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- Der Kampf des William Lovett um die Rechte der Arbeiter: Studie zur Frühphase der britischen Arbeiterbewegung (1820-1850)
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Jahre 1820 bis 1842 im Leben William Lovetts verdeutlichen wie bei keinem anderen das vergebliche Ringen der britischen Arbeiterklasse um politische Teilhabe. Sein Leben hat Sinnbildcharakter für den steinigen Weg der Arbeiterschaft in die Moderne. Nach intellektuellem und politischen Erwachen suchte er nach einem Weg aus der als ungerecht empfundenen Situation der working classes und vereinte 1838 deren unterschiedliche Strömungen für zwei Jahrzehnte hinter der People’s Charter. Die in den Chartismus gesetzten Hoffnungen von Millionen erfüllten sich nicht. Lovetts ‚Alleingang’ in der Bemühung um die Mittelklasse blieb ebenfalls erfolglos. Nach 1842 engagierte er sich vor allem in Bildung und Erziehung und steht nur noch in punktuellem Kontakt mit der Arbeiterbewegung. Seine moral force-Strategie bestimmte jedoch immer stärker – und langfristig erfolgreich - die politischen Aktivitäten der Arbeiterschaft. Er verdient es, unter den anderen Größen der Arbeiterbewegung der Frühphase herausgehoben zu werden wie es Harney, einer von diesen, selbst noch getan hat.
Textprobe: Kapitel 4.2.1, Sozialismus als Gegenmodell zum Kapitalismus: Robert Owen (1771-1858) war ein Fabrikant, der sich vom einfachen Arbeiter (Baumwollspinner) hochgearbeitet hatte. Er entwarf und implementierte ab 1797 in New Lanark eine paternalistisch motivierte Fabrik mit aus seiner Sicht idealen Produktions-, Arbeits- und Lebensbedingungen für die Arbeiter. Für Owen lag Fehlverhalten des Einzelnen an der Gesellschaft, in der er aufgezogen worden war. Owens Gegenmittel waren hauptsächlich ‘Investition[en] im Menschen mit dem Ziel seiner Selbstentfaltung’. Umerziehung sollte durch geduldiges Überzeugen erfolgen und über Änderung des ‘Betriebsklimas hinausgehen und das System der Lohnarbeit selbst modifizieren’. Insoweit hatte Owen die allem Sozialismus zugrunde liegende Idee, dass jene Lebensumstände des Menschen geschaffen werden müssten, die seine guten Anlagen förderten. Owen erkannte in der zunehmend kapitalistischen Struktur der Gesellschaft starke Klassengegensätze, die sich nicht ohne weiteres harmonisch auflösen lassen würden, dem widerspräche ‘blindes Klassenverhalten der Arbeiter und Kapitalisten’. Er forderte die Kapitalisten auf zu erkennen, dass durch Bildungsmaßnahmen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen die Produktivität zu steigern sei, Absatzkrisen durch höhere Löhne vermieden werden würden, und kooperative Formen des Eigentums und der Produktion (Kooperativen) die Lage für alle verbessern könnten. Er verlangte von den Arbeitern, den Unternehmern entgegenzukommen und statt auf Gewalt auf moralische Überzeugung zu setzen. Versöhnlicher Sozialismus könne ein praktikables Gegenmittel zum Kapitalismus sein. Dass es funktionierte, wollte Owen in Lanark zeigen. Seine Musterfabrik mit Mustersiedlung umfasste Schulen für die Kinder, Gesundheitsfürsorge, reduzierte Arbeitszeit (nur 10 ¾ Std. pro Tag), eingeschränkte Kinderarbeit, aber auch einen Laden mit reduzierten Preisen, eine Gemeinschaftskasse zur Unterstützung Kranker, Alter und Opfern von Arbeitsunfällen. Das alles finanziert durch geringe Beiträge vom Lohn. Altensiedlungen, organisierte Nachbarschaften, hygienische Normen für Häuser und Aufklärung über Folgen des Alkoholmissbrauchs sowie Angebote für sinnvolle Freizeitvergnügen ergänzten das Programm. Lanark war zumindest anfangs ein wirtschaftlicher Erfolg, u.a. den experimentellen Bedingungen geschuldet. Owen trug sein Reformprogramm in Form von Denkschriften in die Öffentlichkeit. Richtig angeleitete Arbeit könne als Quelle allen Reichtums (Hodgskin) den Wohlstand der ganzen Nation sichern. Genossenschaftliche Produktions- und Arbeitsstätten sowie Arbeitersiedlungen führten zu Überfluss, geregeltem Miteinander und Glück - im Gegensatz zur Lage in den bestehenden Fabrikstädten, den Brutstätten von Armut, Laster, Verbrechen und Elend. Owens Ideen fanden landesweit Anhänger, speziell bei den gebildeteren Handwerkern. Die Londoner Handwerker waren bei den Ersten. Die jüngere Fachhandwerkergeneration (wie z.B. Lovett) wuchs in der neuen industriellen Ordnung auf, akzeptierte die veränderten Rahmenbedingungen und hoffte auf ihren Anteil durch kooperative, soziale Produktion. Besonders nach 1830 gründeten sich Vereinigungen von gemeinschaftlich Produzierenden, die kooperative Läden mit Gütern versorgen wollten. Vor allem Handwerker, die wenig Kapital oder Fabrikationsfläche benötigten, waren angesprochen. Das galt in London hauptsächlich für Schneider, Möbeltischler und Schuhmacher. Zunehmende Fabrikproduktion und Unterauftragnahme kapitalistischer Zwischenhändler bedrohten sie besonders, und sie sahen in