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- Geschlechterstereotype in der Presseberichterstattung: Eine linguistische Analyse der Perspektivierung und Evaluierung von Frauen in Führungspositionen
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Studie hat die sprachliche Darstellung von Geschlechterstereotypen in der deutschsprachigen Presseberichterstattung aus Sicht der Kognitiven Medienlinguistik zum Gegenstand. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Berichterstattung über Frauen in Führungspositionen in Politik und Industrie – zwei Bereiche, die stark von Männern geprägt sind, in denen sich jedoch seit geraumer Zeit ein Wandel abzeichnet. Es wird herausgearbeitet, welche Perspektivierungen und Evaluierungen gegenwärtig von TextproduzentInnen in der Boulevard- sowie der seriösen Presse vorgenommen werden. Damit einhergehend werden persuasive Aspekte der Berichterstattung betrachtet. Bestandteile der Untersuchung sind ein Überblick über den interdisziplinären Forschungsstand, die linguistische Einordnung der Thematik, eine terminologische Abgrenzung sowie die Analyse und Auswertung von Textbeispielen. Übergeordnet steht die Frage nach der potenziellen Wirkung sprachlich inszenierter Stereotype auf die Einstellungen von RezipientInnen.
Textprobe: Kapitel 4.1.2, HAUSFRAU und SONNYBOY: Mit der Realisierung stereotyper Vorstellungen von Frauen und Männern in Politik und Industrie geht eine unterschiedliche Darstellung ihrer beruflichen Kompetenz einher. Politikerinnen werden häufig als passiv perspektiviert, Politiker hingegen als aktiv und tatkräftig. Insbesondere bei der Berichterstattung über von der Leyen fällt auf, dass weibliche Tatkraft – sofern sie thematisiert wird – auf die stereotype Vorstellung der HAUSFRAU zurückgeführt werden kann. Auch diese Vorstellung muss nicht unbedingt ein Vorurteil sein, da es sich bei der HAUSFRAU zwar um ein Stereotyp handelt. Es ist jedoch interindividuell verschieden, ob HAUSFRAU mit einer positiven oder abwertenden, negativen Einstellung verknüpft wird. (17) Von der Leyen mistet bei der Bundeswehr aus - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) räumt bei der Rüstung auf. […] Als die Verteidigungsministerin am Donnerstagmorgen die Fachleute ihrer Koalition über das Großreinemachen im Rüstungsressort informierte, erzählte sie eine Anekdote von einer Parlamentsanfrage zum Aufklärungssystem ISIS […]. (bild.de, 10.01.2014, Hanno Kautz). (18) Rüstungsprojekte: Wie von der Leyen aufräumen will. Die Verteidigungsministerin versucht, was keiner ihrer Vorgänger geschafft hat: Sie will das undurchschaubare Netz zwischen Verteidigungsministerium, nachgeordneten Dienststellen und Industrie entwirren. […] Sie will den undurchschaubaren Komplex aus ministerialer Rüstungsabteilung, dem gigantischen Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr sowie der Industrie gründlich aufräumen. […] Thomas de Maizière hatte es versucht. Nach der Affäre um das gescheiterte Drohnenprojekt Euro-Hawk wollte sich der Vorgänger von der Leyens im Sommer 2013 gegen weitere böse Überraschungen wappnen (faz.net, 20.02.2014, Lorenz Hemicker). (19) Ursula von der Leyen – Sie lässt nichts anbrennen. Ursula von der Leyen sichert sich gegen einen Karriereknick ab, den ihr Vorgänger Thomas de Maizière erleben musste (faz.net, 20.02.2014, Jasper von Altenbockum). (20) Ursula von der Leyen hat gleich mal aufgeräumt im Verteidigungsministerium, personell jedenfalls (sz.de, 18.12.2013, Christoph Hickmann). In (17) bis (20) wird auf von der Leyen durch die Boulevard- sowie Qualitätspresse in gleicher Weise durch Lexeme referiert, die sich der stereotypen Kategorisierung als HAUSFRAU zuordnen lassen: Die Politikerin räumt auf, mistet aus, macht Großreine und lässt nichts anbrennen. Die Übertragung stereotyper Eigenschaften des Konzepts HAUSFRAU auf das Individuenkonzept VON DER LEYEN geschieht durch entsprechende konventionelle Metaphorik. Hierbei handelt es sich um eine eindeutig geschlechtsspezifische Darstellung. Gerade solch konventionelle Metaphern haben eine diskursstabilisierende Funktion (KIRCHHOFF 2010: 126), da durch sie ein standardisierter Bedeutungstransfer realisiert werden und gewohnheitsmäßiges Denken bestätigt werden kann (BECKER 2013: 39), wie dies bei der Aufrechterhaltung von Stereotypen erforderlich ist. In (21) wird die Politikerin – jenseits des HAUSFRAU-Stereotyps – passiv dargestellt: Sie zeigt sich besorgt. Im Vergleich dazu mahnt, appelliert und reformiert Justizminister Maas (sowie Mißfelder) in (21) bis (24). In (18) wappnet sich de Maizière. (21) Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich besorgt