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Soziologie

Tülay Sahan

Migration und Suchtverhalten. Ein Halay-Tanz-Forschungsprojekt

ISBN: 978-3-96146-557-6

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2017
AuflagenNr.: 1
Seiten: 136
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Diese Studie beschäftigt sich mit einem Halay-Tanz-Forschungsprojekt mit türkischen Frauen und richtet seinen Schwerpunkt auf die Zusammenhänge von Migration und Suchtverhalten. Musik und Tanz sind relevante Methoden in der Sozialen Arbeit. In dieser Untersuchung soll herausgestellt werden, welche Rolle sie im Leben der Frauen haben. Insbesondere der Klagegesang als türkisches Ritual wird dabei berücksichtigt. Gerade in der türkischen Gemeinschaft werden Suchtproblematiken nicht thematisiert, sondern zum Tabu erklärt. Aus Angst und Scham wird geschwiegen. Zugeschriebene Frauenrollen sowie Normen und Werte erschweren den Ausstieg aus dem Gewohnten zusätzlich. Kann der Halay-Tanz möglicherweise als Hilfestellung fungieren, um eine Veränderung zu bewirken?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4. Der Volkstanz in der Türkei: 4.1 Halay: Der Halay ist ein türkischer Volkstanz und wird in der gesamten Türkei bei allen gesellschaftlichen und kulturellen Ereignissen, wie Hochzeiten, Beschneidungsfeiern, religiösen Festen etc. getanzt. Dabei gibt es regionale Unterschiede bei den Namen, Figuren und Rhythmen. Der Halay hat, in jeder Stadt und in jedem Dorf, in dem er getanzt wird, einen unterschiedlichen Charakter in Stil und Musik. Unzählige Titel und Themen bestimmen die Form, Dynamik und den Inhalt. Häufig werden im Halay pantomimische Darstellungen ausgeführt. Einige Halaytänze werden durch den Gesang von Tanzenden begleitet, meistens sind es Frauen (vgl. Ali, 1984, S. 29 f.). Als ein Suitentanz, aus mehreren Figuren zusammengesetzt, wird er immer mit anderen Halay-Tänzen zusammen getanzt. Der Halay ist ein Gruppentanz mit mindestens drei Tänzern. Er wird ausgeübt sowohl von Frauen als auch von Männern. Wobei es regionale Unterschiede in Bezug auf das Tanzen von Frauen im öffentlichen Raum bzw. gemeinsam mit Männern gibt. Die äußerliche Tanzfassung, Halbkreis, Kreis oder Reihe kann recht eng sein. Beim Tanzen halten sich die Tanzenden einander an den Händen, am kleinen Finger oder an den Schultern. Dieses bringt die Tanzenden eng beieinander und soll `Zusammen sind wir stark` bedeuten. Währenddessen bewegen sich ihre Körper, Beine und Füße in einer disziplinierten Folge von abwechslungsreichen Rhythmen. Dabei wird vom Langsamen zur schnellen übergegangen (vgl. Keuth & Linnemann, 1985, S. 9 f.). Der Halaybasi führt den Halay, als der beste Tänzer der Gruppe. Seine Aufgabe beim Tanzen ist es den Wechsel der Figuren bzw. der Musik anzusagen. Dafür gibt es bestimmte Namen, die der Halaybasi ausruft (vgl. Ali, 1984, S. 29). Den Halay kennzeichnet seine Länge aus. Meist wird bis zur Ekstase oder völligen Erschöpfung getanzt (vgl. Keuth & Linnemann, 1985, S. 10). Gebräuchliche und unzertrennliche Begleitinstrumente sind Davul (Trommel) und Zurna (klarinettenartiges Blasinstrument). Fast alle Volkstänze können mit diesen beiden Instrumenten gespielt werden. Davul und Zurna werden immer zusammen gespielt (vgl. Özen, 1985, S. 21). 4.1.1 Davul: Die Davul ist eine doppelseitig, aus Schafs- oder Ziegenfellen bearbeitete Zylindertrommel. Dadurch ergeben sich klangliche Unterschiede. Die Spannung der Felle erfolgt durch verschiedenförmig geführte Schnüre. Dem Davul Spieler sind beide Arten geläufig, wobei er mit dem großen Schlegel (Tokmak) den Hauptakzent und mit dem dünnen Stöckchen (Cibik) Unterteilungsrhythmen schlägt (vgl. Ali, 1984, S. 94). In der Türkei sind drei unterschiedliche Arten der Davul bekannt. Die Koltuk Davul, eine kleine Trommel, ebenso die viereckige Davul, werden beide mit den Händen gespielt. Die normale Davul, hat einen Durchmesser von 50-28 cm und wird mit dem Schlegel und Stäbchen gespielt. Ausgestattet mit einem Riemen wird sie um die Schulter gehängt (vgl. Ali, 1984, S. 95). 