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- Inklusion im Bildungssystem: Situation und Entwicklungstendenzen in Deutschland und ausgewählten EU-Staaten
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Abb.: 11
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Deutschland muss inklusiv werden, denn seit März 2009 gilt die UN-Behindertenrechtskonvention auch hier. Damit das daraus abgeleitete Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und auf Grundlage der Chancengleichheit verwirklicht wird, ist ein ‘inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen’ zu gewährleisten. Der ‘inklusive Unterricht’ an allgemeinen Schulen soll damit zur Regel und die Beschulung an Förderschulen zur Ausnahme werden. Was bedeutet das? Wie ist die UN-BRK in das deutsche Rechtssystem eingebunden? Was sind die Konsequenzen und wo gibt es Grenzen bei der Umsetzung? Wie gestaltet sich der Prozess in anderen EU-Staaten? Welche Schritte sind auf den staatlichen Ebenen bereits veranlasst und welcher Handlungsbedarf ist noch notwendig? Die Herangehensweise an das Thema erfolgt in der vorliegenden Studie vor dem Hintergrund, dass sich nicht mehr die Frage stellt, ob die gemeinsame Beschulung sinnvoll ist, sondern wie sie aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtung verwirklicht werden kann. Prioritäten gelten der Entwicklung von Rahmenbedingungen auf allen staatlichen Ebenen, die den Aufbau eines inklusiven Bildungssystems ermöglichen. Dabei wird auch die Rolle der EU betrachtet.
Textprobe: Kapitel 2.3.3, Geschichte zum Aufbau eines integrativen Bildungssystems: Bereits seit Mitte der 1990er Jahre bewegt sich die finnische Bildungspolitik weg von der eigenständigen Sonderschule hin zu flexiblen sonderpädagogischen Organisationsformen in der finnischen Gesamtschule. Das Ziel, Menschen mit Behinderungen in das Bildungssystem zu integrieren, wurde aber schon seit den 1970er Jahren verfolgt. Eine wichtige Gesetzesreform in diesem Zusammenhang war der Comprehensive Schools Act im Jahr 1983. Dieser führte nicht nur zu einem besseren Ausgangspunkt für die Entwicklung des Integrationsprozesses, sondern sah auch vor, dass jedes Kind, auch solche mit Behinderungen, der Schulpflicht unterlagen. Seit 1999 ist mit dem Comprehensive Instruction Law gesetzlich geregelt worden, dass die Kommunen in ihrem Einzugsbereich dafür Sorge tragen müssen, dass alle Schüler die neunjährige Gesamtschule besuchen können. Das bedeutet, dass Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf prioritär in Regelklassen unterrichtet werden. Ist das Lernen eines Schülers im Regelunterricht nicht möglich oder im Hinblick auf die Entwicklung des Schülers nicht zweckmäßig, ist der Unterricht in Ausnahmefällen teilweise oder ganz in einer sonderpädagogischen Gruppe einzurichten. Ob für diesen letzteren Fall Sonderklassen innerhalb der Gesamtschule eingerichtet werden oder Unterricht in Förderschulen angeboten wird, darüber entscheidet jede Kommune selber. Innerhalb der einheitlichen Schulform gibt es also eine Trennung zwischen den Bereichen, des allgemeinen Unterrichts, des zeitweise Förder- und Sonderunterrichts, des teilweisen Sonderunterrichts und des umfassenden Sonderunterrichts. Im Förderunterricht lernen die Schüler nach einem individuellen Lernplan (Hoppi) auf der Basis des allgemeinen Lehrplans. Ausgehend von Stärken und persönlichen Lern- und Entwicklungsbedürfnissen beschreibt er die individuellen Ziele des Lernens sowie den Bedarf an Hilfe und vertraut auf die Fähigkeit des Schülers, seine eigenen Stärken in dem Prozess des Förderunterrichts zu mobilisieren. Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden durch die Gesetzgebung nicht nach Förderschwerpunkten kategorisiert. Die Klassifikation der verschiedenen sonderpädagogischen Bereiche wird durch den Bildungsbedarf der Schüler bestimmt und umfasst neun Grundkategorien. Sonderpädagogische Förderung wird den Schülern angeboten, die auf Grund von intellektuellen oder physischen Beeinträchtigungen, Lernschwierigkeiten oder anderen Gründen nicht in der Lage sind, den Instruktionen der Regelschule zu folgen. Auch Schüler mit leichten Lernstörungen oder Anpassungsproblemen werden davon erfasst. Wenn man so will, ist der von Sonderpädagogen und nicht von bewertenden Lehrkräften, phasenweise in einem