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- Fußball – Sprache der Völker: Über die Möglichkeiten des Fußballs in der Entwicklungspolitik
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Abb.: 14
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Fußball begeistert! Die Weltmeisterschaft in Südafrika hat jüngst gezeigt, was für eine Magnetwirkung dieser Sport im neuen Jahrtausend hat. Fußball bezaubert aber nicht nur in einem professionellen Rahmen mit modernen Arenen, Sponsoren und TV-Übertragungen. Er ist schon lange nicht mehr das simple Bewegungsspiel, bei dem das Runde ins Eckige muss. Fußball kann mehr. Das vorliegende Fachbuch umreist die Wirkung des Fußballs in seinen außersportlichen Ebenen. Ist Fußball etwa kein Politikum? Welche Chancen bzw. Gefahren birgt der Fußball? Zuerst umreist der Autor das Ausmaß des Einflusses der Politik auf den Sport und umgekehrt. Hier wird aufgezeigt, inwiefern der beliebteste Sport der Welt von politischen Entscheidungen abhängig ist oder für dessen Zwecke benutzt wird. Angefangen bei Medieneklats über Staatskrisen und Nationbuilding bis hin zum sogenannten Fußballkrieg zeigt der Autor eindeutig auf, welcher Einfluss vom Fußball ausgeht bzw. auf ihn einwirkt. Die Vereinten Nationen erließen 2003 mit der Resolution 58/5 ein klares Signal zur Einbindung des Sports in der Entwicklungspolitik. Im zweiten Teil wird besprochen, welchen Platz das runde Leder in der täglichen Entwicklungsarbeit einnehmen kann. Kann Fußball eine Lösung für schwieriges Sozialverhalten, Religionskonflikte, Kriegstraumata und Versöhnungsarbeit oder Gleichberechtigung der Geschlechter sein? Diese Fragen werden mit konkreten Beispielen von Non-Goverment-Organisations wie Grassrootsoccer oder Streetfootballworld veranschaulicht und bewertet, die bereits seit Jahren den Sport als Instrument für ihre konkreten Entwicklungsziele nutzen. Sowohl Erfolge als auch Schwierigkeiten dieser nicht immer einfachen, aber äußerst wichtigen Unterstützung der konventionellen Entwicklungsorganisationen werden hier aufgezeigt. Zuletzt widmet sich das Buch jedoch auch den Problemen des Profigeschäfts Fußball aus afrikanischer Perspektive. Gerade die Berichterstattung der vergangenen Weltmeisterschaft in Südafrika hat gezeigt, wie populär dieser Sport auf dem schwarzen Kontinent ist. Unzählige Kinder und Jugendliche in den Slums träumen von einer Karriere als Fußballstar bei einem europäischen Spitzenklub. Tägliche landen bis zu zehn afrikanische Spieler auf dem belgischen Flughafen Brüssel-Zaventem. Wenige schaffen den Sprung in das vermeintlich bessere Leben. Viele landen in der Illegalität. Dahinter steckt eine Masche dubioser Manager, die als moderne Sklavenhändler bezeichnet werden können. Warum gerade in Belgien immer mehr Afrikaner in der Illegalität leben, was dagegen schon in Afrika getan wird und warum das schon lange keine sportliche Angelegenheit ist, wird hier sehr konkret und eindrucksvoll dargestellt. Das Buch umreist sehr einhellig und konkret die Wirkungen des Sports auf Felder, die man im ersten Moment nicht mit ihm in Verbindung bringt. Es zeigt sowohl Kräfte als auch Gefahren des Sports auf. Eine lesenswertes Buch für alle Fußball-, Sport und Politikinteressierten.
Textprobe: Kapitel 3.4.3, Gleichberechtigung – Kann Fußball helfen? – Ein Fallbeispiel: In vielen Kulturen der Welt spielen Frauen in der gesellschaftlichen Gleichberechtigung noch keine gleichberechtigte Rolle. Und so ist es auch im Sport. In vielen Teilen der Welt werden Frauen und Mädchen vom Sport ausgeschlossen. In muslimischen Ländern sind es vor allem religiöse Zwänge, in christlichen Ländern patriarchale Strukturen. Doch die Spielräume von Frauen und Mädchen können erweitert werden. Weltweit treten einige Projekte in diesem Sinne weniger mit Wettkampf orientierten Aktivitäten in Erscheinung. Fußball ist dabei eine der ersten Sportarten, die ausgeübt werden. Ein Indiz für das immer größer werdende Interesse ist auch die erstmals im Jahre 1991 ausgetragene Fußball- Afrikameisterschaft der Frauen. Damals nahmen lediglich acht afrikanische Nationen mit einer Frauen-Nationalmannschaft teil. Im Jahre 2008, dem bisher letzten Turnier, waren es 22 Teams. International und national steigt also die Einbindung von Frauen und jungen Mädchen in die Sportförderung des Fußballs. In ländlichen afrikanischen Strukturen ist die Einbindung von Mädchen und Frauen in Sportprojekte aber deutlich schwerer. Der Erfahrungsbericht von Claus Schrowange, Entwicklungshelfer bei der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e.V., soll als Fallbeispiel genannt werden. Er beschreibt, welche gesellschaftlichen Probleme auftraten, als er im Jahre 1999 versuchte, eine Mädchenmannschaft in New Ningbo, einem Fischerdorf in der Dangwe West Region in Ghana, ins Leben zu rufen. Mit Hilfe des Direktors der lokalen