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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der 1920 unter französischem Völkerbund-Mandat konstituierte Staat Libanon verdeutlicht das Ringen zahlreicher externer Akteure um gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Einfluss in der Nah- und Mittelost-Region. Von Israel und Syrien eingeschlossen, liegt die Republik an der Konfliktlinie zwischen dem arabischem Raum und dem israelischen Staat. Die Fülle intervenierender ausländischer Mächte führt zu einer Internationalisierung der innerlibanesischen Angelegenheiten: Das Land ist Schauplatz globaler Konfliktaustragung und wird von verschiedensten Akteuren instrumentalisiert und für eigene Zwecke missbraucht. Dies unterhöhlt die Staatlichkeit, verschärft innenpolitische Spannungen und treibt die Polarisierung der Gesellschaft voran, was das Land schließlich ins Bürgerkriegsverderben reißt. Als 1982 die schiitische Widerstandsbewegung Hisbollah in Reaktion auf die israelische Besatzung gegründet wird, ist der wichtigste libanesische Vetoakteur geboren. Die Partei Gottes wächst im Libanon zu einer bedeutenden Institution heran, die sich im politischen, sozialen und wirtschaftlichen System des Landes etabliert. Sie erfüllt in zunehmendem Maße elementare staatliche Aufgaben. Gegenüber den offensichtlich überforderten und schwachen staatlichen Institutionen tritt sie vermehrt als quasi-staatliche Autorität auf. Diese Studie geht der Frage nach, ob und in welchem Maße der libanesische Staat in der Lage ist, seine Funktionen erfüllen zu können. Kombiniert mit dieser Thematik evaluiert sie die Fähigkeit der Hisbollah als ‚Ersatzspieler‘ zum Staat aufzutreten. Dabei stellen sich mehrere, miteinander verwobene Fragen nach dem wechselseitigen Anpassungsprozess, der genauen Tätigkeit der Hisbollah, ihrer Rolle im politischen System sowie den Zielsetzungen ihrer Handlungen. Ist sie Helfer in der Not und unterstützt wohlwollend die staatlichen Institutionen? Arbeitet sie in Einklang mit den Zielen des Staates und akzeptiert sie dessen Spielregeln und Vormachtstellung? Oder ist die Widerstandsbewegung mit ihrer Quasi-Staatstätigkeit der Grund für die Schwäche der libanesischen Staatlichkeit? Verdrängt sie bewusst die staatlichen Institutionen, untergräbt dabei deren Autorität und verfolgt eigene, zum Staat gar konträre Ziele? Die Untersuchung der Rolle der Hisbollah im libanesischen Staat über die Staatsfunktionen eröffnet eine neue Herangehensweise nicht nur zum Verständnis der libanesischen Innen- und Außenpolitik, sondern zur gesamten Nahost-Problematik. Über die Analyse der Leistungserbringung kann ein Bild von der Partei gezeichnet werden, das sich an ihren Tätigkeiten statt an Ideologien orientiert. Durch den Fokus auf den Libanon werden landestypische Probleme und Schwächen auf der mikropolitischen Ebene rekonstruiert, sowie regionale und nationale Effekte aufgedeckt. Dabei wird die Schlüsselrolle der Hisbollah in der Region deutlich – mit entsprechenden Schlussfolgerungen für die internationalen Beziehungen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.4, Vom Leviathan zum Herrschaftsmanager: 2.4.1, Herausforderungen an den Nationalstaat: In der sich stets beschleunigenden Globalisierung des 20. Jahrhunderts sind Gesellschaft, Wirtschaft und Staat umfassenden Veränderungen ausgesetzt, die sich auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene abspielen. Sie können mit den bekannten Theorien nicht mehr befriedigend erfasst werden. Die anfänglich auf den ökonomischen Sektor beschränkte Liberalisierung und Verflechtung, die bald auf andere Handlungsfelder übergreift, ist durchaus das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen. Doch die Effekte entwickeln bald eine Eigendynamik und schränken die gewohnten Aktionsformen des Staates auf gewissen Feldern beträchtlich ein (vgl. Mayntz 2007: 54ff.). Die Internationalisierung (in Europa vor allem der Prozess der Europäisierung) und Transnationalisierung gehen Hand in Hand und bringen neue, entscheidende Akteure hervor, welche sich aus der hierarchischen Ordnung lösen. Regierungen und Verwaltungen fördern den Internationalisierungsprozess, um ihren Handlungsspielraum im Sinne des Zwei-Ebenen-Spiels von Robert D. Putnam auszudehnen (vgl. Putnam 1988). Politische Parteien erweitern spätestens mit dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte 1987 ihre grenzübergreifenden politischen Ziele. Transnationale Akteure wie die Führungszirkel internationaler Organisationen oder auch der Europäische Gerichtshof oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Bürokratien internationaler Dachverbände treten als Leistungserbringer jenseits des Nationalstaates verstärkt auf. (vgl. Benz 2008: 276ff. & Schuppert 2008: 20) Dies ändert auch die Beschaffenheit der Interaktionsstrukturen. Durch die Globalisierung entwickelt sich ein Denken über Nationalstaatsgrenzen hinweg und politische Funktionsebenen verzahnen sich innen- als auch außenpolitisch. Man spricht hier von der Mehrebenen-Verflechtung, die Dependenzverhältnisse schafft. Die Internationalisierung und Privatisierung tragen zur Stärkung hierarchischer Strukturen durch die Zusammenarbeit von Regierungen auf Kosten von Legislativen und nationalen Interessengruppen bei. Zudem treten vermehrt öffentliche Sektoren miteinander in Wettbewerb, was auf den Effizienzdruck, ausgelöst durch den Standortwettbewerb, zurückzuführen ist. Doch gewinnen in diesem Prozess auch zivile und zwischenstaatliche Akteure mit grenzübergreifenden Zielsetzungen und Organisationsstrukturen in (inter-)nationalen Entscheidungsprozessen an Einfluss, was als transnationale Politikverflechtung bezeichnet wird. Der Radius ihrer Entscheidungen beginnt sich bis weit in die Nationalstaaten hinein zu erstrecken. Beispielhaft ist die innenpolitische Mitbestimmung der Weltbank oder des Internationalen Währungsfonds bei Kreditnehmern. Diese Entwicklungen fördern die Herausbildung von heterarchischen Verhandlungssystemen. So entsteht eine Kombination von neuen Wettbewerbs-, Verhandlungs- und Hierarchieinteraktionsformen (vgl. Benz 2008: 288ff. & Benz/Dose 2010a: 15f.). Eine klare Distinktion zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren wird zusehends verwischt. Die Entgrenzung beziehungsweise Deterritorialisierung führt zur Abschwächung der staatlichen Ordnungsleistung, da zum Beispiel Problemverursacher durch grenzüberschreitendes Verhalten nicht mehr so leicht zur Verantwortung gezogen werden können (vgl. Benz 2008: 291 & Mayntz 2007: 54ff.). Außerdem stellt der Prozess der Denationalisierung durch fehlende Inklusivität ein Demokratieproblem dar. Durch gestiegene Migration sind die hart erkämpften Rechte im Zuge des Aufstiegs vom Bourgeois zum Citoyen für viele Menschen nicht mehr realisiert. Sie leben und arbeiten in einem fremden Staat, genießen dort jedoch keine Staatsbürgerrechte (vgl. Benz 2008: 294). Zudem ist auf der einen Seite durch die Migration eine nachlassende Bindungskraft hinsichtlich der Identifizierung mit dem Nationalstaat zu beobachten, auf der anderen Seite gewinnen nationalistische Gegenbewegungen an Zulauf.

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