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- Eine qualitative, empirische Studie des Erlebens der Sportart Windsurfen
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2020
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Worin besteht die andauernde Faszination der anfänglich zumeist von Seglern belächelten und verspotteten Aktivität der Stehgeiger , Billigsegler oder Mopedfahrer der See , und wie gelingt es ihr, Glücksmomente und Spaß zu generieren? Zieht man Berichte aus einschlägigen Fachmagazinen heran, so ist hier von einem Gefühl des Losgelöstseins und der Befreiung vom Leistungszwang die Rede. Die vorliegende Studie geht dieser Frage nach. Sie untersucht den Windsurfsport dabei aus der Perspektive seiner Protagonisten, indem sie sich für deren Erleben bei der Tätigkeit des Windsurfens interessiert und dieses ausführlich und konkret beschreiben lässt. Um diese Erfahrungen umfassend und adäquat erfassen zu können, bedient sie sich einer entsprechenden qualitativen Forschungsstrategie, wie sie das theoretische und methodische Konzept der Morphologischen Psychologie nach Salber bereitstellt. Damit ist innerhalb der sportpsychologischen Forschung ein exzeptioneller und vakanter Erkenntnisweg eingeschlagen, der zudem im Zusammenhang mit dem Windsurfsport erstmals angewendet wird.
Textprobe: Kapitel 3.5, Körper- und Bewegungserleben beim Windsurfen (Strehle, 1994): Ausgehend von der soziologischen Systemtheorie nach Luhmann (1988) und des theoretisch-methodischen (Interview-)Ansatzes von Zahn (1993) als wissenschaftliche Referenzsysteme geht es Strehle (1994) in seiner im Rahmen einer Diplomarbeit durchgeführten empirischen Untersuchung Körper- und Bewegungserleben im Sport am Beispiel der Sportart Windsurfen darum, die Erlebnisqualität des Windsurfens, insbesondere aber das Spaßmotiv, als eines der wichtigsten Prinzipien heutigen Sporterlebens (ebd., 4), näher zu erforschen. Um dicht (ebd., 19) an die Erfahrungs- und Einstellungswelt des Windsurfers heranzukommen, führt er fünf ca. 40 bis 90-minütige Interviews mit ausschließlich sehr guten und wettkampferfahrenen weiblichen und männlichen Windsurfern durch, da nur diese, seiner Meinung nach, über einen ausreichend großen Erlebnisschatz (ebd., 68) verfügen, mit dem das Körper- und Bewegungserleben beim Windsurfen erfaßt werden könne. Die angewendete Interviewmethode enthält sowohl eine qualitative als auch eine quantitative, standardisierte Ebene und ist in drei Phasen eingeteilt: In der ersten Phase soll der Proband die ihm vorgelegten 18 schriftlichen Erlebnisaussagen (sogenannte Text-Items) auf ihren Realitätsgehalt mittels einer Fünf-Punkte-Wertungsskala beurteilen. In der zweiten Interviewphase hat der Proband dann die Möglichkeit, seine Wertung zu kommentieren und in der dritten Phase darf der Interviewer nachfragen. Bei den Text-Items, die den offenen aber vorstrukturierter Leitfaden für die Interviews ausbilden, handelt es sich um zwei bis fünf Sätze umfassende Zitate verschiedener Verfasser zum Windsurfen, die Strehle aus Lehrbüchern, Sportzeitschriften, Kultbüchern (ebd., 21), aus der flow-Forschung und psychologischen Untersuchungen zur Fortbewegung zusammengestellt hat und seiner Meinung nach die wichtigsten Sinnmomente des Erlebens beim Windsurfen wiedergeben. Diese Text-Items beschreiben etwa rauschartige Gefühlszustände (1), das Gleiten (2), das soziale Moment (ebd., 23) (3) und die Bedeutung der Füße (4), die Naturgewalt Wind (5), die Angst (6), das Springen (7), Momente gedehnten Zeiterlebens (8), das Erlernen neuer Manöver (9), Momente der Weltausgrenzung (ebd., 26) und Rauschzustände (10), die Auflösung von Raum und Zeit (11), die Bedeutung der Natur (12), Bewußtseinsveränderungen beim Surfen (13), Intelligenz und Kunst im Windsurfen (14), die Wahrnehmung Windsurfer-Umwelt (15), Momente des Glücks (16), den Vergleich (Vogel-)Flügel-Segel (17) und das gesteigerte Empfinden der eigenen Existenz beim Windsurfen (18). Eine erste Auseinandersetzung Strehles mit der Thematik erfolgte mittels eines selbsterstellten Protokolls, in dem er Erlebbares, Besonderes, Genuß- und Lustvolles sowie Gefühle bei der Tätigkeit des Windsurfens anhand eigener Erfahrungen schildert. So berichtet er von einem ungeduldigen Spannungszustand