4.1.2 Zurna: Die Zurna (Schalmei, Oboe) ist ein Blasinstrument, ähnlich der Klarinette und stammt aus Asien. Gespielt wurde sie anfangs von Zigeunern, Davul - Zurna Spiele sind aber mittlerweile in jeder Region der Türkei bekannt und vom Volk angenommen. Das Aussehen der Zurna ähnelt einer konisch gebohrten, primitiven Oboe. Nach unten hin wird sie breiter. Es gibt drei unterschiedliche Formen in der Türkei, die Kaba Zurna, Orta Zurna und Cura Zurna (große, mittlere und kleine Zurna). Die Zurna besitzt sieben frontale Grifflöcher und ein Daumenloch. Außerdem hat sie ein Doppelblättchen, hergestellt aus einem zusammengedrückten Schilfrohr. Davor befindet sich ein Metallblättchen. Der Spieler setzt seine Lippen darauf. Um mit einer speziellen Blas- und Atemtechnik die Zurna durchgängig zu spielen (vgl. Ali, 1984, S. 86). 4.1.3 Zusammenspiel von Davul und Zurna: Davul oyunlari sind türkische Trommeltänze zu der auch die Zurna spielt. Der Davul Spieler, als Solotänzer, übernimmt die musikalische Führung und schlägt dabei gleichzeitig beidhändig die Rhythmen. Am Anfang der Darbietung ist er über die Trommel gebeugt und schlägt sie langsam. Mit immer größerer Steigerung des Rhythmus und der Tanzfreude wird die Davul höher gehoben. Drehend und um sich wirbelnd wird sie im Kreis durchgehend bis zum Schluss geschlagen. Am Ende der Aufführung ist der Davul Spieler auf den Knien, mit dem Oberkörper soweit nach hinten gebeugt, bis der Kopf die Erde berührt (vgl. Schneider, 1985, S. 114 f.). Die bekanntesten Regionen des Davul - Zurna Gebietes sind Ankara, Bolu Kastamonu, Safranbolu und Kirsehir (vgl. Ali, 1984, S. 49). 5. Musik und Rituale der Türkei - Schwerpunkt Klagegesang: In der Türkei begleiten Musik und Tanz viele verschiedene Lebensumstände. Geburten, Beschneidungen, Verlobungen, Hennaabende, Hochzeiten etc., sind einige dieser besonderen Lebenssituationen. Alle Generationen der Bevölkerung nehmen an diesen festlichen Ereignissen teil und beteiligen sich bei den Tänzen. Besonders Halay und Ciftetelli sind beliebte Tänze, die bei feierlichen Anlässen ausgeführt werden. Zum Halay stellen sich die Tänzer in einer bestimmten Reihenfolge auf. Der beste Tänzer und die Älteren stehen am Anfang des Halay. Neben ihnen nehmen Familienangehörige und Verwandten ihre Tanzposition ein. Gefolgt von Freunden und Bekannten (vgl. Ali, 1984, S. 19). Der Ciftetelli ist ein gemeinschaftlicher, freier und kreativer Tanz, bei dem beliebige Bauchtanzelemente (Bauchrolle, Hüftbewegungen etc.) benutzt werden dürfen. Musikalisch betrachtet ist Ciftetelli lebhaft und fröhlich (vgl. Ali, 1984, S. 67 f.). Auf vielen Festen und Feiern dürfen die Davul - Zurna nicht fehlen. Besonders in Mittelanatolien und in einem kleinen Küstenbereich des Schwarzen Meeres werden sie zu allen festlichen Anliegen getanzt. Auffallend in diesen Regionen sind die verschiedenen Solotänze des Davul Spielers, der seinem Tanz und Trommel immer mehr Ausdruck verleiht und am Ende in Ekstase gerät. Der Köcek - Tanz ist eine besondere Form des Tanzes und wird von Männern ausgeübt. Männer verkleiden sich in Bachtanzkostümen als Frauen und tanzen Ciftetelli. Instrumente die den Köcek Tanz begleiten sind Davul und Zurna (vgl. Ali, 1984, S. 47). In den Tänzen werden Themen aus der Natur bzw. Tierwelt und auch Situationen des täglichen Lebens, des Arbeitsablaufes und besondere Vorfälle aufgegriffen. In Kars z.B. wird in dem Tanz `Uzun Dere` (der lange Bach) ein fließender Bach nachgeahmt. In Erzurum wird zu `Kavak` (die