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- Der Klimawandel im deutschen und chinesischen Mediendiskurs 2009–2013. Eine korpus- und diskurslinguistische Kontraststudie
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2019
AuflagenNr.: 1
Seiten: 138
Abb.: 16
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der globale Klimawandel zählt zu den größten Herausforderungen für die Menschheit und hat seit langem große Aufmerksamkeit sowohl von der Regierung als auch der Öffentlichkeit auf sich gezogen. Die Art und Weise, wie er in den Massenmedien dargestellt und konstituiert wird, kann das öffentliche Verständnis der Menschen gegenüber diesem wissenschaftlich hochkomplexen, langfristigen und nicht direkt wahrnehmbaren Phänomen unmittelbar beeinflussen. Ziel des Buches ist es, den medialen Klimawandeldiskurs in Deutschland und in China von 2009 bis 2013 möglichst vollständig und authentisch darzustellen und dessen jeweilige Perspektive auszuwerten. Es wird untersucht, wie das Klimawandelverständnis in den Medien der jeweils größten Volkswirtschaften Europas und Asiens textbasiert aufgebaut ist. Mithilfe korpuslinguistischer Methoden werden mehr als 9000 Medientexte aus renommierten deutschen und chinesischen Printmedien im Rahmen der pragma-semiotischen Textarbeit von Feldern und der Perspektivität-Theorie schrittweise analysiert. Mit dem selbst aufgebauten Untersuchungskorpus werden quantitative und qualitative Vorgehensweisen kombiniert, damit die thematischen Schwerpunkte, die handlungsleitenden Konzepte sowie die agonalen Zentren im deutschen und chinesischen Klimawandel-Diskurs anhand des diskursiven Sprachgebrauchsmusters ermittelt werden können.
Textprobe: Kapitel 4.5: Reaktionen: Wenn der Klimawandel so viele verheerende Folgen mit sich bringt, dann stellt sich die Frage, wie die ganze Menschheit ihn richtig behandeln kann. Die Reaktionen und Gegenmaßnahmen machen daher einen relativ großen Anteil der deutschen und chinesischen Keyword-Listen aus. Daraus ergibt sich, dass es ein wichtiger Teil des Klimawandel-Diskurses ist, wie man dieses Problem lösen kann. Das Klimaproblem steht im Fokus der menschlichen Gemeinschaft und rückt Tag für Tag immer mehr in den Vordergrund. Es ist auch immer deutlicher geworden, dass alle Kräfte, sowohl von oben als auch von unten, von inländischen über internationalen bis zu fachlichen, eingesetzt werden sollen, um gegen den Klimawandel zu kämpfen. Dies lässt sich mittels der Keyword-Analyse klar und deutlich demonstrieren, indem die relevanten Keywörter jeweils zu kategorisieren sind. 4.5.1 Auf internationaler Ebene: Als ein globales Problem braucht der Klimawandel unbedingt eine weltweit gemeinschaftliche Zusammenarbeit. Alle Staaten sollen in Form einer Weltgemeinschaft aktiv werden, um mit dieser Klimakrise effektiv umzugehen. Klimaverhandlungen finden auf einer Reihe von Klimakonferenzen, Klimagipfeln, sogar auf anderen internationalen Konferenzen wie G20 usw. statt, damit gemeinsame Reaktionsprogramme entworfen wurden. Zu den wichtigsten Ergebnissen zählen das Kyoto-Protokoll, das Zwei-Grad-Ziel und die verbindlichen Klimaabkommen mit bestimmten Reduktionszielen. Normalerweise dient das Jahr 1990 als Basisjahr solcher Klimaziele. Das seit 1997 in Kraft getretene Kyoto-Protokoll wird bald ungültig. Daher ist ein Nachfolgeabkommen dringend notwendig. Neben Konferenzen kommen auch verschiedene Umweltprogramme ins Spiel, wie zum Beispiel das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), das Umweltprojekt Grüngürtel, das Sonnenstrom-Projekt Desertec u.a. Im chinesischen Diskurs wird ein großer Wert auch auf die internationale Ebene gelegt, und zuallererst auf die Klimaverhandlungen und Konferenzen, die sich nicht auf Klimakonferenzen begrenzen, sondern fast alle internationalen Treffen, Gipfel und Foren einschließen. Der Klimawandel wird zum Thema, entweder zum Hauptthema oder Unterthema, und zwar bei speziellen Klimagipfeln, bei Treffen der Staatsoberhäupter, bei Kooperationsforen wie dem Davos-Forum, Boao-Forum u.a. Die Ergebnisse, die von der chinesischen Seite betont wurden, unterscheiden sich von dem deutschen Diskurs. Als Entwicklungsland schätzt China alles in allem die Millenniumsentwicklungsziele hoch, um seine Entwicklungsrechte und -ziele zu beschützen. Dann sind die Klimaabkommen an der Reihe: die Bali-Roadmap, das Kyoto-Protokoll, das Rahmenübereinkommen, das Abkommen von Kopenhagen. 