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- Myanmar und ASEAN: Die Rolle der ASEAN im politischen „Wandel“ Myanmars
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 68
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Seit August 2011 überraschte die burmesische Regierung unter Staatspräsident Thein Sein internationale Beobachter mit einer ganzen Reihe demokratischer Reformen. Auch wenn es weiterhin zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in Myanmar gerade gegen Angehörige ethnischer Minderheiten kommt, sind erstmals – nach fünfzig Jahren Militärdiktatur - positive Veränderungen im Hinblick auf eine politische Liberalisierung des Landes und eine Verbesserung der Menschenrechtslage feststellbar. Die vorliegende Untersuchung fragt, wie dieser politische Wandel Myanmars seit 2011 zu erklären ist und beleuchtet dabei insbesondere die Rolle der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), in die Myanmar 1997 eingetreten war. So zeichnet sie die Beziehung zwischen der ASEAN und Myanmar von 1997 bis 2012 in ihren verschiedenen Phasen nach und analysiert, inwieweit die ASEAN als teacher of norms angesehen werden kann, welche durch Sozialisation zum politischen Wandel in Myanmar beiträgt.
Textprobe: Kapitel 3, ASEAN und Myanmar 2007 – 2010: ‘Forward engagement’ oder ‘disengagement’?: 3.1, Die Saffron Revolution und die ASEAN Charter: Im September 2007 rückte Myanmar in den Fokus der Weltöffentlichkeit, als das Militärregime von Mönchen angeführte friedliche Demonstrationen gewaltsam niederschlug. Angesichts der erheblichen internationalen Empörung, die die Brutalität des Regimes hervorrief, fühlten sich die anderen ASEAN-Staaten dazu genötigt, ihren gemeinsamen Standpunkt über die Entwicklungen in Myanmar klarzustellen. In ihrer Stellungnahme Ende September drückten die Außenminister ihren ‘Abscheu’ (‘revulsion’) über die gewaltsame Niederschlagung der Proteste aus, und forderten das Militärregime nachdrücklich zur Zurückhaltung und zu einer politischen Lösung der Krise auf. Außerdem riefen sie Myanmar zur Wiederaufnahme des nationalen Versöhnungsprozesses unter Beteiligung aller betroffenen Parteien, zur friedlichen Transition zur Demokratie, und zur Freilassung aller politischen Gefangenen einschließlich Aung San Suu Kyis auf. Dies stellte die emotionalste Äußerung und schärfste Kritik am Militärregime in Myanmar dar, die ASEAN bis dato veröffentlicht hatte, und verdeutlichte klar ihre Empörung über die blutige Niederschlagung der Proteste. Trotzdem lehnten die anderen ASEAN Staaten wirtschaftliche Sanktionen gegen Myanmar ebenso ab wie einen Ausschluss des Landes aus der Organisation. Stattdessen betonten sie, dass Myanmar ein Mitglied der ASEAN-Familie bleiben solle, da die anderen Mitglieder so ‘moralischen Druck’ auf Myanmar ausüben könnten. Die Diplomatie Singapurs, das zu diesem Zeitpunkt den ASEAN-Vorsitz inne hatte, bemühte sich im Folgenden um eine Einbindung Chinas und Indiens, um den Druck auf Myanmar zu vergrößern zudem hatten die ASEAN-Staaten in der Stellungnahme vom September ihre volle Unterstützung für die Vermittlungsrolle des UN-Sondergesandten, Ibrahim Gambari, ausgesprochen. Dieser wurde von Singapur eingeladen, die Staats- und Regierungschefs auf dem East Asian Summit (EAS) im November 2007 über die neusten Entwicklungen in Myanmar zu informieren. Doch Myanmar protestierte gegen das geplante Briefing mit dem Hinweis, dass es sich um eine innere Angelegenheit Myanmars handle, die unter das Nichteinmischungsprinzip falle, zudem sei Myanmar in der Lage die Situation selbst zu regeln. In diesem Zusammenhang wurden die inneren Differenzen unter den ASEAN-Mitgliedern deutlich, denn während Indonesien, Thailand, Malaysia und die Philippinen den burmesischen Protest mit dem Hinweis ablehnten, dass es sich längst nicht mehr um eine Problematik handle, die als innere Angelegenheit Myanmars betrachtet werden könne, stellten sich Vietnam, Laos und Kambodscha auf die Seite Myanmars. Am Ende wurde das Treffen mit Gambari auf dem EAS abgesagt und auch die Idee eines Briefing nur im ASEAN-Rahmen verworfen. Als Reaktion darauf machte Singapur (als ASEAN-Vorsitzender) in einer Stellungnahme klar, dass die ASEAN sich aus ihren diplomatischen Bemühungen um Myanmar zurückziehen werde: The ASEAN Leaders agreed that ASEAN would respect Myanmar’s wishes and make way for Myanmar to deal directly with