Fach oder in mehreren Fächern erteilte und in der Schule durchgeführte Förderunterricht eine individuelle kostenfreie ‘Nachhilfe’. ‘Diese’ ist bei den Schülern sehr beliebt und viele von ihnen ergreifen selbst die Initiative, um sich dafür anzumelden. Dies ist ein sicherer Hinweis darauf, dass er als Unterstützung, Ermutigung und Stärkung verstanden wird und nicht als eine diskriminierende oder gar stigmatisierende Maßnahme. Zum weiteren Personal der Schule zählen Krankenpfleger, Schulpsychologen, Schulassistenten, sonderpädagogisch qualifizierte Lehrkräfte und in höheren Klassen auch Schullaufbahnberater. Auch gibt es an jeder Schule einen Kurator i.R. eines Sozialpädagogen mit Zuständigkeit bei Problemkonstellationen in Gruppen, von Familien, Lehrkräften und Kindern. 2.3.4, Stand der Umsetzung von Art. 24 BRK und bisher veranlasste Aktivitäten: Auch Finnland hat am 30.03.2007 die BRK und das Fakultativprotokoll unterzeichnet. Eine nationale Ratifizierung erfolgte jedoch bis heute nicht. Finnland zählt zu den Ländern, die eine Inklusion im Bildungsbereich anstreben und sich schon auf dem Weg von der Integration zur Inklusion befindet. Im aktuell gültigen Schulgesetz in der Fassung von 2004 wird zur Integration im ‘Basic Education Act’ Stellung genommen. Dort wird der Vorrang des gemeinsamen Unterrichts ganz klar formuliert. Schüler mit einem Förderbedarf haben das Recht auf ein ‘part-time-special-needs-teaching’ im Klassenraum, als paralleles oder als zusätzliches Unterrichtsangebot. Jedes Kind, das eine Unterstützung erfährt, hat Anspruch auf einen IEP. Im nationalen Programm ‘Gemeinsame Schule für alle’ geht es um die inklusive Beschulung von Schülern mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen und Schülern mit schweren Verhaltensauffälligkeiten. Angestrebt wird, dass die noch vorhandenen Förderschulen abgebaut werden. Ein Rückgang ist bereits zu verzeichnen. Nach dem Vorschlag des Nationalen Evaluationsrats für Bildung im Bildungsministerium im Jahr 2005 sollen diese Schulen zu Kompetenz- und Ressourcenzentren bezüglich der jeweiligen Behinderungen und der entsprechenden Lernmethoden entwickelt werden. Die fördernden und sonderpädagogischen Maßnahmen sind in Finnland bereits in der gemeinsamen Schule integriert. In diesem Zusammenhang wird jedoch kritisiert, dass die Zahl, der als behindert klassifizierten Schüler, in den letzten zehn Jahren enorm angewachsen ist und die Zahl der Schüler, die nur phasenweise gemeinsam oder in Sonderklassen unterrichtet werden, auch kontinuierlich gestiegen ist. Ebenfalls bemängelt wird die Tatsache, dass bei den Statistiken die starken regionalen Unterschiede im Grad der Inklusion schwanken. Während der Unterricht in den südöstlichen Landesteilen fast bis zu 70% in Sondergruppen stattfindet, gibt es Regionen an der Westküste oder in Nord-Finnland, wo der Sonderunterricht nur bis zu 30% in gesonderten Lerngruppen stattfindet. Die Ergebnisse verschiedener Langzeitstudien u.a. die des norwegischen Soziologieprofessoren Myklebust belegen, dass das Lernen von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Sonderklassen durchweg zu schlechteren Ergebnissen führte als ein gemeinsamer Unterricht. Es ist auch festzustellen, dass die Einrichtung und Aufrechterhaltung von Außenklassen und ein gemeinsamer Unterricht nur in bestimmten Fächern keine Form der Inklusion im Sinne der BRK darstellt. Die nachfolgende Abbildung gibt eine Übersicht darüber, wie sich der Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, an Förderschulen, in Sonderklassen und in inklusiven Schulen in Finnland gestaltet.
Angelika Isecke, M.A. wurde 1982 in Düren geboren. Ihr Studium zur Dipl. Verwaltungswirtin an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Köln/ Stadt Jülich schloss sie im Jahr 2006 ab. Anschließend war sie bei der Bundesagentur für Arbeit Bonn tätig, bis sie Anfang 2009 ins Sozialamt der Städteregion Aachen wechselte. Den Master of Arts erwarb sie 2012 an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin im Fach Europäisches Verwaltungsmanagement. Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit im Sozialamt und einem zweimonatigen studienbegleitenden Praktikum bei der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz bei der EU in Brüssel wurde sie auf das Thema Inklusion aufmerksam.