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- Kulturelle Identitätsbildung in der Weltmusik. Stuart Halls Theorie im Kontext der Musikerin Hindi Zahra
Soziologie
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2020
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts wird das Kulturgut Musik zwischen einem Spannungsfeld der Homogenisierung der populären Musikkultur und dem Erstarken lokaler und regionaler Kulturen verortet. Beide Aspekte stellen Bezugspunkte für kulturelle Identitäten dar. Weltmusik scheint als musikalisches Genre eine Antwort auf diesen komplementären Gegensatz zu bieten. Dieses Buch untersucht anhand drei erarbeiteter Thesen über kulturelle Identitätsbildung, wie diese auf diskursiver, kollektiver und individueller Ebene in der Weltmusik stattfindet. Hierfür dient das theoretische Werk von Stuart Hall als Fundament. Weltmusik wird in diesem Zuge als euro-zentrisches Konstrukt demaskiert und aus postkolonialer Perspektive betrachtet. Anschließend wird eine exemplarische Analyse anhand der Musikerin Hindi Zahra – insbesondere ihres Albums Homeland – durchgeführt. Dabei wird die Frage beantwortet, ob sich Weltmusik konkret vom kulturellen Imperialismus hin zu einem komplexen und vielschichtigen Konzept entwickelt, das als populäre Musikform den prozesshaften Charakter der kulturellen Identitäten der Gegenwart auffangen kann.
Textprobe: Kapitel 2.2, Diskursive, repräsentierte und konstruierte kulturelle Identitäten: These 1: Kulturelle Identitäten sind diskursiv und somit sowohl repräsentiert als auch konstruiert. Sie bilden sich durch Differenzen. Der Blick auf den Anderen hat den Blick auf sich selbst zur Folge. Durch die Abgrenzung oder die Identifikation mit dem Anderen konstituiert sich die eigene kulturelle Identität. Dies ist ein unabgeschlossener Prozess. Das Kenntlichmachen von Differenzen ist zunächst essentiell für diverse Formen von Bedeutungen über Kultur und Identität. Sowohl in der Linguistik, der Sprachtheorie, der Anthropologie als auch in der Psychoanalyse muss Differenz benannt werden, um Dinge zu klassifizieren und zu identifizieren. Nur mittels der symbolischen Grenzen, die aus der Organisation der Differenzen entsteht, kann das Eigene und das Andere positioniert und somit konstituiert werden (vgl. Hall 2008a: 118 ff.). Die Kennzeichnung von >Differenz< ist die Basis der symbolischen Ordnung, die wir Kultur nennen. (Hall 2008a: 119) Dabei sind die symbolischen Grenzen jedoch nur scheinbar fest. Im Grunde werden sie bezüglich jeder Bedeutung in jeder Situation von jedem Subjekt neu ausgehandelt. Hall erläutert diese Funktionsweise endloser Konstruktion von kulturellen Identitäten durch Differenz anhand Jacques Derridas Begriffsschöpfung der différance. Differenz wird hier im Französischen bewusst anders geschrieben, um das herkömmliche Verständnis des Begriffes zu stören, das Wort in Bewegung zu setzen und so die mögliche Inspiration zu neuen Bedeutungen widerzuspiegeln. Auf zweiter Ebene hinterfragt Derridas différance weiterhin die Konzeption binärer Oppositionen, die Bedeutungen und Repräsentationen innerhalb symbolischer Ordnungen ihren Halt geben. Derridas Bedeutungen – kultureller Identitäten – sind so nie abgeschlossen, verschieben sich kontinuierlich, fügen hinzu und ergänzen (vgl. Hall 2002d: 33 f.). Hall spricht in einer Vielzahl seiner Werke von Repräsentationsregimen. Damit meint er die Resultate von Diskursen, die selbst Bedeutungen schaffen. Repräsentationsregime entstehen durch symbolische Macht. Sie bezeichnet die Macht, Dinge zu kennzeichnen, zu klassifizieren, zu ritualisieren und zu repräsentieren (vgl. Hall 2008a: 145 f.). Innerhalb solcher Repräsentationsregime werden ebenso kulturelle Identitäten kreiert. Said beschreibt in seiner Studie Orientalism aus dem Jahre 1978 die Ausübung solcher symbolischen Macht, die zu symbolischer Gewalt wurde und erklärt, wie der ‘Orient’ symbolisch konstruiert wurde (vgl. Said 1978). Dem ‘Orient’ wurde also durch einen Diskurs, dem Repräsentationen über den ‘Orient’ innewohnen, eine kulturelle Identität zugeschrieben. Die kulturelle Identität ist diskursiv. Das bedeutet, dass die Konstruktion kultureller Identitäten stets auch eine Frage von Machtverhältnissen darstellt. Die Basis von Repräsentationsregimen bilden die aufgestellten symbolischen Grenzen des Machtvollen für die eigene kulturelle Identität. Spivak erklärt in Other Worlds. Essays in Cultural Politics, dass in diesem Moment Rassismus als epistemische Gewalt des Diskurses über den Anderen funktioniert (vgl. 1987). Hier spiegeln die Stereotypisierungen, die Sexualisierungen, die Rassisierungen, die Ethnozentrierungen und die Diskriminierungen von kulturellen Identitäten, die Repräsentationsregimen innewohnen und leicht als Wahrheiten über kulturelle Identitäten verbreitet und als solche angenommen werden können, große Gefahren wider. Naturalisierungen, Essentialisierungen und Reduktionen bilden hier für Hall die zentralen Effekte, um Differenzen als Stereotype zu verkennen (vgl. Hall 2008a: 143). >Naturalisierung< ist deshalb eine Strategie der Repräsentation, die dazu da ist, >Differenz< festzuschreiben, und sie so für immer zu sichern [sic!]. (Hall 2008a: 130) Auch Bhaba erläutert in seinem Werk the location of culture, dass kulturelle Identitäten keinen wesenhaften Kern haben, sondern durch Differenzen konstruiert sind und auf Grundlage dessen, was sie ausschließen, aufbauen. Sie sind nicht natürlich oder ursprünglich (vgl. 2000). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Bedeutungen kultureller Identitäten offen für Neudeutungen sind. Die kulturellen Identitäten sind also fluid. Gleichzeitig werden kulturelle Identitäten in den Repräsentationsregimen im Rahmen von Diskursen definiert und festgeschrieben. Ungleiche Machtverhältnisse führen hier zu einem unausgeglichenen Dialog über die Bedeutungen der kulturellen Identitäten und haben in ihrer Konsequenz diverse Stereotypisierungen zur Folge.
Svea-Lynn Waldeck wurde 1995 geboren und ist in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Nach einem einjährigen Weltwärts-Freiwilligendienst in Buenos Aires/Argentinien, studierte sie Kulturwissenschaften und Digitale Medien an der Leuphana Universität in Lüneburg und an der französischen Université Bordeaux de Montaigne. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen in der Musikbranche und engagierte sich aktiv in der Organisation und Gestaltung von Antirassismus- und Musikfestivals. Darüber hinaus wirkte sie als Teamerin und Referentin für Globales Lernen und interkulturelle Kompetenzen in verschiedenen Projekten. Fasziniert von der Musik als Kommunikations- und Identifikationsmittel, motivierten diese Erfahrungen die Autorin dazu, das Thema und das Konzept Weltmusik im vorliegenden Buch zu hinterfragen und zu erfassen. Svea-Lynn Waldeck lebt und arbeitet derzeit in Nantes/Frankreich.
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