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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Film und Psychoanalyse sind geschichtlich, thematisch, strukturell und technisch verwandt. Diese Studie zeigt die Entwicklung, Berechtigung und Methodik psychoanalytischer Filminterpretation. Sie vergleicht die Wirkungsweise des Autorenkinos mit Hollywood und zeigt, wie sich ein modernes, dehierarchisches Behandlungsverständnis der Psychoanalyse in der Kulturinterpretation bemerkbar macht. Traum und Film sowie Film und psychoanalytisches Setting werden verglichen und ein kritischer Einblick in die Tiefenhermeneutik nach Lorenzer und König gegeben sowie Objektivierungskriterien für die psychoanalytische Filminterpretation herausgearbeitet. In einem abschließenden Exkurs zu Alain Resnais’ Hiroshima mon Amour (1959) wird die Konfliktsituation der Protagonisten erläutert und ein hegelscher Deutungsversuch unternommen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 1. 3, Gegenüberstellung von Film und Traum sowie Film und psychoanalytischem Setting in ihrer Wirkung auf den Rezipienten, Träumer bzw. Patienten: 1.3.1, Die strukturellen Ähnlichkeiten von Traum und Film sowie psychoanalytischem Setting und Film: Verwirrt, als seien sie gerade aus einem fesselnden Traum erwacht, verlassen Kinobesucher oft den Saal. Bei Menschen, die versuchen ihre Träume zu erzählen, fällt hingegen oft die Äußerung, daß es ‘wie im Film’ gewesen sei. Analog zu dieser Alltagsbeobachtung findet man in psychoanalytischer Filmtheorie einen fast ubiquitären Vergleich von Film und Traum. Da der Traum in der Psychoanalyse als Königsweg zum Unbewußten angesehen wird, könnte auch der Film, eben aufgrund der Ähnlichkeiten, den Zugang zu verschütteten Dimensionen im Erleben des Betrachters erleichtern. Im folgenden möchte ich die wichtigsten Vergleichskriterien zwischen Traum und Film erwähnen, um eine psychoanalytische Filmdeutung zu plausibilisieren: Die äußerlich gleichen Bedingungen von Schlaf und Kino sind regressionsfördernde Dunkelheit und Unbeweglichkeit des Träumers/Betrachters. Diese Regression gleicht nach Freud dem intrauterinen Zustand. Durch den Rückzug der Sinne von der Außenwelt wird zudem die Realitätsprüfung vermindert, der Zugang zum Unbewußten erleichtert, die Identifikationsleistung gesteigert. Ontogenetisch frühe Verschmelzungszustände, beispielsweise mit der nährenden Mutter werden nach Eberwein reaktiviert, Trennungserlebnisse per identificationem gekittet. Traum wie Film befriedigen demnach (unbewußte) Wünsche und erleichtern die Integration neuer Information und Erfahrung. Beide verwenden zudem teilweise ähnliche optische Gestaltungsmittel wie Verdichtung bzw. Mehrfachbelichtung oder Montage zur Darstellung innerer Realität. Auch die äußeren Bedingungen von Kino und psychoanalytischem Setting sind, was Bewegungslosigkeit und Reizabhaltung betrifft, vergleichbar. Zudem kann sich Phantastisches in beiden Fällen in einem illusionären Raum, ohne Gefahr der Retraumatisierung durch reales Handeln, sowie ohne das Gewicht von Verantwortung entfalten. über die Integration von Fremdpsychischem - sei es der Film, seien es die Deutungen des Analytikers - öffnen sich bisher unbekannte Seelenräume im Inneren des Zuschauers oder Patienten. Regressive Bedingungen von Traum und Film: ‘Wo ein Film nicht Dokument ist, da ist er Traum ... ,’ schreibt der schwedische Regisseur Ingmar Bergman 118, und auch die Mehrzahl psychoanalytischer Autoren haben großen Wert auf die Übereinstimmung von Traum und Kino gelegt119. Einige äußere Faktoren, die Schlaf und hiermit Traum ermöglichen, finden sich auch