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- Migranten in der Polizei: Eine Studie zum aktuellen Stand der Integration von Migranten in den Polizeivollzugsdienst
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Ist es schon seit 1993 möglich, auch ohne die deutsche Staatsangehörigkeit in die Polizei einzutreten, so bewegt sich der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der Polizei nur im niederen Prozentbereich. Anhand intensiver Recherche und Datenauswertung ist es erstmals gelungen, den Migrantenanteil der Neueinstellungen (2007 bis 2012) für den Polizeivollzugsdienst eines Großteils der Polizei Dienststellen der Länder sowie des Bundes detailliert darzustellen. Angaben über den Anteil von Migranten am Gesamtpersonalbestand der Polizei liegen bis zum heutigen Tage nicht vor, so dass durch diese Studie erstmals mit besonderer Detailtiefe der Migrantenanteil innerhalb dieses Berufsfeldes beleuchtet werden kann. Auf eine intensive Betrachtung migrantenorientierter Werbung folgt eine Auswertung aktueller Forschung hinsichtlich der Erfahrungen und Akzeptanz von Migranten in Uniform. Durch strukturierte Interviews mit Polizeianwärtern, welche einen Migrationshintergrund aufweisen, konnte ein aktuelles Bild der Motivation und der Hemmnisse der Kombination Migration und Berufswahl Polizist/Polizistin gezeichnet werden.
Textprobe: Kapitel 5, Stand der Forschung: 5.1, Migranten in der Polizei: Entwicklung: Der Zugang zur Polizei ist in seinen Voraussetzungen aufgrund der Länderhoheit über die Polizei und die des Bundes über seine Polizeibehörden (Art. 73 Nr. 6 und 10 in Verbindung mit Art. 70 Absatz 1 GG) sehr unterschiedlich. Die grundlegenden Einstellungsvoraussetzungen unterscheiden sich von Behörde zu Behörde und weitere Verwirrung ergibt sich für Bewerber, falls diese keine deutschen Staatsangehörigen sind. Muss sich ein Bewerber deutscher Nationalität Gedanken über unterschiedliche Anforderungen an Schulnoten, Lebensalter und Körpergröße bei der Wahl der Behörde machen, wird dies für Bewerber mit MH noch um die unterschiedlichen Anforderungen/Restriktionen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit erweitert. Der Polizeidienst war Menschen mit MH lange verschlossen, da nur Beamter werden konnte, wer Deutscher im Sinne des Art. 116 Grundgesetz war. Migranten ohne deutschen Pass hatten somit keine Möglichkeit, sich für den Polizeivollzugsdienst zu bewerben. Eine erste Idee zu einer Veränderung der bestehenden Verhältnisse formulierte der damalige Berliner Innensenator Peter Ulrich, welcher im Jahre 1979 öffentlich die Überlegung kommunizierte, Türken auch ohne deutsche Staatsangehörigkeit in die Berliner Polizei einzustellen. Bemerkenswert ist hier, dass Ulrich bereits vor 34 Jahren auch einen Integrationsgedanken äußert und nicht nur das reine Interesse an Übersetzern und Kulturkennern betont. Bei dieser Überlegung blieb es zunächst, bis 1988 der Berliner Innensenator Kewenig die Möglichkeit schuf, auch ohne deutsche Staatsangehörigkeit in die Polizei eingestellt zu werden. Allerdings musste die deutsche Staatsbürgerschaft später in der Regel angenommen werden, um in das Beamtenverhältnis übernommen werden zu können. Diese Bemühungen, welche in der Presse differenziert kommentiert wurden, führten jedoch zu keiner nennenswerten Einstellungen, bis 1994 sollen nur sieben Beamte mit MH in die Berliner Polizei übernommen worden sein. Das Jahr 1993 stellte mit der Änderung des Beamtenrechts einen Umbruch dar, dessen Auswirkungen bis heute Geltung tragen. Rechtsextreme Gewalttaten, Polizeiskandale und der Vorwurf, die Polizei würde ausländerfeindlicher Haltung und rechter Gesinnung in ihren eigenen Reihen nicht ernst nehmen, führten zu einer Änderung des Beamtenrechts. Durch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder wurde, auf Initiative Baden-Württembergs hin, die deutsche Staatsbürgerschaft als zwingende Voraussetzung für die Berufung in das Beamtenverhältnis relativiert. 