Pappel) getanzt. Es werden Kriege und Kämpfe tänzerisch dargestellt. Zwei Tänzer tanzen einen Säbelkampf nach dem Gesang der Gruppe. Zu einigen Davul - Zurna Spielen tanzen die Tänzer mit Dolchen. Natürlich bergen diese Art von Tänzen auch einige gefahren für die Ausübenden. Einige Tänze thematisieren die Beziehung zwischen Mann und Frau (vgl. Özen, 1985, S. 9 f). Je nach Region ändern sich das Tempo, die Variation und die Figuren der Tänze. In den klimatisch wärmeren Gebieten sind die Tänze langsamer. Bei enormen Temperaturunterschieden zwischen Tages- und Nachttemperatur, gibt es Übergänge von langsamen zu schnellen Schritten und umgekehrt. Harmonische Tanzbewegungen sind überwiegend in den Tänzen der regnerischen Gebiete zu beobachten. Kraftvoll und schwerfällig wird dagegen in kälteren Regionen getanzt. Die Beschaffenheit der Erdoberfläche spielt ebenfalls eine Rolle. In flachen Gebieten sind die Tanzbewegungen weiträumiger und gegen die Erde gerichtet. Bei so vielen regionalen Unterschieden können dennoch Grundmuster festgestellt werden, welche die Tänze gemein haben, z.B. in die Hocke gehen und den Oberkörper beugen (vgl. Özen, 1985, S. 10 f.). In der Türkei gehören über 90% der Bevölkerung der islamischen Religion an. Der Koran verbietet jegliche Art der Übertreibung und ausdrucksstarken Trauer. Demzufolge sind Klagelieder und Totenklagen nicht erlaubt. Mit Sicherheit existieren in der türkischen Kultur keine Totentänze (vgl. Reubke, 2008, S. 162). Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das Ritual Klagegesang dennoch ausgeübt wird. Totenklagen gehören zum Trauerritual und sind uralt. Einige Naturvölker üben dieses Ritual weiterhin aus. In der Geschichte Ägyptens, bei den Römern und den Chinesen konnte der Brauch der Totenklagen nachgewiesen werden. Bei der Literaturrecherche habe ich bemerkt, dass es zwischen griechischer und türkischer Trauerrituale Ähnlichkeiten gibt. Canacakis beschreibt in seinem Buch ausführlich die Trauerverarbeitung in Griechenland (vgl. Canacakis, 1982, S. 21). Das Klagelied weist folgende Strukturen auf: -Der Anfang wird mit einem Prolog eröffnet und dient als Einleitung (z.B. namentliche Anrede des Verstorbenen oder eine Zeitangabe etc.). -In der Mitte befindet sich eine Exegese (Aufsagen von Todesumständen, Anrufung des Toten etc.). -Zum Schluss wird ein Epilog durchgeführt (meist individuelle Aussagen über den Verstorbenen, Lob oder Kritik an den Toten, Benennung der Anwesenden) (vgl. Canacakis, 1982, S. 30). Nach dem Tod eines Menschen versammeln sich Familie, Verwandte, Freunde und Bekannte, um gemeinsam zu trauern. Frauen und Männer trauern getrennt, wobei die Totenklage ausschließlich von Frauen aufgeführt wird. Nach Canacakis haben früher auch Männer Klagelieder gesungen, was aber mit der Zeit der Moderne verlorengegangen sei. Bei der Trauer sitzen die Frauen beisammen. Ihre Kopftücher lösen sie, das Haar liegt frei und bedeckt das Gesicht. Ihre Körper, Arme und Hände bewegen sich begleitend. Die Totenklage kann sich hinaufsteigern, in einen tranceähnlichen Zustand. Viele der Frauen fallen in Ohnmacht. Zu beobachten sind auch Handlungen, wie an die Brust schlagen, Zerkratzen des Gesichts, Herausziehen der Haare etc.. Die trauernden Frauen sind selber nicht aktiv (singen nicht) unterstützen jedoch die Klagesängerin mit Ausrufen (vgl. Canacakis, 1982, S. 31).

Über den Autor

Tülay Sahan, Jahrgang 1974, hat ein erfolgreich abgeschlossenes Bachelorstudium im Bereich Sozialpädagogik/Soziale Arbeit. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende Erfahrungen mit Suchtkranken, unter anderem im Maßregelvollzug. Aus diesem Grund absolvierte sie zusätzlich Weiterbildungen zur Suchtberaterin und psychologischen Psychotherapeutin.

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