the UN and the international community on its own. ASEAN stands ready to play a role whenever Myanmar wants it to do so. Angesichts der blutigen Niederschlagung der friedlichen Demonstrationen durch die Militärjunta lässt sich fragen, ob die Sozialisation Myanmars in die ASEAN zu diesem Zeitpunkt nicht als gescheitert angesehen werden kann. Denn die Militärjunta verstieß ganz offensichtlich gegen den Standards angemessenen Verhaltens der ASEAN einer friedlichen Transition zur Demokratie unter Einschluss aller Teile der Gesellschaft. Die anderen ASEAN-Staaten übten zwar schärfere Kritik an der Militärregierung Myanmars als je zuvor, die umso bemerkenswerter war, wenn man die normativen Grenzen des ASEAN Engagements (Nichteinmischungsprinzip) bedenkt. Doch abgesehen von der Stellungnahme im September und der Unterstützung der Vermittlungsrolle der UN erfolgte kein weiteres kollektives Engagement der ASEAN, um zur Lösung der politischen Krise in Myanmar in Einklang mit ihren Verhaltensstandards beizutragen. Und als sich mit Myanmars Opposition gegen das Briefing durch Gambari der Widerstand des Landes gegen eine aktive Rolle der ASEAN zeigte, die Militärjunta sich damit jeglichen (auch zukünftigen) Sozialisationsbemühungen von Seiten der ASEAN zu widersetzen schien, gab auch die ASEAN kollektive Anstrengungen Myanmar zu sozialisieren auf. Im Folgenden verwies sie nur noch auf die Vermittlungsrolle der UN und ihres Sondergesandten in Myanmar. Roberts charakterisiert dies als ‘mutual disengagement’: Myanmar lehnte ein Engagement der ASEAN ab, und die ASEAN kapitulierte in ihren diplomatischen Bemühungen den politischen Prozess in Myanmar zu beeinflussen. Die politische Krise in Myanmar erfolgte zudem zu einem höchst problematischen Zeitpunkt für die ASEAN, da die Organisation kurz vor der Verabschiedung der ASEAN Charter stand. In der ASEAN Charter bekennen sich die ASEAN-Staaten in einem rechtlich verbindlichen Dokument zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, der Wahrung von Grundfreiheiten und der Förderung und des Schutzes von Menschenrechten. Außerdem sehen sie die Einrichtung eines ASEAN Menschenrechtsorgans vor. Der ASEAN Gipfel im November 2007, auf dem die Charta verabschiedet wurde, wäre vor dem Hintergrund der Niederschlagung der Proteste in Myanmar die Gelegenheit gewesen zu zeigen, dass die ASEAN das Bekenntnis zu Menschenrechten aus der Charta ernst nimmt, indem sie entschiedene Maßnahmen gegen die Militärjunta ergreift. Doch stattdessen schlugen die ASEAN-Staaten auf diesem Gipfel sanfte Töne an, um die Unterzeichnung der Charta durch alle Mitgliedsstaaten einschließlich Myanmars nicht zu gefährden. Zwar meldeten Indonesien, die Philippinen und Thailand mit Hinblick auf die Situation in Myanmar Bedenken an und drohten die ASEAN Charter nicht zu ratifizieren, falls Myanmar keine Fortschritte hinsichtlich Demokratie und Menschenrechte mache, doch letztlich wurde die Charta von allen ASEAN-Staaten unterzeichnet und ratifiziert. So ließ der ASEAN-Gipfel Zweifel an der Ernsthaftigkeit und des Gewichts der Bekenntnisse zu Demokratie und Menschenrechten aufkommen und schwächte die Glaubwürdigkeit der ASEAN und ihrer neuen Charta. Gleichzeitig bot die ASEAN Charter mit ihrer rechtlich verbindlichen Verankerung von Menschenrechten und Demokratie der Organisation die Legitimation und das rechtliche Fundament dafür, den Druck auf Myanmar zu erhöhen und das Regime verstärkt zu demokratischen Reformen und zur Einhaltung von Menschenrechten zu drängen. Die Chancen auf eine Sozialisation Myanmars in die ASEAN im Hinblick auf Menschenrechtsnormen, wie sie sich Ende 2007/Anfang 2008 darstellten, erscheinen daher ambivalent: einerseits bestand nun in der Theorie eine neue normative Grundlage für die Bemühungen der ASEAN, als ‘teacher of norms’ zu wirken, dem gegenüber standen jedoch die Hilflosigkeit, die ‘appeasement’ Politik und das ‘disengagement’ in der Praxis der ASEAN gegenüber Myanmar in der jüngsten Vergangenheit.
Johanna Grotendorst, BA wurde 1988 geboren. Ihr Bachelorstudium der Staatswissenschaften an der Universität Passau und dem IEP Toulouse schloss die Autorin im September 2012 erfolgreich ab und studiert nun Internationale Beziehungen im gemeinsamen Master-Studiengang der Freien Universität Berlin, der Humboldt Universität Berlin und der Universität Potsdam.
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