5.2, Das dringende dienstliche Interesse: Die 1993 angestoßenen Zugangserleichterungen finden sich heute im Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) wieder, welches nach der Föderalismusreform die Stellung der Beamten der Länder und Kommunen regelt. Maßgebend ist §7 BeamtStG, nach dessen Abs. 1 Nr. 1 nur Deutsche (im Sinne des Art. 116 GG), Staatsangehörige von EU-Staaten und Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie bestimmten Drittstaaten in das Beamtenverhältnis berufen werden dürfen. Somit können beispielsweise Polen als EU-Bürger in das deutsche Beamtenverhältnis berufen werden. Staatsangehörige aus der Türkei und Staaten der ehemaligen Sowjetunion etwa werden, da diese Staaten nicht unter vorgenannte Regelungen fallen, somit anderen Einstellungsmechanismen unterworfen. Die Ernennung von Beamten aus letztgenannten Personengruppen ermöglicht §7 Abs. 3 Nr. 1 BeamtStG, welcher auch Ausnahmen von Abs. 1 Nr. 1 ermöglicht, sofern ein dringendes dienstliches Interesse vorliegt. Das dringende dienstliche Interesse, in den 1960er Jahren als Ausnahmeregelung für die Einstellung ausländischer Wissenschaftler an deutschen Hochschulen geschaffen, ermöglicht den Zugang zum Beamtenverhältnis für Menschen mit MH und ohne deutsche Staatsangehörigkeit. § 1 BeamtStG definiert das Gesetz als Bundesrecht unmittelbar für die Beamten der Länder und Kommunen und es bedarf keiner Umsetzung in Landesrecht. Die Beamtengesetze der Länder und des Bundes bestimmen die jeweilige Entscheidungsinstanz hinsichtlich des § 7 Abs. 3 BeamtStG. Das dringende dienstliche Interesse ist Sache der Auslegung der jeweiligen Entscheidungsinstanz, also in letzter Konsequenz eine Frage der Ausrichtung der Landespolitik bezüglich Integration. So stellt Hunold dar, dass die eher konservative Landespolitik Bayerns dieser Auslegung ein wortwörtliches dienstliches Interesse überordnet. Die Einstellung von Ausländern dient vordringlich polizei- und kriminaltaktischen als integrativen Zielen. Die Einstellung von Migranten diene ausdrücklich nicht dazu, die Polizei zu multikulturalisieren, sondern folgt dem polizeilichen Bedarf nach Sprach- und Kulturkompetenz. Das funktional-instrumentelle Interesse der Polizei an Personen aus anderen Kulturkreisen und Sprachgebieten als Kulturscouts und Kulturkenner steht dem integrationspolitischen Ansatz gegenüber (vgl. Kapitel 5.7.1). Wobei, so ist festzuhalten, beide Ansätze sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern, im Idealfall eine Win-Win Situation darstellen können. Das Interesse an Sprach- und Kulturkenntnissen ist per se nicht negativ, erhält aber ein instrumentalisierendes Negativimage wenn es den Integrationsgedanken ausschließend allein auf die Funktion des Migranten in der Polizei beschränkt wird. Gleichfalls wäre es wiederum realitätsfremd, wenn persönliches Spezialwissen, über welches manche Bewerber mit MH verfügen, gänzlich außer Acht gelassen werden würde. Ebenso unrealistisch wäre es, die Kompetenzerwartungen bezüglich Sprache und Kulturerfahrung so zu manifestieren, als dass diese über die Auslegung des dringenden dienstlichen Interesses bestimmen. Letztlich sind weder alle Bewerber mit MH in den Sprachen ihrer Bezugsländer flüssig in Wort und Schrift noch unbedingt in den ihnen zugeschriebenen Kulturkreisen so sozialisiert, wie die Organisation Polizei es von ihnen erwarten mag. 5.3, Das dringende dienstliche Interesse in Bremen: Da die Erhöhung des Anteils von Menschen mit MH in der öffentlich Verwaltung Bremens eine politisch formulierte Leitlinie ist, dürfte eine Auslegung des § 7 Abs. 3 BeamtStG auch in diesem Sinne erfolgen. Rechtsgrundlage für diese Ausnahmen ist § 8 Bremisches Beamtengesetz (BremBG), nach dem Ausnahmen gemäß § 7 Abs. 3 BeamtStG durch den Senat zugelassen werden können. Bezüglich der Auslegung der Rechtsvorschriften im Einzelfall finden sich keine schriftlich fixierten Vorgaben. Da das Land Bremen sich jedoch mit seinem Entwicklungsplan Partizipation und Integration eine politische Leitlinie zur Erhöhung des Migrantenanteils in der öffentlichen Verwaltung auferlegt hat, ist zu vermuten, dass die Auslegung des dringenden dienstlichen Interesses einer gewissen Großzügigkeit unterliegt. Qualifizierte Bewerber mit anderen Staatsangehörigkeiten als der deutschen oder eines Staates der Europäischen Union werden generell