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- Die Befreiung der Bücher: Zur Bedeutung der Dezemberrevolution von 1989 für die rumänische Literatur
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 98
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In der vorliegenden Untersuchung wird das soziale Subsystem der Kultur betrachtet und darin die Literatur als jener Teilbereich der Kultur, der wegen seiner engen Interdependenz mit anderen sozialen Subsystemen, wegen seines meinungsbildenden Potenzials, wegen seiner langen Tradition und nicht zuletzt auch wegen seiner Bedeutung als irradiierendes Organ von Ideen (und somit auch wegen seiner Funktion als Katalysator sozialen Fortschritts) wohl besondere Beachtung verdient. Das Ziel dieser Arbeit ist eine literatursoziologische Analyse der Metamorphose, die die rumänische Literatur aufgrund der Dezemberrevolution durchlaufen hat, durchlaufen musste. Was ist eine Metamorphose? Vereinfacht ausgedrückt ist sie die Umwandlung eines Zustands in einen anderen. Die objektive Ursache dieser Verwandlung ist in vorliegendem Fall die Dezemberrevolution von 1989. Sie bildet den Schnittpunkt, die Symmetrieachse der nachfolgenden Untersuchungen. Um die Metamorphismen der rumänischen Literatur nach 1945 aber verinnerlichen zu können, sie in ein literaturhistorisches und -soziologisches Panorama der rumänischen Nachkriegsliteratur eingliedern zu können, ist vor allem eine Inbezugsetzung notwendig, die Schaffung eines relativen Rahmens. Daraus erklärt sich auch die Gliederung vorliegender Arbeit: Im ersten Teil wird versucht die Situation der Literatur während dem Kommunismus darzustellen die Phänomene der Zensur und des Exils sollen hier Spiegelbild einer sowohl extrinsischen, als auch intrinsischen Einkapselung des literarischen Schaffens sein. Dies ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil nur durch diesen referentiellen Rahmen verständlich werden kann, was nach 1989 geschah. Nach einem kurzen Kapitel über die Revolution wird es im letzten und wichtigsten Teil der Arbeit um die (kurz- und langfristigen) Folgen dieser für die Literatur gehen. Vorliegende Arbeit kann und soll auch dem Ziel dienen, einen Überblick über die Entwicklung der rumänischen Literatur ab der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu geben. Dabei wird keinesfalls ein Anspruch auf Vollsändigkeit gesetzt, vielmehr soll es darum gehen, die entscheidenen Linien aufzuzeigen, entlang denen sich die radikalen Veränderungen abgespielt haben. Auch kann diese Arbeit als Anfangspunkt, als Referenzraum für weitere literatursoziologische Untersuchungen innerhalb der hier vorliegenden Thematik betrachtet werden. Kann man von einer Befreiung der Bücher sprechen oder ist diese immer noch bewussten oder unbewussten Zwängen und Traumata ausgesetzt? Wie reagiert ein Land literarisch auf ein halbes Jahrhundert Unterdrückung und Totalitarismus? Welche Methoden und Wege machte sich die Literatur nach 1989 zu Nütze, um das kommunistische Erbe zu verarbeiten? Bis zu welchem Ausmaß fand eine Konsolidierung und Kanonisierung der Literatur nach 1989 statt? Diesen Fragen wird hier nachgegangen.
Textprobe: Kapitel 9, Schlusswort: Wenn man heute durch Alba Iulia – eine mittelgroße Stadt in Transsylvanien – spazieren geht, dann kann man sie sehen, die neuen, farbenfrohen Fassaden der ehemals in monoten Grautönen gehaltenen kommunistischen Plattenbauten. Straßen und Innenhöfe werden neu gepflastert, neue Geschäfte entstehen und eine geschäftigte Atmosphäre lässt einen spüren, dass sich etwas bewegt im Land. Wenn Sie, lieber Leser, vielleicht bald einen Blick in das Literaturverzeichnis werfen werden, werden Sie mit Verwunderung feststellen, dass ein Großteil der dort unter den rumänischsprachigen Büchern erwähnten Werke, die kommunistische Zeit abhandelt. Das liegt schlicht und einfach daran, dass es immer noch weit wenigere literatursoziologische Werke über die Zeit nach 1989 gibt, als über die Zeit davor. Doch warum? Die Antwort ist nicht einfach. Tatsache ist, dass es sich lediglich um eine intellektuelle Elite handelt, die sich die Revitalisierung und Rekanonisierung der rumänischen Literatur zum Programm gemacht hat. Darüber hinaus haben wir es in Rumänien zur Zeit – und ich sage das aus eigener Erfahrung – mit einem gähnenden (ich bitte, sich dieses kursiv gedruckte Wort genau anzuschauen) Desinteresse an der eigenen Literatur zu tun, der weite Teile der Bevölkerung umfasst und der zwar durchaus seine psychologisch-soziologischen Gründe hat (z.B. Verlust der Ventilfunktion der Literatur, Massenmediatisierung), dennoch aber faktisch gegen die Literatur agiert. Alle Bemühungen sie zu revitalisieren, zu promovieren und zu erweitern, die in dieser Arbeit vorgestellt wurden, all diese Bemühungen werden von wenigen Menschen unternommen, deren Arbeit zwar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und deren Bestrebungen zweifelsohne Früchte getragen haben und tragen, die aber noch viel mehr Unterstützung aus der Bevölkerung, von Kritikern und Fachleuten bekommen müssten, eher man von befriedigenden Revitalisierungsbestrebungen, von einer ‘Gesundung’ der Literatur reden könnte. Diese Arbeit entstand aus einer hybriden Perspektive, d.h. ich habe ungefähr die Hälfte meines Lebens in Rumänien und die andere Hälfte in Deutschland verbracht. Wenn ich mit einem Deutschen über die rumänische Literatur rede, dann ist sein Interesse diesbezüglich größer als das eines Rumänen. Wenn ich rumänische Jugendliche nach Büchern frage, dann gibt es Schulterzucken, Gelächter oder die ‘Lass sein’-Geste mit der Hand. Selten trifft man auf interessierte, offene Individuuen in diesem Land, die der eigenen Literatur unvoreingenommen gegenüber stehen. Und das schmerzt. Es schmerzt zu sehen, wenn man an den Plattenbauten vorbeifährt, dass in jedem zweiten Fenster dieses unselige, geistzerstörende, dumm machende, infantile, reduzierende, die Wahrheit verfälschende Geflacker der TV-Massensendungen zu sehen ist. Und wenn man nicht fernsieht, dann geht man Kaffee trinken, ins Internet oder beneidet seinen Nachbarn, weil er eine bessere Digitalkamera hat als man selbst. Um die eigene Kultur schert man sich oft wenig und wenn man es doch tut – oder besser: wenn man vorgibt es zu tun – dann tut man es in einer romantisierenden, chauvinistischen, folkrorisierenden und reduzierenden Art und Weise, wo man lange nach Objektivität und Ehrlichkeit suchen muss. 19 Jahre. Fast 19 Jahre sind vergangen und das rumänische Volk legt, was die eigene Literatur und Kultur angeht, immernoch eine Trägheit zu Tage, dass einem die Haare zu Berge stehen. Im Rumänien des Jahres 2008 ist ein Niveau erreicht worden – und dieses Gefühl habe ich in den Gesprächen zu dieser Arbeit durchaus gehabt – , wo die Publikation eines ästhetisch wertvollen Buches theoretsich nicht mehr verhindert werden kann das ist wichtig. Das literarische System funktioniert im Prinzip und wurde zum Großteil von Rudimenten befreit. Vor allem im universitären Umfeld wächst eine Generation junger Schriftsteller heran, deren Potenzial hoffen lässt. Diese Arbeit hat gezeigt, dass die rumänische Literatur lebt, dass sie auferstanden ist aus den kommunistischen Ruinen, dass sie ein massives Potenzial besitzt. Ich kann damit leben, dass dieses Potenzial im Westen vielleicht nicht gesehen wird. Aber ich kann schlecht damit leben, dass es von einem – leider immer noch viel zu großem – Teil der Bevölkerung in Rumänien selbst nicht gesehen wird. Das ist eine Beleidigung für jeden kulturliebenden Menschen und es ist eine Beleidigung für die Helden, für die Schriftsteller, die durch die Hölle gegangen sind, um das tun zu können, was ihre Bestimmung war, ist und bleibt: zu schreiben. Man stelle sich vor: man war Schriftsteller während dem Kommunismus, wurde drangsaliert, inhaftiert, zensiert, gequält oder schlimmeres. Dann kommt die Freiheit, man kann endlich schreiben was man will. Man tut dies auch, verarbeitet das Geschehene und heilt sich dadurch nicht nur sich selbst, sondern auch das Volk. Und dann, dann bekommt man dafür gepflegtes Desinteresse vom Großteil der Bevölkerung. Und es tut weh. Es tut weh, weil man dadurch verspottet wird und das haben diejenigen am wenigsten verdient, die alles dafür getan haben und tun, um uns die kommunistische Verspottung zu zeigen und um uns unsere Gesellschaft zu zeigen, so wie sie ist, so wie sie sein soll. Und eine Gesellschaft, die solche Menschen mit Format, mit Intellekt, Verstand, gutem Willen, Kreativität und Kultur mit Nichtbeachtung beschenkt, so eine Gesellschaft schämt sich im Grunde genommen ihrer selbst, ist sich selbst nicht würdig. Ich will damit nicht sagen, dass es in Rumänien tatsächlich so dramatisch ist, nein, ich will damit sagen, dass es oft so ist und dass es nicht gut ist, wenn es so ist und dass es anders besser wäre. Schließlich zeigen Schriftsteller einem einen Spiegel und oft schaut man in Rumänien nicht in diesen Spiegel und negiert sich damit in einer gewissen Art und weise selbst. Man braucht heute in Rumänien Menschen, die sich dieser Sache widmen. Sich ihr mit Leidenschaft widmen, ohne dabei jedoch den Pfad der Objektivität zu verlassen. Denn das Fundament ist schon gelegt. Um aber einen stabilen Überbau zu erhalten, ist mehr Energie nötig als heute investiert wird und ich wünsche mir, dass diese Arbeit ein Impuls dieser Energie ist möge er auch noch so klein sein neue Freiheit zu drosseln und in gewisser Weise nochmals von vorn anzufangen.
Diplom-Kulturwirt (Univ.) Andrei-Sorin Teusianu, Jahrgang 1980 schloss 2009 sein Studium an der Universität Passau erfolgreich ab. Bereits seit seiner Jugend interessierte er sich für Literatur im Allgemeinen und rumänischer Literatur im Speziellen und war fortwährend literarisch und journalistsich tätig. Seine Darstellung zur Bedeutung der Revolution von 1989 für die rumänische Literatur verfasste er aus dem Wunsch heraus, das literarische Schaffen, seine Einschränkungen während dem Kommunismus und seine Metamorphismen nach der Revolution von 1989 besser zu verstehen. Beruflich orientiert er sich an eine Tätigkeit im Verlagswesen mit dem längerfristigen Ziel nach Rumänien zurückzukehren, um dort zum interkulturellen Verständnis zwischen Deutschland und Rumänien beizutragen.