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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Abb.: 7
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Bei der Betrachtung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik fällt der mediale Schwerpunkt seit Jahrzehnten auf das vermeintlich Sichtbare: Gewalt gegen Menschen anderer Herkunft und Überzeugung, Hakenkreuzschmierereien und NPD. Über Jahrzehnte wurde so die Illusion eines rechten (von wenigen Akteuren wie der NPD dominierten) Randes in der Gesellschaft der Bundesrepublik konstruiert und die Rolle der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft ignoriert. Die vorliegende Untersuchung soll deutlich machen, dass rechtsextreme Ideologeme schon lange anschlussfähig an eine vermeintliche Mitte der Gesellschaft sind. Diese Anschlussfähigkeit wird im vorliegenden Buch über ideologische Berührungspunkte in den Bereichen der Esoterik, Ökologie und der Sozialen Fragen herausgearbeitet. Hierfür werden neben den Definitionen des Rechtsextremismus und seiner ideologischen Versatzstücke die geschichtliche Entwicklung hin zu einer Neuen Rechten und relevante Beispiele für die alten und neuen Verpackungen des Rechtsextremismus untersucht.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.1, Geschichtlicher Abriss: ‘Mit der Bildung des deutschen Nationalstaats (1871) und der industriellen Revolution hatte sich ein Bedeutungswandel des Nationalismus vollzogen. […] nach Vollendung der deutschen Einheit [zielte der Begriff] auf die Bewahrung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse, auf die Abwehr von demokratischen und sozialistischen, internationalistischen und ultramontanen (katholisch-abendländischen) Bestrebungen und auf die Stärkung der Machtstellung Deutschlands in der Welt.’ Die Quelle des organisierten Rechtsextremismus liegt um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert: Zunächst in der antiliberalen und antisozialdemokratischen Sammlungspolitik des Lagers der Deutschkonservativen und schließlich nach dem Sieg der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bei den Reichstagswahlen 1912 im kollektiven Kampf der Repräsentanten aus Mittelstand, Industrie und Landwirtschaft gegen die ‚rote Flut‘. Die Geburtsstunde des Rechtsextremismus in Deutschland datiert sich am Vorabend des 1. Weltkrieges als sich ‘entgegen der offiziellen Rechtfertigung des Krieges als Verteidigungskrieg, […] die nationalistische Opposition um eine breite Sammlung aller Kräfte…’, bemühte, die unter anderem auf territoriale Eroberungen aus waren und innere Reformen um jeden Preis verhindern wollten. Es waren zu diesem Zeitpunkt radikale Nationalisten, die sich zum Widerstand gegen die eigene Klasse formierten. ‘Aus einer Opposition innerhalb des Systems war eine Opposition gegen das System geworden, die selbst das monarchische Prinzip in Frage stellte…’. Um solch eine für konservative Kreise bis dahin unvorstellbare Einstellung und die damit verbundene Radikalität zu rechtfertigen, bedurfte es eines ideologischen Unterbaus bzw. einer ideologischen Rechtfertigung. Grundlage für die neue Fundamentalopposition der radikalen Nationalisten war die Überzeugung, dass das Deutsche Reich von Innen und Außen aufs äußerste bedroht sei. Aus der konservativen Weltanschauung wächst infolge eines empfundenen und propagierten Versagens des herrschenden Konservatismus die gegen sie gerichtete rechtsextreme Ideologie. Es kommt nun zur Überhöhung und einseitigen Interpretation vermeintlicher Bedrohungen. Mittels Anknüpfung an bestehende Ängste einer möglichst breiten sozialen Basis will der neu entstandene deutsche Rechtsextremismus den ‘Ruf nach einer autoritären Lösung’ soweit verstärken, dass eine Machtübernahme von rechts möglich wird. Zentrales Merkmal des Rechtsextremismus ist aber nicht nur ein geforderter Autoritarismus bis hin zum Führerprinzip, um der Bedrohung von außen und innen begegnen zu können, sondern auch die völkische Fundierung des Nationalstaats. Eine große Rolle spielen in diesem Zusammenhang die aufkommenden Rassentheorien mit dem Judentum als ‚Gegenrasse‘. Kern der Rassentheorien ist die Annahme, die Menschheit bestehe aus Rassen, die sich aufgrund biologischer Merkmale qualitativ voneinander unterscheiden. Dies führt zu einem biologischen Rassismus mitsamt einer politischen Konkretisierung des Sozialdarwinismus unter ausdrücklicher Berufung auf das Reinheitsgebot. Die Verbindung der Rassentheorien und der Gleichsetzung der Juden mit einer Gegenrasse und die gleichzeitige Annahme einer Bedrohung des Volkes und der Nation von Innen führen zum Antisemitismus als Element der rechtsextremen Ideologie. Ferner stellt das Führerprinzip bzw. ein Autoritarismus als Ideologem des Rechtsextremismus ein konsequentes Ergebnis des Sozialdarwinismus als Ordnungsprinzip des Inneren dar. Dieses Ordnungsprinzip meint die Durchgestaltung einer Rasse, einer Nation und damit einer ganzen Gesellschaft nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Abgeleitet vom Prinzip des Autoritarismus und dessen Verwirklichung bedarf es innerhalb einer Gesellschaft einer straffen militärischen Organisation, was wiederum zum Militarismus als weiteres Ideologem des Rechtsextremismus führt. Dieser Militarismus stellt die Basis für einen völkischen Imperialismus dar, der in Verbindung zum Sozialdarwinismus der arischen Rasse das Recht einräumt, ‚minderwertige‘ Rassen und Gebiete zu unterwerfen. Mit der sich abzeichnenden Niederlage Deutschlands 1917 kommt es zur Bildung der ersten konsequent rechtsextremistischen Partei auf nationaler Ebene, der Deutschen Vaterlandspartei (DVLP). Die Kapitulation der Wehrmacht, der Zusammenbruch des Kaiserreiches und die Novemberrevolution beenden die kurze Existenz der DLVP. Als Gegengewicht zum Liberalismus des bürgerlichen Lagers und zu den sozialistischen Ansprüchen der Arbeiterparteien organisiert sich schließlich die Deutschnationale Volkspartei (DNVP). Sie stellt zu diesem Zeitpunkt das Sammelbecken der republikfeindlichen Kräfte dar und richtet sich gegen Demokratie und Sozialismus. Bis zum Aufkommen und Erstarken der Nationalsozialistischen Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) blieb sie führende rechtsextremistische Kraft in der Weimarer Republik. Der NSDAP gelingt es im Laufe der Jahre immer mehr Rückhalt und Akzeptanz in allen gesellschaftlichen Schichten zu erlangen. Als es dann schließlich zur Weltwirtschaftskrise kommt, gewinnen die Nationalsozialisten endgültig die Hegemonie im rechten Lager in Deutschland. Ideologisch kann der Nationalsozialismus an die nationalistische Opposition vor 1918 anknüpfen. Allerdings kommt es zu einer Verstärkung der rassistischen, antisemitischen und antikapitalistischen Komponenten der Ideologie. Dem Nationalsozialismus ist zudem ein bis dahin unvergleichbarer Größen- und Verfolgungswahn immanent. Für Kurt Lenk sind ‘Verfolgungswahn und Größenwahn […] die beiden Kernelemente rechtsextremistischen Denkens’ . Nach Lenk führe Größenwahn zu Nationalismus, Ethnozentrismus, Elitismus, Rassismus, Heroen-Mythen, zum Führerprinzip und zur Beschwörung der Volksgemeinschaft. Verfolgungswahn erzeuge zudem Feindbilder, Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Untergangsbefürchtungen, Angst vor multikultureller Unterwanderung, Bürgerkrieg, Anti-Intellektualismus, Chaos und Klassenkampf. Das Prinzip der politischen Totalität, die der Nationalsozialismus bis zur traurigen Perfektion brachte, kann als unmittelbare Konsequenz von Größen- und Verfolgungswahn gesehen werden. Politische Totalität bedeutet im Nationalsozialismus die Unterdrückung aller abweichenden Überzeugungen, der Gleichschaltung aller Verbände, Gruppierungen und Vereine und die Unterwerfung von Wirtschaft, Religion und Kultur unter den Machtanspruch der Partei. Hinzu kommt das Prinzip der nationalen Einheit im Sinne eines Unitarismus mit dem Ziel eines ‚Großdeutschen Reichs‘. Nach Ende des Nationalsozialismus beginnt in den westlichen Besatzungszonen ebenso wie im Osten Deutschlands eine rigorose Zerschlagung aller nazistischen Organisationen und Strukturen, die Inhaftierung und Internierung von Funktionären der NSDAP, von SS- und Wehrmachtsangehörigen und eine umfangreiche Entnazifizierungsaktion. Trotz aller Bemühungen gelingt es vielen Trägern des nationalsozialistischen Systems, Deutschland zu verlassen und sich der Verantwortung zu entziehen. Gleichzeitig kam es zur Schaffung terroristischer Gruppen, wie etwa die ‚Werwölfe‘, die allerdings schnell wieder zerschlagen werden konnten. Andere versuchten sich den Verhältnissen anzupassen und traten in die neugebildeten Parteien ein, während wieder andere bereits Ende 1945 versuchten, demokratisch kaschierte Parteien der extremen Rechten und Altnazis ins Leben zu rufen. So gründen beispielsweise ehemalige Führungskräfte der DNVP im Oktober 1945 die Deutsche Konservative Partei (DKP). Bei den Wahlen zum ersten Bundestag erhält die inzwischen zur Deutschen Konservativen Partei/ Deutsche Rechtspartei (DKP/DRP) fusionierte Partei über 429 000 Stimmen und zieht mit fünf Abgeordneten in den Bundestag ein. Ein zweiter restaurativer Strang wird anhand der stark von Altnazis durchsetzten Deutschen Partei (DP) deutlich. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht stellt sie unter der ersten Regierung Adenauer sogar zwei Minister. Anfang der 60er Jahre wurde die DP fast vollständig von der CDU aufgesogen. Mit der Konstituierung der Bundesrepublik 1949 fällt schließlich die vorher vorgeschriebene Lizensierung von Parteien durch die alliierten Besatzungsmächte weg. Im Zuge des sich verschärfenden Kalten Krieges erlischt auch das Interesse der Westalliierten hinsichtlich einer weiteren Entnazifizierung Westdeutschlands. Die Folge ist das Aufkommen offen rechtsextremistischer Parteien, allen voran die Sozialistische Reichspartei (SRP) 1949, bereits 1952 kommt es aber nach einem schnellen Aufstieg der Partei zum Verbot durch das Bundesverfassungsgericht. In der Folgezeit bleibt die extreme Rechte in Deutschland zunächst mehr oder weniger bedeutungslos. Erst Mitte der 60 Jahre kommt es mit der Gründung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) zu einem ‘regelrechten Boom im Rechtsextremismus der Bundesrepublik’. Die NPD sammelte in dieser Zeit nicht nur Sympathisanten aus allen gesellschaftlichen Schichten und insgesamt im rechten Parteienspektrum, sondern schaffte es auch, internationale Kontakte zu knüpfen. Die geistigen Leitlinien der NPD sind zu dieser Zeit ein extremer Nationalismus und Rassismus, das Leugnen der deutschen Kriegsschuld und die Forderung nach Rückgabe der Ostgebiete. Die Geschichte der NPD ist durch wechselhafte Erfolge gekennzeichnet. Auf der einen Seite gelingt es ihr immer wieder in Parlamente einzuziehen, neue Anhänger und Gruppierungen (Freie Kameradschaften, rechte Skinheads) zu gewinnen und sich als Sammelbecken – auch unorganisierter - rechtsextremer Akteure in der Bundesrepublik zu etablieren. Auf der anderen Seite verliert sie infolge sich verändernder politischer Strukturen und Gegebenheiten immer wieder an Mitgliedern und damit an Bedeutung. Konkurrenz – phasenweise allerdings auch Unterstützung – erhält die NPD von der 1971 gegründeten DVU und der 1983 gegründeten Partei Die Republikaner. Während die DVU über relativ kurze Zeiträume immer wieder die Nähe zur NPD – in Form von Kooperationen und Wahlkampabsprachen – suchte, distanzierten sich die REPs relativ deutlich von beiden Parteien, um konservative bis rechts-konservative Wähler für sich zu gewinnen und den Vorwurf des Rechtsextremismus und gedankliche Verbindungen zum Nationalsozialismus abzuschütteln. Für alle drei Parteien gilt, dass ihre Existenz von Phasen des Erfolgs geprägt sind und waren, auf die allerdings auch immer Phasen des Niedergangs folgten. Diese wiederum resultieren vor allem aus internen Führungsstreitigkeiten. Entsprechend des RM – Ansatzes liegt der Verdacht nahe, dass infolge des Erfolgs mehr Ressourcen zur Verfügung standen, die allerdings zu Verteilungs- und so zu Führungsstreitigkeiten führten.

Über den Autor

Jan Sydow, M.A., wurde 1982 in Berlin geboren. Sein Studium der Sozialwissenschaften an der Humboldt Universität zu Berlin schloss der Autor im Jahre 2008 mit dem akademischen Grad Master of Art erfolgreich ab. Bereits während des Studiums beschäftigte sich der Autor umfassend mit den historischen und aktuellen Entwicklungen im Bereich des Rechtsextremismus. Die Gefahr rechtsextremer Ideologeme und ihrer einseitigen medialen und gesellschaftlichen Wahrnehmung motivierte ihn, sich der Thematik des Rechtsextremismus und dessen zahlreichen Erscheinungsformen zu widmen.

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