zum Auswahlverfahren zugelassen. Sofern sich ein Bewerber in diesem Verfahren soweit durchsetzen konnte, als das eine Einstellung in den Polizeidienst möglich und auch beabsichtigt ist, wird durch die Polizei Bremen mittels Antrag beim Senator für Inneres, Kultur und Sport um Entscheidung ersucht, ob für die Einstellung dieses Bewerbers auf das Vorliegen des dringenden dienstlichen Interesse erkannt wird. Den, dem Verfasser vorliegenden, Informationen zufolge ergehen in diesem Sinne durch die genannte senatorische Dienststelle durchweg positive Bescheide. Zumindest ist der zuständigen Abteilung der Polizei Bremen kein Fall bekannt, in dem ein dringendes dienstliches Interesse verneint und die Einstellung eines qualifizierten Bewerbers im Sinne des § 8 BremBG in Verbindung mit § 7 Abs. 3 BeamtStG abgelehnt wurde. Die von der Polizei Bremen als Einstellungsvoraussetzung für Bewerber ohne deutsche oder andere EU-Staatsangehörigkeit geforderte Einbürgerungszusage der Bundesrepublik Deutschland stellt nach Angaben der zuständigen Stelle der Bremer Polizei die Absichtserklärung der jeweiligen Ausländerbehörde (des Wohnortes des Bewerbers) dar, dass eine Einbürgerung erfolgen kann. Diese Zusage, nicht die Einbürgerung, muss bis zur Einstellung vorliegen. Bedeutsam ist, dass keine Feststellung getroffen werden kann, was geschieht, wenn der nunmehr eingestellte Anwärter selbst auf eine Einbürgerung verzichtet und auf seiner originären Staatsangehörigkeit beharrt. Einen solchen Fall habe es in Bremen noch nicht gegeben, so dass keine Aussage getroffen werden kann, wie und in welcher Weise, gegebenenfalls verwaltungsrechtlich, in einer solchen Konstellation gehandelt werden wird. In Ermangelung eines vorliegenden Präzedenzfalls, kann nur vermutet werden, dass die vorherige Bejahung des in der Person des Anwärters liegenden dringenden dienstlichen Interesses bei Nichtannahme der deutschen Staatsbürgerschaft nur schwerlich widerrufen werden kann. Gegen eine spätere Verpflichtung zur Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft spricht, dass es in der Polizei Bremen zurzeit vier Beamte mit Staatsbürgerschaften außerhalb der Europäischen Union gibt (zweimal Türkei und je einmal Schweiz und unbekannt). Eine andere als die deutsche Staatsbürgerschaft wird in der Polizei Bremen erfasst, so dass entsprechende Daten vorlagen. Da die Polizei Bremen aus datenschutzrechtlichen Gründen den MH der Mitarbeiter nicht erfasst (siehe Kapitel 5.5), dürfte diese Aufstellung aus administrativen und beamtenrechtlichen Gründen geschehen sein. Weitere Auskünfte, besonders hinsichtlich der unbekannten Staatsbürgerschaft, konnten aus Gründen des Datenschutzes nicht erteilt werden. Andere Hürden gibt es für Bewerber, die weder die deutsche noch die Staatsangehörigkeit eines EU-Landes besitzen, in Bremen nicht mehr. Die in der Vergangenheit geforderte Bilingualität, in diesem Zusammenhang die zusätzliche Beherrschung der Muttersprache in Wort und Schrift, wird nicht mehr verlangt. Auch Sonderbehandlungen, wie eine spezielle Förderung von aussichtsreichen Kandidaten (etwa Mehrsprachigkeit) werden nicht mehr durchgeführt, obwohl es diese in der Vergangenheit in Einzelfällen gegeben hat. Der Bereich der rechtlichen Situation von Bewerben und späteren Beamten mit MH in Bremen wird Veränderungen und zukünftigen Entwicklungen unterworfen sein. Die Auslegung des dringenden dienstlichen Interesses wird augenscheinlich großzügig gehandhabt, wofür die schweizerische Staatsangehörigkeit eines Beamten spricht, und die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft durch Nicht-EU-Bürger scheint nicht durchgesetzt zu werden. Ob derartige Konstellationen in Bremen, wobei die Wahrscheinlichkeit bei geringen Einstellungszahlen und überschaubaren zukünftigen Einstellungen als gering anzusehen ist, zu einer juristischen Klärung führen werden, ist fraglich. Insbesondere, weil dies augenscheinlich seitens Bremen nicht beabsichtigt ist.
Felix Regge ist Diplom Verwaltungswirt (FH) und erwarb weiterhin den Master of Arts in Kriminologie und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum.
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