im Kino: Es handelt sich um Dunkelheit, Unbeweglichkeit, Bequemlichkeit und Wärme sowie Anonymität. All diese Elemente garantieren einen regressiven Rückzug der Sinne von der äußeren Welt: Der Zuschauer/Träumer muß nicht handelnd reagieren. Der französische Filmtheoretiker Christian Metz spricht sowohl von einer libidinalen Regression auf die Stufe der halluzinatorischen Wunscherfüllung, als auch von einer ichstrukturalen, primärnarzißtischen: Das Ich befindet sich in Traum und Film selbstverständlich im Mittelpunkt des Geschehens. Die oben genannten regressiven Faktoren setzten demnach die Realitätsprüfung im Kino herab, bzw. heben sie im Traum völlig auf, und führen zu einer ‘Kommunikation des Bewußten mit dem Unbewußten121’. Sie ermöglichen die Entstehung des Schlafs und Traums oder die relative identifikatorische Selbstvergessenheit des Betrachters im Kino. Außerdem gleichen die dem intrauterinen Empfinden bzw. dem Zustand eines Säuglings, der, ebenso bewegungsarm, sich als Einheit mit der nährenden Mutterbrust empfindet. Was schon Freud über den Traum sagte, und diese Aussage kann auch für das Kino gelten: Der Traum ‘ist somatisch eine Reaktivierung des Aufenthalts im Mutterleibe mit der Erfüllung der Bedingungen von Ruhelage, Wärme und Reizabhaltung.’ Der französische Arzt Jean-Louis Baudry vergleicht nun dies äußere ‘Dispositiv’, das Setting des Kinos, mit Platons Höhle. Gleich sei die Dunkelheit, gleich die Unbeweglichkeit, gleich das realitätstäuschend vorgegaukelte Spiel. Die oben genannten äußerlich beruhigenden Faktoren führten nach Metz bei körperlicher Ruhigstellung (sous-motricite) im Film wie im Traum zu einer Überbesetzung der Wahrnehmung (sur-perception): Spannungsenergie, die normalerweise motorisch umgesetzt oder ausagiert würde, muß im perzeptiven Apparat verbleiben. Die Einheit beider Faktoren, sous-motricite und sur-perception, fördert die Identifikation und hat eine lustvolle Einheit mit dem Wahrgenommenen zur Folge. Befriedigung identifikatorischer Sehnsucht durch Traum und Film: ‘Perhaps the desire forasense of unity with the extemal world, like that unity established in our earliest experiences as dreamers, explains the motive for the birth of cinema,’ schreibt der Psychoanalytiker Robert Eberwein. Seine These ist, daß ein von der Mutterbrust abgeleiteter phantasmatischer ‘Dream-Screen’ in unserem Inneren die Projektion von Traumbildern und die Perzeption von Filmbildern erst ermöglicht. Möglicherweise sind es frühe Traumerfahrungen, die die Natürlichkeit der Identifikationsleistung im Kino bedingen. Auch die Tatsache des frühkindlichen narzißtischen Einheitsgefühls mit der Umwelt mag erklären, warum uns der Film so fesselt.

Über den Autor

Stefanie Graul besuchte von 1990 bis 93 die Fachakademie für Fotodesign in München. Sie schloss mit einer bildjournalistischen Arbeit bei Dieter Hinrichs ab. Im selben Jahr machte sie sich selbständig und begann für Kunden in Industrie und Presse zu arbeiten. Nebenbei schrieb sie Artikel für Filmzeitungen und arbeitete als Lektorin für Pro 7. Von 1996 bis 1999 studierte sie Philosophie: ihre Magisterarbeit beschäftigt sich mit psychoanalytischer Filmtheorie. Zahlreiche Reisen führten sie nach Lateinamerika. Momentan promoviert sie über die mexikanischen Zapoteken. Sie hat einen Lehrauftrag für Gendertheorie und Fotografie an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München und wird von den Bayerischen Fachhochschulen gefördert. Im vergangenen Jahr (2012) erschien ein Artikel von ihr über weibliche und männliche Körperbilder in der Fotografie.

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