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- Kindheitstraumata durch Vernachlässigung: Auswirkungen und Folgen traumatischer Ereignisse auf die Kindesentwicklung
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Ein Trauma wird durch ein belastendes Ereignis oder eine Situation hervorgerufen. Es handelt sich hierbei um eine außergewöhnliche Bedrohung für die betreffende Person. Für Kinder ist ein traumatisches Erlebnis gravierender als für Erwachsene, denn ihr Selbst- und Wertverständnis ist noch nicht mit dem eines Erwachsenen vergleichbar. In der vorliegenden Arbeit wird die Wirkungsweise traumatischer Erlebnisse bei Kindern, speziell die der Vernachlässigung, geschildert. Die gesunde Entwicklung des Kindes wird der Entwicklung nach einem vorangegangenen Trauma gegenübergestellt. Risiken und schützende Faktoren der kindlichen Entwicklung werden anhand von Studien erläutert. Der Begriff der Resilienz, geprägt durch die Befundlage von Emmy Werner, wird näher betrachtet. Die Diskussion, ob sich ein Kind trotz eines traumatischen Erlebnisses, wie der Vernachlässigung, gesund entwickeln kann und damit einhergehend ein sicheres Bindungsverhalten entsteht, ist der Mittelpunkt dieser Arbeit.
Textprobe: Kapitel 3, Das traumatisierte Kind und seine Umwelt: ‘Von der Wiege bis zur Bahre fühlen wir uns alle am glücklichsten, wenn unser Leben als Reihe von Exkursionen organisiert ist, die kürzer oder länger dauern und von einer sicheren Basis ausgehen, die von unseren Bindungspersonen bereit gestellt wird.’ (Bowlby, 1988, S. 21) Bowlby (1988) beschreibt die Unterstützung der Bindungsperson als einen wichtigen Faktor für ein Kind, wenn sich dies in einer belastenden Situation befindet. Ein traumatisches Erlebnis kann weit reichende Wirkungen auf die kindliche Entwicklung haben und diese stark beeinträchtigen. Im Falle der Vernachlässigung des Kindes werden bestimmte lebensnotwendige und entwicklungsfördernde Aufgaben und Handlungen seitens der Eltern schlichtweg unterlassen. Die Interaktion zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson ist gestört. Dies kann verschiedene kurz- oder langfristige Folgen für das Kind haben. Diese Folgen wurden im vorherigen Kapitel beschrieben. Besonders hinsichtlich der Bindungsentwicklung lassen Auswirkungen feststellen, denn 80% der misshandelten Kinder entwickeln eine Bindungsdesorganisation (Cicchetti et al., 1995). ‘[…] bindungstheoretisch und lerntheoretisch ist anzunehmen, dass die Erfahrung von Misshandlung und Vernachlässigung, die in krassem Gegensatz zu den kindlichen Bedürfnissen stehen, die Entwicklung eines uneinfühlsamen und feindseligen Verhaltens fördert. Dementsprechend zeigt sich, dass misshandelte Kinder Probleme mit der Emotionsregulation, mit Aggression und Empathie aufweisen.’ (Cicchetti, 1992, zitiert von Bender, 1999, S. 44). Aufgrund der bisherigen Befundlage von Cicchetti et al. (1995) könnte angenommen werden, dass durch das Fehlverhalten der Bezugsperson eine gesunde Bindungsentwicklung beim Kind nicht möglich ist. Brisch (1999) teilt diese Auffassung und bezieht sich hierbei auf Main und Hesse. ‘Desorganisiertes/ desorientiertes Verhalten ist immer dann zu erwarten, wenn das Kind sich besonders vor seinen primären, sicheren Zufluchtsorten, d.h., den Bindungsfiguren fürchtet.’ (Bowlby zitiert in Main & Hesse, 1999 in Brisch, 1999, S. 224) Dies wirft die Fragestellung auf, wie sich ein traumatisches Erlebnis, wie die Vernachlässigung in der Kindheit, auf den weiteren Entwicklungsverlauf, speziell auf die Entwicklung des Bindungsverhaltens, auswirkt. Ist durch die Einwirkung eines Traumas die Bindungsentwicklung so weit beeinträchtigt, dass ein Kind kein gesundes Bindungsverhalten entwickeln kann? In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass es einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung eines desorganisierten Bindungsmusters bei Kindern und zuvor erlebten traumatischen Ereignissen, die nicht richtig verarbeitet wurden, gibt. Eine Metaanalyse aus 80 Studien mit 6.282 Eltern-Kind-Dyaden und 1.285 als desorganisiert gebunden klassifizierten Kindern ergab folgende Ergebnisse (van Ijzendoorn et al., 1999): ‘In