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- Inszenierung der Massen im politischen Film: Griffith, Eisenstein und Riefenstahl im Vergleich
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 72
Abb.: 20
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Thema dieses Buches ist die Inszenierung der Massen im politischen Film. Den Ausgang der Untersuchung bilden drei Filmbeispiele, nämlich David W. Griffths ‚The Birth of a Nation‘ (1915), Sergej M. Eisensteins ‚Bronenosets Potyomkin‘ (1925) und Leni Riefenstahls ‚Triumph des Willens‘ (1935). Die filmwissenschaftliche Analyse von jeweils einer Szene pro Film wird anschließend auf Elias Canettis Massendefinition in seinem Werk ‚Masse und Macht‘ (1960) bezogen. Da allen drei Filmen eine starke Propagandaabsicht nachgesagt wird, stellt sich die Frage, ob sich Masseninszenierungen durch ihren Überwältigungscharakter speziell dafür auch im Film instrumentalisieren lassen. Die ausgewählten Filmbeispiele sind Meilensteine der Filmgeschichte, v. a. bekannt durch die enorm manipulative Bildkraft der Inszenierungen. Das Thema bleibt bis heute aktuell, da politische Ideologien auch heute noch und v. a. durch das Medium Film verbreitet werden. Dieser Analyse wird eine geschichtliche Reflexion über Masseninszenierungen, von den gigantischen Zeremonien der Olympischen Spiele zu den Bewegungschören der Fest- und Freiluftkultur des 20. Jahrhunderts bis zu den Machtinszenierungen der Nationalsozialisten, vorangestellt.
Textprobe: Kapitel 2.6, Masseninszenierungen des NS-Regimes: Masseninszenierungen spielten bei der Selbstdarstellung des NS-Regimes eine große Rolle, sei es in den kleinen Propagandagruppen vor 1933 (vergleichbar mit sozialdemokratischen Agitprop-Gruppen), oder in Massenspielen mit 3000 bis 17000 Akteuren, Thingspielen, NS-Feiern und insbesondere den Reichsparteitagen. Die Thingspielbewegung (1933-36) schuf Weihe- und Massenspiele in der Tradition von Mysterien- und Passions-Spielen, in denen die Volksgemeinschaft sich auf einer amphitheatralen Bühne manifestieren sollte. In den Thingspielen, die sich aus der Freilicht-Theaterbewegung der 1920er Jahre, der katholischen Laienspielbewegung, der Jugend- und Lebensreformbewegung und dem kommunistischen Agitproptheater entwickelten, wurden v. a. Themen der nationalen Revolution inszeniert, insbesondere der Mythos von Tod und Wiedergeburt der Nation, oftmals dargestellt in stereotypischen Wunsch- und Feindbildern . Die Ästhetik der Thingspiele war gekennzeichnet durch gigantische Gesangs-, Sprech- und Bewegungschöre (mit etwa 3000 Akteuren), den Einbezug von Pantomime und Allegorien, Fahnenweihen, Paraden und Märschen, Ausdruckstänzen sowie Schall- und Beleuchtungseffekten. Die Vorbildfunktion der Massenregie Max Reinhardts und Erwin Piscators ist nicht zu verkennen, zumal Joseph Goebbels versuchte beide als Regisseure für die Thingspielbewegung zu gewinnen. Im Unterschied zu den NS-Feiern war die auf der Bühne repräsentierte Volksgemeinschaft in den Thingspielen eine selbstorganisierte und selbstorganisierende, die das Führerprinzip ausblendete. Mit dem Ende der Thingspielbewegung 1935/36 verlagerte das NS-Regime die Selbstinszenierung der nationalsozialistischen Ideologie zunehmend auf NS-Feiern. Das ‘Parteifeierjahr’ wandelte kirchliche Feiertage in nationalsozialistische um und schuf zudem neue, die mit historischen Daten des NS-Regimes zusammenhingen. So wurde z. B. der 30. Januar zum ‘Feiertag der Machtübernahme’, der 