beim Aufbau seiner Gerätschaft. Er sei aufgeregt und freue sich, wieder einmal auf das Surfbrett zu kommen. Diese positive Spannung könne aber bei Problemen während des Aufriggens in einen nervösen Gefühlszustand übergehen. Der Autor stellt ferner die Bedeutung des Windes heraus. Dieser sei für ihn nicht nur eine Informationsquelle bezüglich der Wahl des entsprechenden Materials (Brett- und Segelgröße), sondern verstärke die beschriebene Spannung durch seine gewisse Offenheit (ebd., 6), denn die Windverhältnisse könnten sich ständig ändern. Wenn der Wind in das Segel blase, spüre Strehle zudem einen deutlichen Zug in den Armen und Händen, der sich durch den ganzen Körper bis in die Zehen fortsetze. Das Geilste (ebd., 7) am Windsurfen sei jedoch das Gleiten, denn hier lasse die Anspannung nach und man könne sich gemütlich (ebd.) in sein Trapez setzen. In den Füßen verspüre Strehle ein angenehmes Kribbeln und er vernehme ferner ein Summen des Brettes beim Übergang ins Gleiten. Da der Fahrtwind und die Geschwindigkeit im Gleiten soweit zunähmen, könne man hier von einem Geschwindigkeitsrausch (ebd.) sprechen, in den man verfalle. Oft nehme der Autor dann eine Hand vom Gabelbaum und lasse sie ins kühle Wasser tauchen, wodurch sich ein angenehmer Kontakt (ebd.) zum Wasser herstelle. Besonders angenehm sei das Gleitgefühl, wenn er in warmen Ländern den Wind und das Wasser ohne Surfanzug spüren könne. Dieses ganzheitliche Wahrnehmen (ebd.) erkläre wohl das unbeschreiblich schöne Gefühl im Gleitzustand. Strehle berichtet ferner, daß es ihm auf dem Wasser schwer falle, die Zeit richtig einzuschätzen. Diese vergehe bei schönen Tätigkeiten (Manövern) wie im Fluge (ebd., 8), während sie ihm beim Zurückschwimmen, etwa aufgrund nachlassenden Windes, wie eine Ewigkeit vorkomme. Trotz geistiger und körperlicher Erschöpfung fühle er sich abends, nach einem schönen Surftag, einfach göttlich , voll zufrieden (ebd.) und habe gute Laune. Die angenehme Müdigkeit lasse ihn wie ein Stein schlafen. Die quantitative und qualitative Auswertung der Interviews ergab, daß alle Probanden der Existenz rauschartiger Zustände (Text-Item 1 und 10) im Windsurfen bestätigten. Da sich ein Befragter im sogenannten Speedrausch total sicher (ebd., 34) und angstlos fühle, spricht der Autor hier in Anlehnung an Csikszentmihalyis (1985) Erkenntnissen von Flow-Erleben, denn dieser Zustand sei charakterisiert durch das Gefühl der potentiellen Kontrolle über die Umwelt und der Angstlosigkeit. Eine weitere Probandin verbinde Rauscherleben mit Unbeschränkt-Sein, d.h. sie erlebe einen Rausch, nur wenn es auf dem Wasser nicht zu voll sei und die (Wetter-)Bedingungen entsprechend seien. Deutlich vom Windsurfrausch abgrenzen würden die befragten Windsurfer den Drogenrausch, da bei diesem alle Konturen verschwimmen würden und ein Verlust der Kontrolle zu verzeichnen sei. Diese sei beim Windsurfen jedoch sehr wichtig. Auch das Gleiten (Item 2) sei, so weise es die durchgängig höchste und freudige Zustimmung der Probanden aus, ein außerordentlich wichtiges Erlebnismoment (ebd., 36) im Windsurfen. Für eine Probandin sei es eine der wichtigsten Erfahrungen (ebd., 36) und das Interessante am Windsurfen. Er könne süchtig machen. Ein weiterer Proband berichtet sogar, einen ganzen Nachmittag lang auf (ausreichend) Wind zu warten, um ins Gleiten kommen zu können. Des weiteren wird das Gleiten im Windsurfen mit dem Motorrad fahren verglichen und dann herausgestellt, daß man bei beiden Tätigkeiten ein tolles Gefühl beim Kurvenfahren (habe), weil du mit voller Geschwindigkeit, ohne abzubremsen, dich in die Kurve reinlegen kannst, oder um die Kurve halst und du verlierst dann nicht viel an Geschwindigkeit (ebd., 38). Bezüglich des sozialen Erlebens (Item 3) stellt Strehle fest, daß es den Probanden zwar viel mehr Spaß mache, wenn sie gemeinsam mit mehreren Leuten auf dem Wasser surften beziehungsweise wenn nicht zu viele Surfer auf dem Wasser seien, doch sei das ‚soziale Moment’ beim Windsurfen, nicht so bedeutsam wie etwa in den Mannschaftssportarten. Das Windsurfen sei nämlich geprägt von starker Individualisierung, was die Aussage eines Befragten Du bist da wirklich ganz alleine mit dir und dem, was du kannst (ebd., 40) allgemeingültig verdeutliche. Die