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- Die Macht des Vorurteils revisited. Eine Analyse des Antirassismus nach Pierre-André Taguieff
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Tagtäglich begegnet man in allen Medien rassistischen Übergriffen, Regimen oder Ideologien. Dem Rassismus gegenüber steht der Antirassismus, der den Rassismus kritisiert und lobenswert erscheint. Im vorliegenden Buch wird die Frage diskutiert, ob sich diese beiden Begriffe tatsächlich so gegenüberstehen, wie behauptet wird, oder ob auch der Antirassismus der Macht des Vorurteils unterliegt. Das Werk Die Macht des Vorurteils. Der Rassismus und sein Double von Pierre-André Taguieff, dessen Argumentationskern herausgearbeitet und verständlich gemacht wird, steht dabei im Mittelpunkt. Durch die Textanalyse wird es möglich, die Zusammenhänge und Arbeitsweisen des Buchs zu klären, was einen tiefen Einblick in die gewagte These ermöglicht und diese leichter nachvollziehbar macht.
Textprobe: Kapitel 2.4 Das Wort Rassismus in Alltag und Wissenschaft: Rassismus als Begriff ist uneindeutig nebulös und nur schwer bestimmbar. Wenn wir den Antirassismus verstehen, können wir daraus möglicherweise ableiten, was Rassismus in etwa bedeutet. Antirassismus setzt als gedankliches System ja voraus, was Rassismus ist, bzw. was er gerade nicht ist – von welchem Punkt aus er selbst unbelastet agieren kann und wie ein binäres Schema (gut / schlecht) aufrechterhalten werden kann. Der Antirassismus muss deshalb hier hinterfragt werden um einen, von Polemik freien Kern herauszuschälen. Antirassist ist also der, der Rassismus missbilligt, ihn ablehnt oder sogar bekämpft. Das Bild das hierbei vom Rassismus gezeichnet wird, ist das des Anderen, der zum Gegner erklärt wird, der selbst entweder Opfer seiner Unwissenheit, einer Illusion, eines wahnhaften Geistes ist, oder aber willentlicher Vollstrecker einer perfiden Ideologie. Diese Bilder, die den Diskurs prägen unterliegen einer symbolischen Ordnung, die sich gegenseitig verstärkend ein symbolisches und damit auch politisches Feld abstecken, welches ja letztlich der Kern dieser Arbeit hier sein soll (und ist). Denn wenn Diskurse weder aus dem Boden wachsen noch vom Himmel fallen, sondern als Ergebnisse gesellschaftlichen Mit- und Gegeneinanders ernst genommen werden, dann sind sie unweigerlich mit Fragen der Politik verknüpft . Unwirksam ist der Kampf gegen den Rassismus so lange, wie er sich mit Mythen umgibt und den erklärten Feind auf ein fiktives Bild reduzieren, welches aufzeigt, was der Rassismus für den Antirassismus gerne sein soll, aber nicht was er ist. Die rassistische Manier, die hier dem Antirassismus vorgeworfen werden muss, ist eben sein Unvermögen zu erkennen, selbst in Mustern zu verfahren, die er seinem Gegenspieler ja zur Last legt. Deutlich aufzeigen lässt sich dieses an der Semantik, mit der dem Rassismus begegnet wird, obwohl man ihm diese als Anklagepunkt vorwirft und mit welcher auch stets versucht wird, diesen zu erkennen. Worte, die in pathologischer, zoologischer oder unreiner Metaphorik verfahren, sind Ausdruck der Inkonsistenz. Wenn ein Rassist als Nazi-Schwein oder dreckiger Rassist bezeichnet wird, spricht dies Bände. Eine Rhetorik, die animalisiert oder kriminalisiert, ist somit die Doublette, die der wechselseitigen Etikettierung anhaftet. Stereotypen sind gegenseitig austauschbar und eine Mythologisierung des Gegners führt zur Umkehrung der Argumente oder Vorwürfe: Der antirassistische Diskurs funktioniert gerade unter der Bedingung der Verkennung der Paradoxa, die mit der mimetischen Rivalität von Rassismus und Antirassismus verbunden sind. Das sauber gezeichnete Bild des Rassisten, der in derartigen Grenzen fiktiv bleiben muss, kann nur widerlegt und auf neue Grundlagen gestellt werden, wenn Vorurteile im eigenen Lager erkannt und bekämpft werden. Eine schonungslose Selbstanalyse muss durchgeführt werden, die das mythische Element in 'unserem' Diskurs aufdeckt, den 'wir', die wie die 'Anderen' des Rassismus, seine fehlerlosen Feinde sein wollen, nicht ohne eine gewisse Arroganz und Naivität führen . Die Dekonstruktion eigener Bilder, Mythen und Formeln scheint notwendig, um eine Selbstanalyse durchzuführen, bevor