1. Mai zum ‘nationalen Feiertag des deutschen Volkes’ und der 9. November zum ‘Gedenktag für die Gefallenen der nationalsozialistischen Bewegung’. Der ‘Tag der Machtübernahme’ wurde mit einem stundenlangen Fackelzug von 22000 formierten Mitgliedern der SA und des Stahlhelms (dem Bund der Frontsoldaten) mit Fahnen und Musikkappellen vom Brandenburger Tor zur Reichskanzlei und zum Reichspräsidentenpalais gefeiert. Zum Geburtstag des Führers am 20. April (ab 1939 offizieller Feiertag) wurden öffentliche Gebäude mit Fahnen und Flaggen geschmückt und eine fünfstündige Militärparade mit SS und Teilen der Wehrmacht durchgeführt. Der ‘Gedenktag für die Gefallenen der Bewegung’ am 9. November wurde durch einen ‘historische[n] Marsch’ zur Feldherrnhalle gewürdigt. Die Marschroute war mit 16 Pylonen abgesteckt, in denen die Namen der Gefallenen eingraviert waren. Der Marsch wurde von Hitler und den damals am Hitler-Ludendorff-Putsch Beteiligten mit der ‘Blutfahne’ in Begleitung von Trommelwirbel angeführt. Beim Passieren der Pylonen wurden die Namen der Gefallenen aufgerufen. Darauf ertönte das Horst-Wessel-Lied über Lautsprecher, beim Ankommen an der Feldherrnhalle folgten 16 Kanonenschüsse für die Gefallenen. 1935 wurden am Königsplatz zwei Ehrentempel mit jeweils acht gusseisernen Sarkophagen aufgebaut. Anschließend wurde eine Totenehrung inszeniert, die Särge der Gefallenen in einem Triumphzug zum Reichspräsidentenpalais getragen und bestattet. Die Gefallenen wurden so zu Märtyrern der Bewegung stilisiert. Im Gegensatz zu den Thingspielen waren die NS-Feiern komplett auf Hitler ausgerichtet. Die an den Masseninszenierungen Beteiligten bildeten seine Gefolgschaft und waren keine selbstorganisierte Volksgemeinschaft, wie in den Thingspielen suggeriert wurde. Die Reichsparteitage der NSDAP (1923-38) bildeten den Höhepunkt der nationalsozialistischen Selbstinszenierung durch Aufmärsche und Paraden der SA, SS, HJ, des RAD und anderer Organisationen sowie der Heerschau durch die Wehrmacht (seit 1934 ). Das fahnengeschmückte Nürnberg wurde zur Kulisse der Reichsparteitage, die mit Massenkundgebungen, Weihestunden, Appellen, Waffenschauen, Massenritualen, Treueschwüren, Totenehrungen etc. als Gesamtkunstwerk durch die Verwendung sakraler und militärischer Ausdrucksformen, theatralischer Inszenierungspraktiken und einer ‘Kolossalarchitektur’ konzipiert waren. Massenaufmärsche, einstudierte Sprechchöre, Gesangschöre und Beleuchtungseffekte machten die Reichsparteitage der NSDAP zum Thingspiel in Perfektion und zum Sinnbild der Massenmobilisierung. Die Masseninszenierungen des Nationalsozialismus verwirklichten sich im Massenkult, ‘einer Liturgie aus Feuer, Ritus und Symbolik.’ Dabei war der Nationalsozialismus der ‘gesellschaftliche Ordnungsfaktor’.
Marina Bendocchi Alves erhielt im Oktober 2013 ihren Bachelor of Arts in Theaterwissenschaft an der LMU München, nachdem sie zuvor schon in der Spielzeit 2009/10 im Staatstheater am Gärtnerplatz und in der Bayerischen Staatsoper diverse Stücke als Kostüm- und Ausstattungs-Hospitantin mitbetreute. Neben dem Studium arbeitete sie in der 40° Filmproduktion GmbH als Sound Editor und machte diverse Trailer für freie Theaterproduktionen. In ihren eigenen v. a. experimentellen Filmen thematisiert und verfremdet sie gesellschaftskritische Themen. Ihre Kurzfilme wurden auf etlichen Filmfestivals gezeigt und auch z.T. in kleinen Kinos öffentlich vorgeführt.
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