Schule fanden sich direkt 30 junge Mädchen mit der Bereitschaft Fußball zu spielen. ‘Eine hügelige Wiese hinter der Schule wird uns zum Training zur Verfügung gestellt, da der Sportplatz des Ortes für die Männerwelt reserviert ist. [.] Anfangs muss ich vor jeder Einheit die Runde von Haus zu Haus machen und den Vätern, Onkeln, Müttern und Tanten den Sinn erklären. Ich muss sie wieder und wieder überreden, ihre Töchter für zwei Stunden von den häuslichen Alltagspflichten zu befreien’. Es zeigt deutlich, dass die Dominanz der Männer gegenüber den Frauen sehr ausgeprägt ist. ‘Obwohl unser Training zuerst belächelt wird, kommen immer mehr Neugierige und schauen zu. Ein allmähliches Umdenken findet statt. Erster Erfolg: Wir dürfen den Sportplatz benutzen.’ Die weiteren Entwicklungen, die sich über zwölf Monate erstreckten, wie ein Testspiel gegen eine halbprofessionelle Frauenmannschaft, Spenden für die hiesige Mannschaft und eine Ligagründung, benennt Schrowange als ‘kleine Erfolgsgeschichte’. Die wichtigste Komponente ist aber sicherlich die der sozialen Entwicklung der Akteure in Verbindung mit der gesellschaftlichen Interaktion innerhalb der Dorfgemeinschaft: ‘Die Spielerinnen gewinnen enorm an Ansehen im Ort und strotzten so vor Selbstbewusstsein. In der Grund- und Oberschule wird begonnen, Mädchen im Sportunterricht beim Fußball mitspielen zu lassen’. Dieser Erfahrungsbericht zeigt, dass alleine mit der Ausübung eines Sportes für die Aktiven und die Passiven sowie für den gesamten Geschlechterdialog innerhalb der Dorfgemeinschaft sehr viel zu erreichen ist. Jedoch ist die Nachhaltigkeit dieser Mannschaftsgründung dabei fraglich. Der Autor selbst bekennt, dass nach seiner Abreise die Mädchenmannschaft in dieser Form nur noch einige Monate existierte. Um das auf die angeführte Theorie aus Kapitel 3.1 zu beziehen, konnte der Fußball auch nur ausgeübt werden, weil alle vier Voraussetzungen gegeben waren. Es ist daher anzumerken, dass der Fußball sicherlich einen Teil zu Toleranz beigetragen hat. Aber ohne die gegebenen Voraussetzungen wären die Bemühungen wahrscheinlich nicht auf fruchtbaren Boden gefallen. Aber dies ist natürlich nur ein Beispiel wie der Sport in den ländlichen Gebieten für Geschlechtertoleranz werben kann. Der Damensport ist allgemein, auch in Europa, eine Geschichte der Verständigung. Schließlich war der Frauenfußball sogar in Deutschland bis Ende der 1950er Jahre verboten. In zahlreichen TV-Dokumentationen wie ‘Mädchen am Ball’ (1995), in der eine türkische Fußballmädchenmannschaft portraitiert wird oder dem Spielfilm ‘Kick it like Beckham’ (2003), in dem ein britisch-indisches und zugleich fußballerisch hoch talentiertes Mädchen sich aufgrund des Sportes gegen ihr konservatives Elternhaus auflehnt, wird diese Geschlechterproblematik populär thematisiert. Ein weiteres globales Beispiel ist die 1996 gegründete ägyptische Frauenfußball-Komission beim ägyptischen Fußballverband EFA. In den bereits erwähnten islamischen Ländern wird jeglicher Frauensport von konservativen Kräften per se als ‘unislamisch’ gebrandmarkt. Daher gab es stets große Schwierigkeiten für Frauen, sich sportlich zu betätigen. Trotzdem wollen immer mehr Frauen in der arabischen Welt selbst Fußball spielen und sei es mit einem Kopftuch. Die Art des Erfolges ist die gleiche wie im ghanaischen Fischerdorf New Ningo. Selbstbewusstsein, Anerkennung anderer Gesellschaftsgruppen, Toleranz und das Recht, Sport ausüben zu können.
Colin Kraft, Sportjournalist und Politologe, machte schon im Laufe seiner Jugend vielschichtige Erfahrung mit dem Fußball. Während er, Jahrgang 1983, im heimatlichen Aachen diverse Jugendauswahlmannschaften als Jungtalent durchlief, war der Sport ebenso soziale Kontaktgrundlage in seiner Internatszeit. Im Rahmen seines Studiums der Politischen Wissenschaften, Germanistik und Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der RWTH Aachen verband er schon als Student politische Themenbereiche in wissenschaftlichen Arbeiten mit dem Sport. Seine darüber hinaus vielfältigen Erfahrungen als Redakteur bei diversen Zeitungs- und Fernsehredaktionen im In- und Ausland formten ihn zum Experten für sportpolitische Fragen. Insbesondere sein Mitwirken an der deutsch-belarussischen Kinoreportage Ozarichi 1944 – Spuren eines Kriegsverbrechens und ein späteres Engagement beim Deutschen Sportfernsehen hatten für die vorliegende Arbeit nachhaltigen Einfluss. Danach war er einige Jahre als leitender Angestellter beim Profifußballverein Alemannia Aachen tätig, wo er u.a. den Kinderklub Aleminis aufbaute und zu einem bundesweiten und prämierten Beispiel des Social Sponsorings formte. Seit 2009 unterrichtet er u.a. Politik-, Sozial- und Medienwissenschaften in der Oberstufe der Pater Damian Sekundarschule, einem Gymnasium in der belgischen Grenzstadt Eupen und arbeitet wieder als Sportjournalist.