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- Der Film als Instrument der Formationserziehung im Dritten Reich: Der schulische Mediengebrauch der Nationalsozialisten untersucht an Filmen Leni Riefenstahls
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der Film im Nationalsozialismus ist ein weitreichendes Thema, das verschiedene Ansätze für wissenschaftliche Studien bietet. Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit Lehrerbegleitheften zu ausgewählten Werken Leni Riefenstahls, wobei sich diese auf die Filme Wolkenstürmer und Tag der Freiheit! -Unsere Wehrmacht! sowie Olympia beziehen und aus der didaktischen Reihe Staatspolitische Filme (1932-1941) entnommen sind. Ziel hierbei ist es, der Frage nachzugehen, inwieweit diese Lehrerbegleithefte die nationalsozialistische Formationserziehung beim Einsatz von Filmen im schulischen Kontext des Dritten Reiches unterstützten. Dies geschieht mit Hilfe selbst zusammengestellter Elemente, welche die Formationserziehung zusammenfassen. Sowohl das Material als auch die für die Untersuchung relevante Fragestellung sind bisher noch nicht wissenschaftlich analysiert worden. Die Ergebnisse dieser Studie sollen einen Einblick in den schulischen Mediengebrauch der Nationalsozialisten zu Propagandazwecken geben. Sie sind als Versuch zu verstehen, eine mögliche Form der Umsetzung der Formationserziehung in der Schule des Dritten Reiches aufzuzeigen.
Textprobe: Kapitel 2.1.2, Formationserziehung: Alfred Baeumler, der ab 1933 die Professur für politische Pädagogik an der Humboldt-Universität innehatte und als überzeugter Nationalsozialist galt (vgl., Keim, 1995, S. 165), äußerte sich im Jahre 1942 zur Erziehung in der Formation folgendermaßen: ‘»Durch die Erziehung in der Formation werden Knaben und Mädchen in den Rhythmus der politischen Gemeinschaft eingefügt. Verbunden mit Gleichaltrigen, geführt von solchen, die noch ihrer Jugendwelt angehören, lernen sie in der Formation sich auch außerhalb des Elternhauses mit andern eins zu fühlen…Die Erziehung in der Formation ist unerläßlich [sic], um in der jugendlichen Seele den Feierklang der großen Gemeinschaft und den Stolz auf gemeinsame Leistungen zum Schwingen zu bringen«‘ (Herrmann, 1993, S. 110). In diesem Zitat werden bereits mehrere Merkmale der Formationserziehung deutlich, jedoch soll im Folgenden zum allgemeinen Verständnis zunächst der Unterschied zwischen schulischer und außerschulischer Formationserziehung deutlich gemacht werden. Die schulische Formationserziehung fand unter dem Leitmotiv der ‘Reduktion der intellektuellen und wissenschaftlichen Bildung zugunsten der Willens- und Charaktererziehung sowie der körperlichen Ertüchtigung [und] völkisch-rassistische[r] Indoktrination’ (Keim, 1995, S. 86) statt. Scholtz (1985) fasste es unter ‘Erzeugen von »Nationalstolz«, aus dem eine »verzichtfreudige Opferbereitschaft« resultieren sollte’ (S. 129) zusammen. Auch wenn die Anpassung der Lehrpläne an die ideologischen Zielsetzungen der Nationalsozialisten erst ab dem Jahre 1937 geschah, so wurde bereits kurz nach der Machtergreifung Hitlers 1933 damit begonnen, das Schulsystem zu formieren. Formationserziehung in den Schulen ging einher mit der ‘Verankerung von Symbolen (Hakenkreuz, Fahnen, Hitlerbilder), von Ritualen (Hitler-Gruß, Fahnenapelle), vor allem durch Integration von NS-Feiern und –Gedenkstunden in den Schulalltag’ (Keim, 1995, S. 88). Wichtig dabei war die Routine, die sich vor allem durch die sich ständig wiederholenden Feiertage automatisch für die Schüler einstellte. Auf dieser Grundlage konnte die im nationalsozialistischen Geiste eingestellte Schule vor allem emotional viel bei den Jugendlichen ausrichten. Dies galt nicht nur für speziell nationalsozialistische Feiertage, sondern auch für Tage, die lange vor Hitlers Herrschaft mit ‘Traditionen unterschiedlichster Art und Herkunft’ (ebd., S. 88) behaftet waren, wie z. B. der Volkstrauertag und der Reformationstag. Genauso wie bei der außerschulischen Formationserziehung spielt auch in der Schule die Prägung des Erlebens eine große