch wäre es fatal die neuen Herausforderungen der so genannten Informations- bzw. Wissensgesellschaft nicht ernst zu nehmen. Denn es gilt heute als gemeinhin anerkannt, dass die in den Unternehmen tätigen Menschen jeweils mehr Wissen zu managen haben, als die vorherige Generation (vgl. Kieser 1999, S. 8). Das Managen allgemein umfasst alles was mit der effektiven Nutzung dieses Wissens verbunden ist. Es geht also weniger um die Entstehung und die Veränderung von Wissen, als vielmehr um die Erhöhung der Wirksamkeit des vorhandenen Wissens, um einen Mehrwert zu erschaffen (vgl. Schneider 2001, S. 25). Dazu gehört auch, dass immer wieder neues Wissen mit dem bisherigen verknüpft wird, um daraus neue Schlüsse zu ziehen. ‘Yet creating new knowledge - and perhaps more important, effectively using the knowledge that already exists in an organization - has now become a core element of business strategy.” (Krogh et al. 2000, S. 70). Organisationaler Wissenstransfer kann einen Beitrag zur effektiven Nutzung und Bewahrung von Wissen, gerade auch bei Personalfluktuation, leisten. Obwohl es nur wenige Menschen geben wird, die nicht von der Bedeutung des Wissens und von den Möglichkeiten eines erfolgreichen Wissenstransfers überzeugt sind, ist es doch erstaunlich mit welchen Problemen viele Unternehmen zu kämpfen haben, damit sich das Nutzenpotenzial auch entwickelt. Unzählige Einflussfaktoren verhindern häufig einen effektiven Umgang mit der Ressource Wissen. Gerade in einer Periode in der Unternehmen mehr Menschen verlieren (wollen) als sie gewinnen (wollen), drängt sich die Frage nach den damit verbundenen Wissensbewegungen auf: Wie steht es um die Erhaltung von Wissen? Geht mit den Menschen auch das Wissen aus der Organisation? Welche Konsequenzen und Alternativen sind möglich? In der folgenden Aussage wird ein Problem deutlich formuliert: ‘An die freiwillige Abgabe von Wissen ist bei uns nicht zu denken. Besonders seit die Direktion die letzte Reengineering-Aktion durchgedrückt hat hütet jeder eifersüchtig sein Terrain. Hier läuft alles unter dem Motto: ‚Sich nur nicht überflüssig machen. wer weiß, wer beim nächsten Mal dran glauben muß’. (Abteilungsleiter eines Automobilzulieferbetriebes)’ (Probst et al. 1999, S. 223). Bei der Konzeption von Transfers gerät auch die Wissensselektion immer wieder ins Blickfeld. Denn auf Grund der Beanspruchung von Ressourcen durch den Transfer, ist es wichtig nicht jedes Wissen auch zu übertragen. Das heißt besonders das kritische Erfolgswissen sollte im Hinblick auf Fluktuation im Unternehmen gehalten werden. 3.3, Das organisationale Wissen als Reaktion auf Personalfluktuation: Auch bei Beachtung der obigen Schritte zum Umgang mit dem Wissenstransfer bei bzw. vor Personalfluktuation kann es immer wieder zu Problemen kommen, wenn einzelne Wissensträger die Organisation verlassen. Denn die Träger von individuellen Wissensbestandteilen können auch kurzfristig von anderen Unternehmen abgeworben werden und sind deshalb nicht unbedingt die Basis für strategische Wettbewerbsvorteile (vgl. Osterloh/Frost 2000, S. 59). Ein prominentes Beispiel zeigt, dass der Abgang einzelner Wissensträger, insbesondere in Richtung eines Konkurrenzunternehmens, kein Grund zur Freude ist. ‘Microsoft-Chef Steve Ballmer tobte. Er packte einen Stuhl schleuderte ihn quer durch den Raum gegen einen Tisch und schrie: ‘Ich werde, verdammt noch mal Google vernichten!’ Die turbulente Szene soll sich nach Aussage von Mark Lucovsky, einem ehemaligen Chefentwickler von Microsoft, ereignet haben, nachdem er im November vergangenen Jahres seinem Boss Ballmer mitgeteilt hatte, dass er künftig für die Suchmaschine Google arbeiten werde. Ballmer bestreitet, jemals in seinem Leben mit Stühlen geworfen zu haben. Mitte des Jahres bewies er zumindest, dass er weiteren personellen Aderlass in Richtung Google nicht tatenlos toleriert. Auf die Ankündigung des hochrangigen Microsoft-Managers Kai Fu Lee, ebenfalls zur Konkurrenz zu wechseln, strengte Ballmer einen Prozess an.’ (Hannemann et al. 2005, S.112). Die schlechte Planbarkeit einer Kündigung durch den Arbeitnehmer könnte nur über dauerhafte, langfristige Maßnahmen einigermaßen kompensiert werden. Eine Möglichkeit für den Umgang mit solchen Problemen wäre der Versuch, durch möglichst umfassende Kollektivierung von individuellen Wissensbestandteilen dem Verlust von wichtigem Wissen durch Fluktuation vorzubeugen. Allerdings kann organisationales Wissen nicht einfach als Summe allen individuellen Wissens verstanden werden, denn dann würde jegliche Personalfluktuation die Summe mindern. Eher trifft die Behauptung zu, dass Organisationen sowohl weniger, als auch mehr Wissen haben, als alle Organisationsmitglieder zusammen (vgl. z.B. Probst/Büchel, 1998, S. 19). Die Kollektivierung von individuellen Wissensbestandsteilen zur gemeinsamen