Individualität eines jeden Windsurfers zeige sich ebenfalls beim Erlernen neuer Manöver (Item 9). So sei für die Probanden das Erlernen neuer Manöver zwar von großer Bedeutung, doch würden sie selbst entscheiden, ob und welches Manöver sie lernen wollten. Strehle kommt ferner zu der Auffassung, daß die Füße (Item 4) beim Windsurfen ein bedeutendes Wahrnehmungsinstrument (ebd., 43) seien. Alle Pb bevorzugten das Barfußsurfen, das von ihnen als beliebt und etwas Besonderes erachtet werde. Durch den barfüßigen, direkten Kontakt zum Wasser hätten sie nämlich bessere Kontrollmöglichkeiten als mit Schuhen. Das Brett würde ebenfalls als Mittel angesehen, um einen direkten Kontakt zum Wasser herstellen und so die Umwelt neu und andersartig, eben direkt wahrnehmen zu können. Die Naturgewalt Wind (Item 5) fasziniere alle Befragten. Einer beschreibe das Windsurfen sogar als Spiel mit dem Wind (ebd., 45). Des weiteren scheine es so, als mache es den Probanden besonderen Spaß, mit dem ganzen Körper zu fühlen (ebd., 45), d.h. den leichten Wind etwa mit der Körperbehaarung an den Extremitäten zu spüren. In diesem Zusammenhang seien die Elemente Wind und Wasser als Motivatoren (ebd.46) anzusehen, denn die befragten Windsurfer gingen ja nicht aus finanziellen Gründen surfen. So stark (‚natürlich’) motiviert scheine die körperliche Anstrengung beim Windsurfen gar nicht als solche bewußt zu sein. Erst nachher würden die Folgen der Anstrengung bemerkt. Strehle sieht hierfür physiologische Ursachen (erhöhter Metabolismus und verstärkte Endorphinausschüttung) verantwortlich, mit denen er auch das Auftreten von Rauschzuständen begründet. Angsterleben (Item 6) gehöre nach Auswertung der Interviews zum Windsurfen dazu, sei aber kein anzustrebendes Sinnmoment (ebd., 48) in dieser Sportart, denn Angst bedeute Kontrollverlust. Der Nervenkitzel, der am Rande des Kontrollverlustes entstehe und folglich eine abgeschwächte Form der Angst darstelle, würde jedoch angestrebt, da die Probanden immer wieder versuchen würden, beim Windsurfen ihre Könnensgrenzen zu erreichen. Das Springen (Item 7) wird von den Befragten in unmittelbarem Zusammenhang mit gedehntem Zeiterleben (Item 8) erlebt. Ein Proband beschreibt etwa den in Item 7 erwähnten sogenannten Table Top als ein Zeitlupenerlebnis (ebd., 49). Auch der im Item 16 enthaltene Vergleich Springen und Fliegen wird von allen angenommen. Strehle berichtet von sichtbarer Freude oder Erstauntheit seitens der Probanden bei der Lektüre dieses Items. Den offensichtlich empfundenen Spaß an diesem gedehnten Zeitempfinden sieht er in der Möglichkeit begründet, sich beim Windsurfen von der Uhr frei machen (ebd., 52), d.h. den Streß, die Hektik und den Zeitdruck im alltäglichen Leben vergessen und sich ablenken zu können. Eine Befragte erzählte, sich sogar in Trance versetzen zu können. Allerdings erlebe sie ihre eigene Existenz beim Windsurfen, wie in Item 18 behauptet, nicht als gesteigert. Bei einem Gewitter, so berichtet ein weiterer Proband, habe er sich auf dem Wasser vielmehr als (hilfloser) Wurm (ebd., 67) empfunden. Da alle das 12. Item voll bestätigten, vermutet Strehle, daß das Naturerlebnis beziehungsweise das Sich-Bewegen in der Natur ein sehr bedeutendes und verbreitetes Sinnmoment für Surfer sei. Beim Lesen dieses Items hätten sich die Probanden an einen oft lang zurückliegenden schönen Windsurftag erinnert, einem Big Day (ebd., 57), an dem die eigene Leistung und die äußeren Bedingungen (etwa 6 Windstärken und 3 Meter hohe Wellen) gestimmt hätten. Für die Probanden sei es ferner schön, an der Ästhetik des Meere (ebd., 63) teilzuhaben. Beim Beobachten des Meeres beziehungsweise der Wellen nach dem Surfen würde die eigene (schöne) Tätigkeit noch einmal reflektiert und auf schöne Erlebnisse zurückgegriffen, wodurch sich dann eine tiefe Zufriedenheit und ein Glückszustand (ebd., 64) einstellen würden. Auch die Schönheit der Landschaft wird von einer Befragten beim Windsurfen genossen. Dies falle an einem leeren Strand, etwa in Dänemark, leichter.
René Bastijans ist Diplom-Sportwissenschaftler und hat seinen Abschluss an der Deutschen Sporthochschule in Köln erworben. Derzeit ist er als Partner eines Marktforschungsinstituts tätig.
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