4.5.2 Auf Regierungsebene: Die deutsche Regierung hält Klimaschutz für ihre Pflicht und treibt strenge Klimapolitik, indem sie sich ‚ambitionierte‘ Klimaziele, Reduktionsziele sowie Klimaschutzziele setzt. Im deutschen Klimadiskurs ist nicht die deutsche Klimapolitik (5, 376), sondern eine internationale (35, 376) bzw. globale (6, 376) oder sogar kosmopolitische (4, 376) Klimapolitik bedeutungsvoll. Ebenso wichtig ist die Klimapolitik auf EU-Ebene: EU-Klimapolitik (15, 376), europäische Klimapolitik (5, 376), Europas Klimapolitik (2, 376). Daraus kann man schließen, dass Deutschland das Klima-Problem nicht alleine, sondern gemeinsam mit den EU-Staaten und mit allen anderen Ländern der ganzen Welt behandeln will. Zugleich wird die Klimapolitik einerseits aktiv (4, 376), andererseits als ambitioniert (7, 376) bewertet. Neben den politischen Mitteln ist eine wirtschaftliche Hinsicht im deutschen Klimadiskurs einbezogen. Emissionshandel mit CO2-Verschmutzungsrechten wird eingeführt, damit der Klimaschutz mit wirtschaftlichen Interessen direkt verbunden wird. Durch die Preise bzw. Verknappung solcher Emissionsrechte der Klimagase soll der Ausstoß der Unternehmen gewissermaßen unter Kontrolle gebracht werden. Letztendlich dient das Klimagesetz als das verbindlichste Instrument der Regierung beim Klimaschutz. Die Gesetzgebung und Umsetzung können auf den Kampf gegen Erderwärmung einen großen Einfluss ausüben und spiegeln die Handlungsfähigkeit einer Regierung in Sachen Klimaschutz wider. Wenn es sich um die Regierungsebene handelt, bietet der chinesische Klimawandel-Diskurs gegensätzlich eine viel detailliertere Schilderung an. In erster Linie findet man auch ‚die allgemeinen klimapolitischen Richtlinien‘ der chinesischen Regierung: das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung, Weltordnungspolitik, die friedliche Entwicklung, der Bau der ökologischen Zivilisation, Nachhaltigkeit und integrative Entwicklung. Als ‚konkrete Maßnahmen‘ dienen die Verbreitung und Förderung der folgenden Konzepte – low carbon, die Grüne Wirtschaft, die Grüne Entwicklung, Kohlendioxid-Steuer (carbon tax), Kohlenstoffsenkung, Emissionshandel, Emissionsrechte, High-Tech, Emissionsreduktion. All diese Maßnahmen haben zum Ziel, das Reagieren, das Anpassen und das Verlangsamen gegenüber dem Klimawandel zu realisieren. In ideologischer Hinsicht hat die chinesische Regierung ihre ‚Richtschnur‘ aufgestellt: der Marxismus, menschenorientiert, gegenseitiges Vertrauen, der Sozialismus, gegenseitiges Nutzen und gemeinsamer Gewinn, gegenseitiger Respekt, gegenseitiges Lernen, ‚Sei gutnachbarlich und verantwortungsvoll‘. Außerdem ist die chinesische Regierung international aktiv und engagiert. Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, die Partnerschaftsbeziehung zwischen China und anderen Staaten aufzubauen und auszubauen, indem der Staatspräsident bzw. Ministerpräsident im Ausland Staatsbesuche machen oder umgekehrt, die ausländischen Politiker zu einem Staatsbesuch nach China reisen. Der Kampf gegen den Klimawandel kommt dann bei solchen Situationen oft zur Sprache. Nach solchen Treffen und strategischen Gesprächen veröffentlichen die Staatsoberhäupter normalerweise ein gemeinsames Dokument, in dem die Kooperation im Bereich der Klimawandelbekämpfung als Teilinhalt vorgeschrieben wird. 4.5.3 Auf Wissenschaftsebene: Die Prognose des Klimawandels bzw. der Erderwärmung beruht auf wissenschaftlichen Ergebnissen. Über dieses Problem gibt es noch viele Unsicherheiten, die weiter zu erforschen sind. Relevante Forschungen wie Klimaforschung und Klimafolgenforschung sind unter allen anderen Forschungen, herausragend. Klimamodelle, als Ergebnis und Instrument der Forschungen zugleich, bezeichnet sich auch als ein Eigenschaftslexem des deutschen Klimawandel-Diskurses. Auf der chinesischen Teilliste ist nur ein Wort, nämlich Expedition, zu finden. Für die wissenschaftlichen Diskursakteure gibt sich ein ähnliches Bild. Bisher kann man schon eine Schlussfolgerung ziehen, dass der wissenschaftliche Fachkreis im deutschen Klimadiskurs offensichtlich stärker artikuliert als der im chinesischen Klimadiskurs.