Owens Modell einen Ausweg. Gerade in London, dem zentralen Markt seiner Zeit für hochwertige Handwerksgüter, hatten sich starke Berufsvereinigungen entwickelt, deren Mitglieder gebildeter und politisch interessierter waren als in den Provinzstädten des Landes. Die meisten Vereine aber waren noch nicht bereit für Owens politischen Kurs der Kollaboration statt Konfrontation und für einen Wechsel des gesellschaftlichen Systems. Sie engagierten sich in Kooperativen in der Regel zur Unterstützung Arbeitsloser und Streikender. Owen versuchte, eine Antwort auf die industrielle Revolution zu geben, er gründete 7 Kooperativen zwischen 1825 und 1847, die alle scheiterten. Seine Ideen berührten die arbeitenden Menschen, sie entsprachen Sehnsüchten nach der guten alten Zeit, dem Paternalismus und dem Gemeinschaftsgefühl auf dem Land. Doch für die normalen Arbeiter der Industriestädte waren sie zu weit weg vom Alltag. Lovett hatte sich im Zuge der eigenen Politisierung für radikale Ideen begeistert und sah in kooperativen Modellen vor allem einen Weg, den Wunsch nach Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter auch politisch zu formulieren. Lovetts Standpunkt war noch nicht gefestigt, er lavierte bis etwa 1832 zwischen ökonomischer Kooperation und politischer Reform und formulierte deshalb wohl oft noch eher unscharf ‘in suitably abstract terms’. Er argumentierte allerdings sehr scharf und geradezu militant in der Frage von Eigentum. 1830 forderte er einmal sogar die ‘forcible equalisation of labour and goods’ und bezeichnete ‘non-producers [as] ’monsters’ who must be eliminated because they ’prey upon the vitals of society’‘. In der Agitation für die Genossenschaften betätigte sich Lovett das erste Mal politisch. Die Kooperativen sollten ‘the whole produce of labour to the labourer’ zurückgeben. 1827 wurde die First London Co-operative Trading Association mit 3 Läden gegründet, von denen Lovett 1828 einen für kurze Zeit übernahm. Man kaufte Güter von Webern, Handwerkern und anderen Arbeitern, um sie dann unter Ausschaltung von Zwischenhändlern und non-producers billig an die Vereinsmitglieder zu verkaufen. Handel und Industrie sollten so langfristig unter die Kontrolle der Arbeiterschaft gelangen. Lovett interpretierte Owens Gedanken dahingehend, dass the purpose of society [...] was to equalise ‚natural disproportions’ and to eliminate selfishness. ‚Equal rights and equal happiness’ would follow inevitably from such changes, beginning at the level of wholesale trading. Competition, which generated extremes of wealth and misery, would go the way of other extinct forms of life once reason was allowed to exercise its untrammeled influence. Er vertrat verschiedentlich den Standpunkt, dass Unternehmern ebenso gerechter Ertrag zustünde wie den Arbeitern gerechte Entlohnung. Immer mehr begann er, insgeheim an die Wichtigkeit von Privateigentum zu glauben, doch er überspielte diesen Gedanken zunächst durch verstärktes Engagement für genossenschaftliche Produktionsweisen. Als bezahlter Teilzeitsekretär der British Association for the Promotion of Co-operative Knowledge (BAPCK) hatte Lovett ab 1829 finanzielle und andere Aktivitäten von mehr als 200 Töchterorganisationen zu koordinieren. Er drängte vergeblich auf eine Verbindung von ökonomischen und politischen Zielsetzungen, wie der Ausweitung der Wählerschaft, Bildung für die Armen und gebührenfreie Presse. Er überwarf sich deshalb mit der BAPCK, warf ihr einen ‘’storekeeping’ view of public issues’ vor. Lovetts Angriffslust auf das bestehende System erschöpfte sich nicht im Verbalen. Neben Aktivitäten für die gebührenfreie Presse (war of the unstamped) zettelte er 1830 eine Protestbewegung gegen die zwangsweise Verpflichtung zur Miliz an. Er und andere Radikale schrieben auf die Erfassungslisten für die jährliche Auslosung zum Milizdienst no vote – no musket. Sie lehnten es ab, sich einziehen zu lassen, da sie keinen Einfluss auf das zugrundeliegende Gesetz gehabt hätten. 1831 wurde Lovett prompt ausgelost, weigerte sich und verweigerte auch die gesetzlich vorgeschriebenen 15 £ Ausgleichszahlung. Sein gesamtes Mobiliar im Wert von 30 £ wurde zur Versteigerung beschlagnahmt. Der Vorgang wurde in der Öffentlichkeit heiß diskutiert, Lovetts Mobiliar ließ sich daher nur schwer verkaufen. Seine Petition zur Abschaffung des militia balloting und die gesamte öffentliche Aufregung führten schließlich dazu, dass das Verfahren im Unterhaus ausgesetzt und nie wieder durchgeführt wurde. Lovetts persönliche Opferbereitschaft war aber noch nicht voll entwickelt, denn diese Ungerechtigkeit hat ihn doch sehr hart getroffen.
Frank A. Hoffmann (Jahrgang 1948) hat nach seinem Berufsleben als Informatiker und Manager in der Informationstechnik Geschichte studiert. Sein Interessenschwerpunkt ist die Europäische Moderne. Er lebt in der Nähe von Koblenz.
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