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- Heldinnen im Kinderfernsehen: "Disney's Kim Possible" und die Wirkung vorgelebter Geschlechterrollen auf Kinder
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In der heutigen Welt ist Fernsehen das wichtigste Medium für Kinder. Es spielt für ihre Entwicklung eine maßgebliche Rolle und trägt dazu bei, dass sie sich Figuren aus dem Fernsehen zu Vorbildern nehmen. Idole aus verschiedenen Sendungen verkörpern für die jungen Zuschauer zentrale Personen ihrer Fantasie und werden zu Helden stilisiert. Die Bedeutung dieser Medienhelden beeinflusst die charakterliche Entwicklung und auch die Beziehung zum alltäglichen Leben. Die Darstellung von weiblichen und männlichen Helden in traditionellen Geschlechterrollen übt demnach eine große Wirkung auf Kinder aus. Diese Studie analysiert die ungleiche Verteilung von geschlechtsspezifischen Rollen im Kinderfernsehen anhand Disneys Kim Possible , einer der beliebtesten Animationssendungen bei Kindern. Die Besonderheit dieser Figur liegt darin, dass die Fernsehheldin Kim Possible als einzige auch bei männlichen Zuschauern beliebt ist und Geschlechterstereotype umkehrt. Anhand empirischer Daten untersucht die Autorin, welche Auswirkung diese Fernsehfigur auf den Alltag der jungen Zuschauer hat und wie sich vorgelebte Geschlechterrollen auf Kinder auswirken können.
Textprobe: Kapitel 3.2, Geschlechterverhältnisse im Kinderfernsehen: In einer Zeit, in der Mädchen und Jungen herausgefordert sind, möglichst eigenständig mit den Anforderungen der Geschlechterrollen umzugehen, gleichzeitig aber auch deren neu entstandene Gestaltungsmöglichkeiten und Ressourcen zu nutzen, so Stauber (2006), stünden die Medien generell sowie das Fernsehen im Speziellen in einer besonderen Verantwortung: Sie fungierten als zentrale Vermittlungsinstanzen für Geschlechterrollenbilder in der ganzen Bandbreite der Möglichkeiten, diese auszugestalten. Umso wichtiger erscheint es also in den Blick zu nehmen, wie genau die dargestellten Geschlechterrollen sowie das Interaktionsverhältnis zwischen den Geschlechtern aussehen. Bei der Konstruktion von Gender-Schemata spiele das Fernsehen eine besonders wichtige Rolle, so auch Lemish (2006), weil in den meisten Fernsehprogrammen Figuren gezeigt würden, die sich einer der beiden Gender-Kategorien zuordnen ließen. Dabei sei es egal, ob Menschen, Cartoon- Figuren, Tiere oder Science-Fiction-Charaktere präsentiert würden. Doch obgleich in vielen Ländern die Erwartung als selbstverständlich gelte, dass Mädchen und Jungen in Kinderprogrammen in annähernd gleicher Zahl vertreten sein sollten, sei die Umsetzung dessen in vielen anderen Ländern noch ein unerreichbares Ziel (vgl. ebd.). So auch im deutschsprachigem Kinderfernsehen: Betrachtet man die Lieblings-TV-HeldInnen der Kinder, so finden sich laut einer 2007 von Maya Götz veröffentlichen Studie unter den 21am häufigsten genannten Figuren 15 Jungen- bzw. Männerfiguren und lediglich fünf Mädchen- bzw. Frauenfiguren (vgl. Götz 2007). Dieses Verhältnis bedeute jedoch nicht, dass Jungenfiguren grundsätzlich attraktiver seien, sondern spiegele vielmehr die prozentuale Verteilung der Heldinnen und Helden im Kinderfernsehen wieder. So seien 2007 70 Prozent der Hauptfiguren fiktionaler Sendungen für Kinder Jungen bzw. Männer und nur rund 30 Prozent Mädchen bzw. Frauen gewesen (vgl. ebd.). Demnach kann also keinesfalls von einem Gleichgewicht oder einer Dominanz von Mädchenfiguren im deutschsprachigen Kinderfernsehen die Rede sein. Im Gegenteil: Kleine und große Männer seien die Helden des Kinderprogramms (vgl. Götz 2000). Sie bewältigten die Alltagsprobleme, setzten sich mit Gefahren auseinander und erlebten Abenteuer (vgl. ebd.). Die Unterrepräsentanz von Mädchen und Frauen gehe sogar soweit, dass Frauenfiguren eine Abweichung vom