über die russische Militärübung an den Grenzen zur Ukraine gezeigt. Wir sehen das mit Sorge und mit Aufmerksamkeit […] Der außenpolitische Sprecher der Union, Philipp Mißfelder, mahnte unterdessen zur Besonnenheit […] (faz.net, 27.02.14). (22) Debatte um Kinderfotos Maas appelliert an Vernunft der Eltern (sz.de, 02.03.14). (23) Debatte über doppelte Staatsbürgerschaft – Maas mahnt eigene Partei zu Koalitionsdisziplin (sz.de, 08.02.2014). (24) Rechtsverständnis aus Nazi-Zeiten – Maas will Strafrecht bei Mord und Totschlag reformieren (sz.de, 08.02.2014, Heribert Prantl & Robert Roßmann). Bisher haben Textbelege darauf hingewiesen, dass Frauen in Spitzenpositionen der Politik und Industrie auf (global-) stereotype weibliche Eigenschaften (EMOTIONAL, EMPHATISCH, KOMMUNIKATIV, SOZIAL, BESCHEIDEN) reduziert bzw. dass diese positiv hervorgehoben werden. Zudem werden ihnen Eigenschaften zugeschrieben, die sich auf das konträre Konzept EISERNE JUNGFRAU/ KARRIEREFRAU (mit vorwiegend als männlich betrachteten Merkmalen) beziehen. Durch die evaluierende Gegenüberstellung beider Konzepte werden dabei oftmals die präskriptiven Stereotypanteile erkennbar, wie sie ECKES (2008: 178) beschreibt (s. Kap. 1.3). Tendenziell sollen die Frauen dem Globalstereotyp entsprechen. Tun sie dies, wird das als positiv bewertet. Das kann anhand der Pressetexte recht deutlich gezeigt werden. Aber auch Männer werden auf stereotype Vorstellungen und deren präskriptive Anteile reduziert. Einige Verbalimanifestationen spiegeln z. B. wider, dass Männer in Spitzenpositionen CHARISMATISCH und SYMPATHISCH sein sollen: (25) Gegen Spohr spricht, dass die von ihm verantwortete Passagesparte noch immer gegen Verluste ankämpft […]. Frachtexperte Garnadt gilt zwar als umgänglich, aber auch ein bisschen blass. Dasselbe gilt, mit Ausnahme des Sonnyboys Spohr, für eine Reihe weiterer Kandidaten (spiegel.de, 16.09.2013, Dinah Deckstein & Florian Diekmann). (26) Auf der einen Seite Söder, der laute Vordrängler, auf der anderen Seite Schmidt, der besonnene Jurist, der allerdings auch ein wenig blass wirkt (sz.de, 17.02.14). In (25) wird über Kandidaten für den Vorstand der Fluglinie Lufthansa spekuliert. Dabei werden diese indirekt (und mit geringem Intensitätsgrad) negativ evaluiert, indem sie als blass bezeichnet werden. Gleiches gilt für den Politiker Christian Schmidt in (26). Durch den Ko- und Kontext kann geschlussfolgert werden, dass die Adjektiv-Metapher blass i. S. von die Persönlichkeit ist nicht hervorstechend, zu verstehen ist. Damit geht einher, dass gegenteilige Eigenschaften gefragt sind. Kontrastiv wird Carsten Spohr in (25) als geeigneter Kandidat dargestellt. Er wird als Sonnyboy bezeichnet und damit positiv evaluiert (Bedeutung laut Duden 2013: junger Mann, der Charme und eine unbeschwerte Fröhlichkeit ausstrahlt, dem die Sympathien zufliegen). Zu erkennen ist in beiden Beispielen die stereotype Zuschreibung EXTROVERTIERT/ DOMINANT für Männer im Allgemeinen (d. h. als Globalstereotyp) und speziell in Führungspositionen. Besonnen und blass werden mit INTROVERTIERTHEIT assoziiert, laut und Vordrängler mit der typischen Dominanz erfolgreicher Männer. (27) Neuer Lufthansa-Chef - Ende der Warteschleife für Carsten Spohr. Der Chef der Flugpassagiersparte, Carsten Spohr, wird am ersten Mai nach monatelangem Hin und Her endgültig Konzernchef - auch wenn er besser zwei, drei Jahre hätte warten sollen. Denn dank seines Talents zur Kommunikation dürfte Spohr für mehr Konsens sorgen und die Dauerkonflikte […] entschärfen. […] Der ausgebildete Airbus-Pilot Spohr hingegen bewegt sich dagegen mit der natürlichen Autorität eines Flugkapitäns. Der Akzent seiner Heimatstadt Wanne-Eikel macht ihn glaubhaft, egal, ob er mit einfacheren Mitarbeitern redet oder auf glamourösen Events in München oder Berlin glänzt. Gleichzeitig dürfte Spohr für bessere Stimmung im Unternehmen sorgen. […] Bevor der Passagechef als charismatischer Stratege für gute Laune sorgen könne, braucht die Linie erst noch einen harten Hund, der zwei, drei Jahre lang die von Franz begonnene Sanierung beendet – oder zumindest deutlich weiter treibt. Denn wer beenden soll, was Franz begonnen hat, darf vor allem keine Angst haben, sich unbeliebt zu machen (wiwo.de, 07.02.2014, Rüdiger Kiani-Kreß). In (27) wird Spohr als charismatischer Stratege bezeichnet. Zudem wird implizit eine positive Evaluierung nahegelegt, indem ihm eine natürliche Autorität, Talent zur Kommunikation und Glaubhaftigkeit attestiert werden. Des Weiteren soll er für gute Stimmung im Unternehmen sorgen. Es findet eine Kontrastierung zu anderen männlichen Geschlechtsstereotypen (harter Hund) statt.