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- Die Beziehung zu Kindern in der Krippe gestalten: Gebärden und Gesten als pädagogische Hilfsmittel
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Thema ‚Gebärden und Gesten im pädagogischen Alltag der Krippe' ist ein neues Thema im frühpädagogischen Handlungsfeld. Um diesem Themenkomplex näher zu kommen und als ein Hilfsmittel der Beziehungsgestaltung anzusehen, beschäftigt sich dieses Buch mit den Fragen, ob Gebärden und Gesten in den Institutionen des Elementarbereichs als pädagogisches Hilfsmittel eingesetzt werden können, ob sie die Beziehungsgestaltung zu Kindern in der Krippe beeinflussen können und in welchem theoretischen Rahmen diese begründet werden. Aus theoretischer Perspektive werden zunächst die Bindungstheorie mit ihren verschiedenen Facetten wie der Bindungsentwicklung in den ersten drei Lebensjahren und das Konzept der Feinfühligkeit beleuchtet sowie die Beziehung zwischen Erzieherinnen und Kindern betrachtet. Anschließend werden die kindliche Kommunikationsfähigkeit und deren Entwicklung in den Mittelpunkt des Interesses gestellt. Neben verschiedenen Theorien zur Kommunikationsentwicklung, wie die von Daniel Stern, Jean Piaget oder Lew S. Vygotskij, wird dieser Entwicklungsbereich auch aus praxisorientierter Perspektive dargestellt und greift die verschiedenen Ausdruckskanäle der nonverbalen Kommunikation auf. Nach der theoretischen Betrachtung des Baby Signings soll eine Verknüpfung mit den zuvor behandelten Themen angestellt werden. Dies basiert auf der Grundlage eines mit Wiebke Gericke, der Begründerin eines Konzepts zum Baby Signing, geführten Interviews. Mithilfe dessen sollen die theoretischen Annahmen auch aus praxisorientierter Perspektive dargestellt werden und Rückschlüsse für den Einsatz von Gebärden und Gesten für den frühpädagogischen Alltag in der Krippe liefern.
Textprobe: Kapitel 2.4, Das Konzept der Feinfühligkeit nach Mary D. S. Ainsworth: Das zentrale Konzept der ‚Feinfühligkeit‘ entstammt der Bindungstheorie und wurde von Mary D. S. Ainsworth formuliert. Wie zuvor erläutert, sind zum einen das Ausmaß der Zugänglichkeit sowie der Verfügbarkeit der Bezugsperson(en) ‚hinsichtlich der (emotionalen) Bedürfnisse und Signale des Kindes' (Remsperger 2008: 3) ausschlaggebend für das Gelingen einer sicheren Bindung zwischen einem Kind und seiner Bezugsperson, zum anderen aber auch das feinfühlige Eingehen auf die kindlichen Signale (vgl. ebd.). Mary D. S. Ainsworth, welche viele Studien zur Bindungsqualität und dem elterlichen Verhalten durchführte, ‚geht davon aus, dass alle Verhaltensweisen, Zustände und Äußerungen des Säuglings Informationsträger für die Mutter sein können, durch die sie ihr Kind kennen lernt' (Grossmann et al. 2003: 236). Die Mutter oder jede andere primäre Bindungsperson des Kleinkindes muss sich feinfühlig auf die kindliche Individualität einstellen (vgl. Grossmann 2008: 32). ‚Ainsworth definierte mütterliche Feinfühligkeit für die Kommunikationen des Babys anhand folgender vier Merkmale: 1. die Wahrnehmung des Befindens des Säuglings, d. h. sie hat das Kind aufmerksam ‚im Blick‘, ist geistig präsent und hat keine zu hohe Wahrnehmungsschwelle 2. die ‚richtige‘ Interpretation der Äußerungen des Säuglings aus seiner Sicht und gemäß seinem Befinden, und nicht gefärbt durch ihre eigenen Bedürfnisse 3. eine ‚prompte‘ Reaktion, damit der Säugling den Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und der mütterlichen Handlung eine Assoziation bilden kann. Eine prompte Reaktion vermittelt ihm ein Gefühl der Wirksamkeit seines Verhaltens und seiner Signale im Gegensatz zur Hilflosigkeit, die sich einstellt, wenn das Verhalten ‚nutzlos‘ ist 4. und die ‚Angemessenheit‘ der Reaktion, die dem Säugling gibt, was er braucht. Die ‚Angemessenheit‘ der mütterlichen Reaktion verändert sich mit der Entwicklung des Kindes. (Grossmann & Grossmann 2008: 119). Damit dieses Konzept der Feinfühligkeit umgesetzt werden kann, wird neben der geistigen Flexibilität der Bindungsperson auch eine gewisse Kompromissbereitschaft verlangt (vgl. Grossmann 2008: 32). So kann zusammenfassend dargelegt werden, dass eine Mutter oder jede andere Bindungsperson präsent sein und eine niedrige Wahrnehmungsschwelle besitzen muss, um zu bemerken, was das Kleinkind mithilfe seiner kindlichen Signale ausdrücken möchte, damit die Mutter oder die Bindungsperson feinfühlig reagieren kann. Die mütterliche Feinfühligkeit – und auch die mütterliche Kooperation – können dem Kleinkind das Gefühl sozialer Tüchtigkeit oder auch Kompetenz vermitteln. Das feinfühlige Verhalten einer Bezugsperson kann die Qualität der Bindung schon im Säuglings- und Kleinkindalter beeinflussen. Die emotionale Verfügbarkeit der primären Bindungsperson und deren feinfühliges Verhalten stellen die Grundlage für die Entwicklung einer sicheren Bindung dar. Als weitere wichtige und nicht außer Acht zu lassende Einflussfaktoren sind die motivationalen und mentalen Zustände der Säuglinge und Kleinkinder zu berücksichtigen. 2.5 Die Interaktions- und Kommunikationsbereitschaft des Säuglings: Der Säugling wurde lange Zeit als Organismus betrachtet, der lediglich auf seine lebenserhaltenden Bedürfnisse ausgerichtet ist (vgl. Schmidt-Denter 1988: 17) betrachtet. Dieses Bild vom Kind änderte sich in den letzten Jahren – Säuglinge und Kleinkinder werden nicht nur als Forscher und Entdecker (vgl. Becker-Stoll et al. 2009: 16) verstanden, sondern auch als ein von Geburt an soziales Wesen (vgl. Schmidt-Denter 1988: 17). Die entwicklungspsychologische Forschung geht davon aus, dass die Verhaltensausstattungen des Säuglings auf den sozialen Kontakt angelegt sind. Dies bedeutet, dass der Säugling nicht nur von den Menschen in seiner Umwelt beeinflusst wird, sondern auch er wirkt ‚selbst als Interaktionspartner verändernd auf seine soziale Umwelt ein' (ebd.: 18). König (2009) äußert sich hierzu, dass es als sicher gelte, dass frühkindliche Interaktionserfahrungen zwischen Mutter (oder einer anderen Bezugsperson) und Kind dafür verantwortlich sind, ‚dass das Individuum mit den unterschiedlichen Anforderungen, die das Leben bereithält, flexibel umzugehen vermag' (ebd.: 101). Die Bindung zwischen Mutter und Kind ist zum einen gekennzeichnet durch das emotionale, zum anderen aber auch durch das kommunikative Beziehungssystem. Das gemeinsame Interaktions- bzw. Kommunikationssystem etabliert sich aufgrund der Reaktion der Mutter auf die kindlichen Signale, was im vorherigen Kapitel (Kap. 2.5) als mütterliche Feinfühligkeit dargestellt wurde. Die Bindungstheorie betont, ‚daß schon den ersten Tagen nach der Geburt eine entscheidende Bedeutung bei der Festlegung reziproker Kommunikationsmuster zukommt, weil sich die Mutter zu dieser Zeit in einer sensiblen Phase befindet, die sie für das Signalsystem des Neugeborenen empfänglich macht' (Schmidt-Denter 1988: 29). Simó et al. (2000) zufolge handelt es sich bei der Interaktion zwischen Mutter und Kind um einen wechselseitigen Prozess. Dieser involviert beide Individuen gleichermaßen (vgl. ebd.: 120). Im wissenschaftlichen Kontext kann dieser wechselseitige Prozess auch als angeborene Fähigkeit zur ‚Intersubjektivität' begriffen werden (vgl. Grossmann & Grossmann 2008: 102). Der Säugling ist nun in der Lage, neben seinen eigenen Gefühlen und Absichten auch die der Mutter zu erkennen. Die Interaktionen zwischen Mutter und Kind zeigen außerdem genaue zeitliche Abstimmungen des Wechsels zwischen Aufmerksamkeit und Aktionen, welche als ‚natürliche, ‚unsymmetrische‘ dyadische Organisation der Kommunikation' (ebd.) interpretiert