männlichen Normalfall symbolisierten (vgl. Götz 2002). Götz (2000) erläutert: Figuren, die nicht explizit einem Geschlecht zugehörten, trügen männliche Vornamen. Wie beispielsweise bei den Mainzelmännchen oder den Schlümpfen gelte: Nicht sexualisierte Wesen seien zunächst selbstverständlich männlich. Damit symbolisierten Frauenfiguren im Sinne von Simone de Beauvoir das andere Geschlecht . Äußerliche Abweichungen vom männlichen Normalfall würden durch Besonderheiten wie Schleifchen oder Röckchen gekennzeichnet, welche dabei häufig in Sexualisierung entglitten. (vgl. ebd.). Doch auch in der inhaltlichen Darstellung kann Weiblichkeit als Abweichung von Männlichkeit betrachtet werden: Inhaltlich füllen die weiblichen Figuren oftmals Rollen und Eigenschaften aus, die ‚nicht männliche’ sind: das hilflose Opfer, das zu begehrende Weibchen, die umsorgende Mutter oder verständnisvolle Großmutter. In diesem Sinne dienen sie zur Inszenierung von ‚nicht männlichen’ Eigenschaften wie fürsorglich, zickig, launisch, ängstlich, verletzlich oder aufdringlich. In der Tendenz sind Männerfiguren Individuen, Frauenfiguren dagegen ‚nicht-männliche Eigenschaften’ (Götz 1999: http://www.bronline.de/jugend/izi/text/mayaheld.htm). Die Dominanz stereotyper Darstellungen des Geschlechterverhältnisses und die Machtverteilung innerhalb der Medienproduktion benachteilige damit Frauen und Mädchen (vgl. Götz 2000.). Zudem dominiere der männliche Blick : Zuschauerinnen würden zumeist nur mit dem Blick von Männern auf Frauen und ihre Lebenslage konfrontiert. Gesellschaftlicher Wandel spiegele sich in den Medien kaum wider (vgl. ebd.). Auch Dorer und Marschik (1999) erläutern, die Medienpräsenz von Frauen beruhte in der Vergangenheit zum Großteil auf Werbespots, Filme und jene Sendungen, welche die Privatsphäre zeigten und in denen Frauen auf bestimmte ihnen zugeschriebene Rollen und Funktionen beschränkt wurden. Es sei damit stets ein männlicher Blick auf Frauen, der gezeigt und berichtet worden sei. Die hier beschriebenen Rollenklischees hätten sich in den letzten Jahren allerdings kaum verändert. Damit erwiesen sich die Medien nicht als Trendsetter oder Förderer der Emanzipation, sondern im Gegenteil als Ort der Verfestigung traditioneller Geschlechterbilder (vgl. ebd.). Aus Sicht der Autorin spiegeln sich die weibliche Unterrepräsentanz und der männliche Blick im Kinderfernsehen in noch einem anderen Umstand wider: Für Mädchen, so Bachmair et al. (2001) sei es nahezu unmöglich, Sendungen zu finden, in denen ihnen Fachfrauen den Blick auf die Bereiche Natur und Technik eröffneten. Somit seien auch im Kinderfernsehen Natur und Technik männlich dominiert. Mehr noch: Nach einer durch Bachmair et al. (2001) durchgeführten Untersuchung zu Kindersendungen mit lernorientiertem Inhalt lässt sich festhalten, dass mit Ausnahme dreier Sendungen (welche gemischtgeschlechtlich im Doppel moderiert wurden) alle anderen lernorientierten Elemente, die Frauen moderierten, nicht länger als fünf Minuten gewesen seien. Daraus ergebe sich, bezogen auf die Sendedauer, eine weibliche Präsenz unter den ModeratorInnen von drei Prozent der ausgestrahlten Zeit bei lernorientierten Programmen. Im überragenden Anteil der Sendungen erklärten damit noch immer Männer alleine den Kindern die Welt (vgl. ebd.). Für die beschriebene Unterrepräsentanz von Frauen versucht Götz (2006a) Begründungszusammenhänge zu bieten: Zum einen fehle es an einer fundierten Geschlechtersensibilität, was dazu führe, dass das Männliche zum Normalfall und das Weibliche zum anderen Geschlecht werde. Zum anderen sei es vermutlich aber auch ein realer oder vorweggenommener interner Rechtfertigungszusammenhang, der mehr Geschlechtergerechtigkeit verhindere. Mehrfach genannt werde das Marktargument, dem zu Folge Mädchenfiguren sich nicht so gut verkaufen ließen. Oftmals