versucht werden soll, den Anderen, also den Rassismus zu analysieren. Eine Selbstanalyse wiederum, kann mit dem Umreißen des Begriffs selbst einsetzen. Rassismus scheint sich – ähnlich dem Präfix Anti - als Differenz gegen Kollektive zu richten. Eine Feindseligkeit steht hier im Mittelpunkt, die sich gegen Andere, wie z.B. Juden, Araber, etc. stellt. Diese Verwendung, die durch negative Erinnerung (nämlich an den Nazismus) bekräftigt wird, dient der Delegitimierung der jeweils dieser Verwendung beschuldigten und präsentiert gleichzeitig die Opfer, welchen quasi durch das Anprangern der Täter , als Opfer generelle Unschuld zugeschrieben wird. Diese Opfer werden allerdings als quasi-Rasse halluziniert, indem ein Rassismus gegen XY angeprangert und der Einteilung in Rassen zugearbeitet wird. Eine Wahrnehmung von Anderen als Gruppen ist somit Vorläufer dessen, was angeprangert, aber gleichzeitig dadurch begünstigt wird: Indem man dem Objekt der Erkenntnis einen Namen gibt, beruft man es dazu, dies zu sein, d.h. man appelliert an das wissenschaftliche Interesse. (…). Doch die Schematisierung ist (…) dazu verurteilt, durch polemische Zielsetzungen (…) kontaminiert zu werden . Die Delegitimation des Rassismus trägt so selbst ungewollt zur Rassisierung bei, da durch eine Legitimierung der polemischen Kritik am Rassismus, einer Differenzierung Tür und Tor geöffnet wird: Wenn Rassisten oder deren Opfer als Gruppe vorgestellt werden, ist es argumentativ schwierig, gegen einen Gruppismus vorzugehen. Andererseits wird der Begriff Rassismus auch seiner vormaligen Semantik enthoben, da er so umfassend gebraucht wird, dass er beliebig mit Inhalten gefüllt werden kann. Er passt in scheinbar jede Konfliktsituation als Waffe, die zur Delegitimation des Anderen eingesetzt wird, der anders, untergeordnet / minderwertig ist oder die Spezifizität der Gruppe oder selbst den Egoismus des Einzelnen bedroht . Das Wort verkommt zur Unbestimmtheit und die Verwendung als Waffe hemmt den konzeptionellen Wert. Der Begriff wird dem Gegner, also dem Rassisten, zugeschrieben, dessen Einstellungen in den drei Kategorien des biosozialen Rassismus, des sozioprofessionellen Rassismus und den religiösen Rassismus lokalisiert werden. Rassismus wird also durch eine Exklusion beschrieben, die er auf spezifische Gruppen (soziale Kategorien) anwendet und andererseits sind es diese sozialen Kategorien, die durch eine Markierung visualisiert werden und somit rassenbildend wirken. Taguieff formuliert hier eine erste Definition, welche eben genannte Annahmen zusammenfasst: Es gibt immer dann Rassismus oder Rassisierung, wenn es in der konfliktiven Interaktion verschiedener sozialer Kategorien Modi der Exklusion und biologische (oder 'naturalistische') Marker gibt, die auf eine Kategorie (oder das, was als konstituierte Kategorie gilt) angewandt werden. Eine derart funktionale Begriffsbestimmung lässt uns vermuten, dass die Exklusionsmodi in den Kategorien Alterisierung, Biologisierung und Unterdrückung – wie meist angenommen – verfahren. Eine derartige Gleichsetzung dieser drei Kategorien, führt dazu, sie (die Objektivierten) in jedem Fall generalisiert als Opfer dargestellt werden. Egal ob Klasse, Rasse, Geschlecht, religiöse Minderheiten o.ä., alle gelten als Benachteiligte. Somit wird eine Dichotomie zwischen Tätern und Opfern geschaffen, die der Komplexität nur wenig gerecht wird und ideologisiert ihre Wirkung entfaltet. Daraus folgt, dass die als Rasse Imaginierten per se unschuldig sein müssen und somit legitimiert werden kann, was aus gutem Grund mit Selbstverteidigung und Rechtsschutz beginnt, aber mit einer Idealisierung der Rassisierten endet. Ähnliche Muster finden wir bei anderen großen Ideologien wie dem Totalitarismus (oder: Kommunismus) und dem Terrorismus. Das absolut Böse im Anderen schafft das Gute im Selbst: Die obskuren Systeme heute leisten, was dem Menschen im Mittelalter der Teufelsmythos der offiziellen Religion ermöglichte: die willkürliche Besetzung der Außenwelt mit Sinn(…). Um den Begriff des Rassismus weitergehend zu analysieren, wird er nun in drei Ebenen beschrieben, mit denen wir das Abstraktum genauer umreißen können […].
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