nicht-klinischen Stichproben beträgt der Anteil an Kindern mit desorganisiertem Bindungsmuster 15 %, wobei er in niedrigeren sozialen Schichten je nach Messinstrument zwischen 25–34 % variiert. In klinischen Stichproben zeigen Kinder mit neurologischen Auffälligkeiten zu 35 % desorganisierte Bindungsmuster und Kinder von alkohol- oder drogenabhängigen Müttern zu 43 %. Den höchsten Anteil desorganisiert gebundener Kinder, nämlich 48–77 %, hatten misshandelnde Eltern. Faktoren wie etwa Konstitution und Temperament sowie das Geschlecht ergaben keinen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung eines desorganisierten Bindungsmusters. Der stärkste Prädiktor für eine desorganisierte Bindung ist die Kindesmisshandlung’ (siehe auch Lyons-Ruth & Block, 1996 Brisch, 2008, S.100). Demgegenüber gibt es Forschungsstudien, zum Beispiel die Kauai-Längsschnittstudie (Werner, 2000), welche belegen, dass eine sichere Bindung in der Kindheit ein wesentlicher Schutzfaktor für den weiteren Entwicklungsverlauf des Kindes liefert. Durch diese Befunde ausgelöst, komme ich zu der Annahme, dass ein Kind ein sicheres und gesundes Bindungsverhalten entwickeln kann, wenn es Unterstützung durch sein soziales Umfeld erhält bzw. wenn es vor dem traumatischen Ereignis bereits eine sichere Bindung zu einer Bezugsperson hatte. In den nachfolgenden Abschnitten soll geklärt werden, inwieweit die Vernachlässigung als ein traumatisches Erlebnis des Kindes, körperlich oder auch psychisch, auf die kindliche Entwicklung und ganz speziell die Bindungsentwicklung wirkt. Hierzu gibt es zwei wichtige Thesen: These 1: Trotz der Erfahrung eines traumatischen Erlebnisses, kann sich ein Kind gesund entwickeln, wenn zuvor eine sichere Bindung vorhanden war. Somit bildet mindestens eine vorhandene gute Bindung einen Schutzfaktor für eine gesunde psychische Entwicklung. Diese sichere Bindung kann aus -der Herkunftsfamilie/ ein Elternteil -dem weiterer Familienkreis oder von -einer externen Pflegeperson kommen. These 2: Das Kind kann nach einem erlebten Trauma eine gesunde Bindung entwickeln bzw. sich gesund entwickeln, wenn die nötige Unterstützung durch Familie, soziales Umfeld und/ oder Therapie gewährleistet wird. Im Folgenden werden einige Längsschnittstudien vorgestellt, die sich mit den Risiken kindlicher Entwicklung auseinandersetzen. Diese empirischen Untersuchungen dienen der näheren Erläuterung und Untermalung der Thesen. Um eine Einsicht in die kindliche Entwicklung zu bekommen sind Studien vonnöten, welche das Kind und seine Entfaltung über einen längeren Zeitraum begleiten. Auf diese Weise lassen sich Zusammenhänge zwischen der physischen und der psychischen Gesundheit aufzeigen. Längsschnittstudien sind in der Entwicklungs- und Lebenslaufpsychologie besonders gut geeignet. Es handelt sich um wiederholte Messungen an den gleichen Probanden. Längsschnittliche Untersuchungen zeigen mögliche Resilienz und Schutzfaktoren für den Entwicklungsverlauf. Hier können körperliche und/ oder psychische Erkrankungen, sowie Einflussgrößen der Entwicklung über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Allerdings weist diese Untersuchungsmethode nicht nur Vorteile auf, denn es handelt sich immer um einen sehr langen Untersuchungszeitraum. Dadurch könnten viele Störfaktoren auftreten. Die Qualität bereits gewonnener Informationen kann durch sich weiter entwickelte und später am gleichen Probanden angewandte Forschungsmethodik verzerrt erscheinen. Außerdem ist eine derartige Untersuchung recht teuer und arbeits-, sowie zeitintensiv. Aus diesem Grund müssen die methodischen Standards vor Beginn der Untersuchung gut ausgewählt und unbedingt eingehalten werden, sodass die richtigen bzw. notwendigen Einflusskriterien, welche untersucht werden sollen, herausgearbeitet werden (Meyer- Probst & Teichmann, 1984).
Nadine Kaika, M. A., wurde 1984 in Potsdam geboren. Ihr Studium der Erziehungswissenschaft und Allgemeinen Linguistik an der Technischen Universität Berlin schloss die Autorin 2011 mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen bei Ihrer Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe.
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