dominiere die Vorstellungen, Jungen wollten keine Mädchenfiguren – Mädchen könnten sich aber wiederum auch mit Jungenfiguren identifizieren (vgl. ebd.). Dass dies inhaltlich viel komplexer sei, werde, so Götz (2006a) des Weiteren, vermutlich geahnt, aber nicht diskutiert. Letztlich könne aber auch das Engagement für Jungen, welches mehr Geschlechtergerechtigkeit verhindert, für die Unterrepräsentanz von Mädchen und Frauen mitverantwortlich sein(vgl. ebd.). Neben einer der bereits erläuterten quantitativen Unterrepräsentanz von Frauen und Mädchen im deutschsprachigen Kinderfernsehen könne zudem von einer geschlechterstereotypen Ausrichtung der Frauen- und Männerdarstellungen gesprochen werden (vgl. Götz 2002). Darunter sei zu verstehen, dass Mädchen und Frauen, neben ihrer sexualisierten Darstellung [Anmerkung A.W.] als zurückhaltend, unterordnend, freundlich und hilflos konstruiert würden sowie ihnen das Ideal von Jugendlichkeit und Attraktivität auferlegt werde (vgl. ebd.). Für Mädchenfiguren, die Stärke und erotische Attraktivität verbänden, gelte (wie für die meisten positiv besetzten Mädchenfiguren), dass sie makellos schön und ausgesprochen schlank seien sowie lange blonde Haare hätten (vgl. Götz 2000). Neuere Untersuchungen zeigten wiederum, dass ein Drittel der weiblichen Figuren schwarzhaarig, ein weiteres Drittel rothaarig sei (vgl. Götz 2006a). Da in der Realität von Natur aus nur etwa eine von hundert Frauen in Deutschland rothaarig sei (vgl. dazu: Henkel KGaA, Corporate Communications), seien rothaarige Mädchen im Kinderfernsehen damit deutlich überrepräsentiert. Insgesamt seien die Haare von Mädchen- und Frauenfiguren fast ausschließlich schulterlang oder länger – Kurzhaarfrisuren kämen so gut wie nicht vor (vgl. Götz 2006a). Ebenso seien Körperproportionen, die nicht dem Idealgewicht entsprächen oder Gesichtsmerkmale, die von dem uniformen Schönheitsideal abwichen, nicht zu sehen – es sei denn, als Thema der Handlung, sprich als Problem (vgl. Götz 2000). Der Mythos Schönheit werde immer wieder aufs Neue untermauert und Schönheit und Schlankheit scheinbar zur Grundvoraussetzung für Erfolg in Abenteuer, Beruf und Partnerschaft (vgl. ebd.). Dabei nimmt das Maß der dargestellten Schlankheit ungesunde Maßstäbe an. Herche und Götz (2008) erläutern, ein Blick ins Kinderfernsehen zeige gleich eine ganze Reihe von Barbie ähnlichen, ungesunden mageren weiblichen Charakteren. Die Ergebnisse einer dies betreffenden, in 24 Ländern durchgeführten Studie seien dabei eindeutig: Abhängig von der Analysemethode hätten 57 bis 65 Prozent der weltweit vertretenen weiblichen Charaktere einen extrem kurvenreichen Körper mit schmaler Wespentaille und unnatürlich langen Beinen. Dies seien Anzeichen einer übertriebenen, sexualisierten Darstellung des weiblichen Körpers, eines nicht erstrebenswerten Bildes, welches nur mit Hilfe plastischer Chirurgie und auf Kosten der eigenen Gesundheit erreicht werden könne (vgl. ebd.). Jene Darstellung birgt möglicherweise fatale Folgen: So äußerten sich junge Mädchen in einer qualitativen Studie Rebecca C. Hains (2007) kritisch gegenüber dem Aussehen von weiblichen Figuren, die nicht der Norm entsprachen – wohingegen es ihnen umgekehrt schwer gefallen sei, auszudrücken, was sie am Aussehen ihrer Girl-Power-Heldinnen mögen würden: Die von mir interviewten Mädchen kritisierten schnell das Aussehen von Mädchen und Frauen aus der Popkultur, wenn deren Aussehen nicht genau mit den Idealen normativer Weiblichkeit übereinstimmte. Leider wurden sie in ähnlicher Form auch selbst von ihren Kameradinnen kritisiert, und sie nahmen kulturelle Botschaften über das Streben nach normativer Weiblichkeit sehr deutlich wahr. […] Wenn sie [die interviewten Mädchen, Anmerkung A.W.] sich am Ideal maßen, konnten sie leider sehen, dass sie ihm nicht entsprachen (Hains 2007:18).