Nutzung dieses Wissens ist eng mit der Idee des organisationalen Lernens verknüpft. Denn auch organisationales Wissen kann nur durch das gemeinsame Verinnerlichen von Abläufen und Handlungsfolgen aufgebaut werden. Das organisationale bzw. institutionelle Wissen kann auch in impliziter und expliziter Form vorliegen. Per definitionem ist es jedoch personenunabhängig in anonymisierten Regelsystemen abgelegt, die das Wirken eines Sozialsystems, hier einer Organisation, bestimmen. Beispielhaft können Leitlinien, Routinen oder Merkmale der Organisationskultur als Regelsysteme bezeichnet werden (vgl. Willke 1998, S. 16). Besonders aus diesen Gründen wird das kollektive Wissen als wettbewerbsrelevante Ressource eines Unternehmens betrachtet. Das besondere an organisatorischen Routinen ist zum Beispiel die aufeinander abgestimmte routinierte Reaktion ganzer Organisationseinheiten auf bestimmte Herausforderungen. Die beiden konkreten Wettbewerbsvorteile sehen Osterloh und Frost (2000) in der schweren Imitierbarkeit durch andere Unternehmen und der dennoch vorhandenen Transferierbarkeit innerhalb der Organisation. Damit ist einerseits gemeint, dass sich der hohe Anteil an implizitem organisatorischem Wissen nicht durch das Abwerben einzelner Personen übertragen lässt und andererseits die Routinen intern auf neue Organisationsmitglieder übergehen und für neue Produkte und Dienstleistungen verwendet werden können (vgl. ebd., S. 63). Wir wollen jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass das kollektive Wissen eine Organisation langfristig unabhängig von individuellen Wissensträgern machen kann. Allein der Rückgriff einiger Autoren auf das intuitive Wissen oder den Begriff Könnerschaft macht deutlich, dass es dennoch besondere individuelle Fähigkeiten gibt, die sich höchstwahrscheinlich nicht kollektivieren lassen. ‘Individuen bewirken durch ihre Abweichungen von den vorgegebenen Rollenverteilungen und Abläufen aber auch Innovation und Entwicklung. Sie formen nicht vorgesehene Kanäle des Datenaustauschs und der Kommunikation und bilden dadurch unverzichtbares soziales Kapital.’ (Schneider 2001, S. 24). So findet eine sehr gute Violinistin auch ein anderes Orchester, das mit ihr spielt oder ein herausragender Sportler einer Mannschaft, auch eine andere, der er zum Sieg verhilft. Organisatorische Lernprozesse dauern außerdem sehr lange, um eine wirkliche Wissensbasis aufzubauen (vgl. Osterloh/ Frost 2000, S.59). Viele Unternehmen sind deshalb auf der Suche nach Wegen, die den Wissensverlust bei Personalfluktuation kompensieren können. ‘Die systematische Bewahrung des Wissens von ausscheidenden Mitarbeitern für die Firma [BMW hinzugefügt von uns] bleibt eine weiterhin ungelöste Aufgabe. Nach geeigneten Methoden wird weiterhin geforscht.’ (Götz/Schmid 2004, S. 31). Zusätzlich wollen wir an dieser Stelle anmerken, dass Personalfluktuation nicht nur negative Effekte für die organisationale Wissensbasis mit sich bringt. So begünstigt eine Versetzung oder gar Entlassung häufig auch den heilsamen Prozess des ‘positiven’ Verlernens, der den Weg für das Wissen eines neuen Angestellten frei macht und zur Wissensevolution beiträgt (vgl. Probst /Büchel 1998, S. 52). Wir wollen im Folgenden näher auf die Herausforderung für das Management eingehen, die darin besteht, einen möglichst umfangreichen Übergang von individuellem Wissen in das organisatorische Wissen zu ermöglichen. Das heißt Transferchancen, die sich aus der aktuellen Belegschaft ergeben, zu nutzen und etwas von deren individuellen Wissen in eine kollektive Umgebung zu übertragen. Dazu gehört ein aktiver Umgang mit diesem Thema. Neben der schon erwähnten Koordinationsproblematik, sehen wir besonders die Lösung des Motivationsproblems als wichtige Voraussetzung für den Umgang mit Wissensverlusten durch Personalfluktuation an. Die Schaffung einer Motivationsatmosphäre, die einen stetigen Wissenstransfer ermöglicht und den Mitarbeitern Anreize für erfolgreichen Transfer bietet, kann einen besonderen Beitrag zur Erweiterung der organisationalen Wissensbasis liefern.
Markus Kepke, Dipl.-Kfm., wurde 1981 in Quedlinburg geboren. Felix Schuldes, Dipl.-Kfm., kam 1978 in Berlin zur Welt. Ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin schlossen die Autoren im Jahre 2006 mit dem akademischen Grad eines Diplom-Kaufmanns erfolgreich ab. Bereits im Studium beschäftigten sich die Autoren mit Managementthemen wie Organisation, Führung und Personalpolitik. Schon während ihrer Tätigkeiten als Werkstudenten konnten sie Beobachtungen zu Personalfluktuationen in verschiedenen Organisationen machen und ihre theoretischen Überlegungen empirisch untersuchen. In ihre Arbeit fließen viele persönliche Erfahrungen aus ihrem direkten Umfeld ein, wobei die Themen Pensionierung und Wissensverlust in Organisationen eine zentrale Rolle einnehmen.