[…] Die Klimaforschung hat Sinn, solange sie neue klimabezogene Erkenntnisse erzeugt. Wichtig ist nicht was und wie die Klimaforscher erforschen, sondern was man daraus entnehmen kann. Was die Regierungen, Unternehmen und das Publikum von diesem Fachgebiet immer verlangen ist dennoch eine endgültige glaubwürdige Schlussfolgerung. Dies ist aber sehr schwierig, insbesondere in der Zeit nach dem ‚Climategate‘ 2009. Eine Atmosphäre von Skepsis und Kritik ist in deren syntagmatischer Umgebung deutlich wahrzunehmen: Ihre Glaubwürdigkeit wird immer wieder bezweifelt und die Klimaskeptiker verbinden sie sogar mit dem Konzept ‚Datenmanipulation‘. Von diesem Zeitpunkt an ist die Klimaforschung nur schwer von den Konzepten ‚fragwürdig‘ und ‚Datenmanipulation‘ loszuwerden. Interessanterweise ist eine Metapher im Kontext zu finden, in dem der IPCC-Report als ‚Bibel der Klimaforschung‘ bezeichnet wird. Das Wort Bibel bezieht sich eigentlich auf die christliche Heilige Schrift, hat aber einen ironischen Bedeutungsaspekt, wenn man es mit anderen Schriften vergleicht. Der IPCC-Report ist keinesfalls perfekt und sogar als fehlerhaft erwiesen. Solch ein Ding als ‚Bibel‘ zu nennen ist natürlich ironisch und kritisch gemeint. Dadurch wird die starke Abhängigkeit der Klimaforschungen von dem IPCC impliziert kritisiert, während eine Bibel meistens mit Richtlinien des Denkens und Handelns assoziiert wird. Durch die Kollokationen sind verschiedene Forschungsschwerpunkte jeweils akzentuiert: Forschung des globalen Klimawandels, Forschung der Klimawandelbekämpfung, Forschung der Erderwärmung usw. Die Betonung wird von den chinesischen Medien auf Wissenschaftlichkeit der Klimawandel-Forschung gelegt, indem das Wort als Modifikation mehrmals vor gesetzt wird. Es wird auch darauf hingewiesen, dass die Klimaforschungen noch nicht ausreichend sind und weitere Vertiefungen benötigen. 4.5.4 Auf Ebene der Energie: Es ist uns allen bekannt, dass der Klimawandel in engem Zusammenhang mit dem Energieverbrauch steht. Über die Engergieauswahl zu diskutieren, scheint daher auch unvermeidlich zu sein. Dies zeigt sich auch darin, dass die Energievokabeln in den Keywörtern ihren Niederschlag finden: Atomkraft, Kernenergie, erneuerbare(n), Biosprit E10, Energiewende. Bemerkenswert ist das Wort Energiewende, das einen Ausdruck mit deutscher Prägung darstellt und nochmals die Vorreiterrolle Deutschenlands in Sachen Klimaschutz demonstriert. Auf der chinesischen Teilliste findet man auch viele Lexeme, die Bezug auf Energie nehmen. Je nach ihrer jeweiligen Platzierung auf der Keyword-Liste sind sie wie folgt darzustellen: erneuerbare Energie, Kohle, Atomenergie, fossile Energie, Schiefergas, Kernkraft, nicht-fossile Energieträger, Kernkraftwerk, saubere Energie, Windkraft. Wenn wir die Energielisten beider Länder vergleichen, ist die Differenz klar und deutlich. Die Atomenergie ist in den beiden Diskursen wichtig, aber hinter dieser scheinbaren Gemeinsamkeit verstecken sich unterschiedliche Perspektiven: In Deutschland wird der Ausstieg aus der Kernenergie diskutiert, während die Weiterentwicklung der Atomenergie in der Energiepolitik der chinesischen Regierung vorgesehen ist. Die jetzige chinesische Energiestruktur basiert auf der Kohlenressource. China hat es deshalb schwer, von der Kohle unabhängig zu sein. Aber trotzdem gibt es in China bereits ein Umdenken, indem die erneuerbaren Energien wie Schiefergas, Windenergie usw. mit Unterstützung der Regierung entwickelt werden.
Jiaojiao Lu (M.A) wurde 1990 in China geboren. Ihr Studium der Germanistik an der Fremdsprachenuniversität Beijing, China schloss sie 2016 erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin fundierte Kenntnisse linguistischer Theorien und Methodik sowie umfassende praktische Erfahrungen in relevanten Forschungsbereichen. Stark interessiert an der deutschen Kultur und Sprache war die Autorin mehrmals in Deutschland, um die Besonderheiten des Landes am eigenen Leib zu erfahren und sinnvolle Anknüpfungspunkte zu suchen. Das vorliegende Forschungsthema wurde von einem internationalen Projekt inspiriert, das 2013 in Europa ins Leben gerufen wurde und den internationalen Energie- und Klimawandeldiskurs im Fokus hat. Die direkte Unterstützung einiger Projektleiter/innen und das große Interesse am Thema Klimawamdel, insbesondere am deutsch-chinesischen Vergleich, motivierte sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.