werden können. So kann die soziale Interaktion zwischen der Mutter und dem Kleinkind innerhalb der ersten Lebensjahre als ‚Basis der Auseinandersetzung des Individuums mit seiner sozialen und materiellen Umwelt und somit als Grundlage für nachfolgende Entwicklungsprozesse' (König 2009: 100) verstanden werden. Als Grundlage dieser Interaktionsprozesse wird zumeist die ‚Sensitivität‘ der Eltern betrachtet, da ein hoher Zusammenhang zwischen dieser und der Qualität der Bindungsbeziehung besteht (vgl. ebd.: 102). Feinfühlige Mütter ermöglichen ihren Kleinkindern ‚eine gemeinsame Sichtweise der Welt, was den Kindern wiederum hilft, die Handlungen der Eltern zu verstehen, zu interpretieren und ihnen Sinn zu geben' (Aschersleben 2008: 303). Einen sensitiven und responsiven Interaktionsstil zu erfahren, bedeutet für die Kleinkinder auch, dass sich spätere Entwicklungsverläufe in sozialen, kognitiven und emotionalen Bereichen des Kindes als positiv herausstellen werden (vgl. ebd.: 309). 2.6 Die kindliche Bindung – ein Zwischenfazit: Für jede Mutter oder primäre Betreuungsperson stellt die Versorgung der Säuglinge und Kleinkinder eine anstrengende und zeitraubende Aufgabe dar. Aber ‚je besser sie das Wesen ihres Kindes kennen lernt, desto leichter und befriedigender wird es für sie sein' (Bowlby 2010b: 16). Eine kontinuierliche und feinfühlige Fürsorge ist jedoch von besonderer Bedeutung für die seelische Gesundheit der Kleinkinder. Die psychischen Zustände eines Säuglings und Kleinkindes, aber auch sein Wohlbefinden und seine Entspannung stehen in engem Zusammenhang mit der Güte der mütterlichen Versorgung durch diese (vgl. Grossmann & Grossmann 2008: 114). Erfahren Kleinkinder im ersten halben Jahr ihres Lebens, dass die Bindungsperson in unsicheren Phasen verlässlich und angemessen, also feinfühlig, auf sie eingeht, so ist es in der Lage, im weiteren Verlauf des ersten Lebensjahres eine sichere Bindung zu dieser Bindungsperson – zumeist die Mutter – zu entwickeln (vgl. Aschersleben 2008: 300). Festzuhalten bleibt, dass die Bindungstheorie eine der einflussreichsten Theorien der Entwicklungspsychologie ist (vgl. Otto 2011: 420). Dies zeigt sich auch in der 1989 von den Vereinten Nationen verabschiedeten UN-Kinderrechtskonvention, welche die Vertragsstaaten verpflichtet sicherzustellen, ‚dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird, es sei denn, […] dass diese Trennung zum Wohl des Kindes notwendig ist' (Art. 9 Abs. 1). Dies macht deutlich, dass die Erkenntnisse der Bindungstheorie von großer Bedeutung und in international anerkannten Kinderschutzrechten verankert sind. Des Weiteren bleibt festzuhalten, dass frühe Bindungserfahrungen der Grundstein für psychische Sicherheit oder auch Unsicherheit im späteren Leben eines Menschen sind.
Janina Spieß, M.A., wurde 1987 geboren. Ihr Studium der Kindheitspädagogik (B.A. Bildung und Förderung in der Kindheit) an der Justus-Liebig-Universität Gießen schloss die Autorin 2009 mit dem akademischen Grad ‚Bachelor of Arts' ab. Die Autorin entschloss sich, ihre fachlichen Qualifikationen durch den Studiengang ‚Inklusive Pädagogik und Elementarbildung' (M.A.) weiter auszubauen. Das Masterstudium schloss sie im Jahre 2011 an der Justus-Liebig-Universität Gießen erfolgreich ab. Bereits während des Studiums entwickelte die Autorin großes Interesse an der pädagogischen Arbeit mit Kindern unter drei Jahren und konnte in verschiedenen Workshops das Baby Signing kennenlernen. Das Interesse an den verschiedenen pädagogischen Inhalten – Bindungsforschung, Kinder unter drei Jahren und Baby Signing – motivierte die Autorin, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen und eine Verknüpfung dieser pädagogischen Themen anzustellen.
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