Rolle bei der Beeinflussung des Bewusstseins. So ‘stand im Mittelpunkt der NS-Feiern und –Gedenkstunden das innere Erleben der NS-Ideologie als Mittel zur NS-Gesinnungsbildung. [….] Wichtig war […], daß [sic] »die große Form, das Besondere der Haltung, der Klang, das Wehen der Fahnen, der Aufmarsch, das gemeinsame Lied« in der Erinnerung haften blieben’ (ebd., S. 89). Die Jugendlichen wurden somit entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie geprägt und für den Staat als treu ergebene Diener und mutiger Kämpfer geformt. Ein wichtiges Hilfsmittel bei dieser Beeinflussung stellte vor allem der Einsatz von Rundfunkübertragungen sowie Filmen dar. In verschiedenen Aufzeichnungen über Schulchroniken werden ‘für das Jahr 1933 mehrfach gemeinsamer Rundfunkempfang bzw. Filmvorführungen für die gesamte Schule oder für einzelne Klassen festgehalten. Ähnlich wie Feier und Gedenkveranstaltungen waren auch sie auf das Gemeinschaftserlebnis hin angelegt’ (ebd., S. 90). In der schulischen sowie in der nichtschulischen Formationserziehung ein nicht zu unterschätzender Faktor. Nicht vergessen werden sollte die ‘Indoktrination und »Umerziehung« der Lehrerschaft (ebd., S. 90), durch die die Formationserziehung in der Schule hauptsächlich möglich war. Im Unterricht behandelt wurden hauptsächlich Themen, die den Deutschen Staat und seine Geschichte betreffen. Dabei wurde besonders deren Bedeutung für die Gegenwart und die Zukunft des Staatsgeschehens in den Mittelpunkt des Unterrichts gestellt. Es handelte sich dabei um Themen, die den Führer Adolf Hitler betrafen sowie die Niederlage im Ersten Weltkrieg usw. Die außerschulische Formationserziehung wirkte hauptsächlich in ‘NS-Formationen und »-Diensten«‘ (Keim, 1997, S. 56). Dazu zählten das Deutsche Jungvolk (10 bis 14 Jahre), die Hitler-Jugend (14 bis 18 Jahre), der Jungmädelbund (10 bis 14 Jahre) der Bund Deutscher Mädel (14 bis 18 Jahre) sowie der Reichsarbeitsdienst, der eine verpflichtende Vorstufe zum Wehrdienst darstellte und die 8-monatige Landwehr, die einem militärischen Lager entsprach. Vor allem in der späteren Phase der NS-Herrschaft war eine Mitgliedschaft in diesen Diensten verpflichtend (vgl. ebd., S. 59). ‘Zwischen herkömmlichen Erziehungseinrichtungen und NS-Formationen bzw. »-Diensten«‘ (ebd., S. 67) kam es immer wieder zu Spannungen und Konflikten, die sich vor allem zwischen der Schule und der Hitler-Jugend zeigten. Die Aktivitäten der HJ und die Zeit, die dafür in Anspruch genommen wurde, wirkte sich negativ auf die effektive Schulzeit aus. 1934 wurde ein sogenannter Staatsjugendtag eingeführt, nachdem Samstage für HJ-Mitglieder schulfrei sein sollten. Lehrer waren nicht einverstanden mit einer Kürzung des Unterrichtes und der damit einhergehenden Verlängerung des Vormittagsunterrichts, mit dem wiederum Konzentrationsprobleme bei den Schülern der unteren Klassen einhergingen. Die Folge war eine Streichung dieses Staatsjugendtages im Jahre 1936. Weitere konfliktauslösende Punkte waren HJ-Aktivitäten wie ‘Schulungslehrgänge und Geländesportkurse, Luftschutzübungen, Ausleseschulungen, Sportfeste, Ernteeinsätze, Sammlungen und ab 1939 auch kriegsbedingte Spezialeinsätze’ (ebd., S. 68). Grundproblem waren die ‘Unvereinbarkeit von »formaler Bildung« und »Formationserziehung«‘ (ebd., S. 69). Formationserziehung außerhalb der Schule hatte dementsprechend nichts mit Erziehung im eigentlichen Sinne zu tun. ‘Sie intendierte nicht Entwicklung und Förderung individueller Fähigkeiten und sozialer Kompetenz, sondern stattdessen Typenprägung und damit gerade Unterdrückung individueller Besonderheiten’ (ebd., S. 56). Leistung wurde also nicht in intellektueller Form erbracht oder nachgewiesen, sondern u. a. an körperlicher Gesundheit bzw. Fähigkeiten sowie der Tatsache, inwieweit sich die Jugendlichen für das Reich einsetzen würden, gemessen. Dabei war das Erleben von militärischen Einrichtungen sowie deren Abläufen von enormer Bedeutung (vgl. ebd., S. 56). Der Reichserziehungsminister Bernhard Rust sagte, dass man ein Nationalsozialist nur durch ‘Lager und Kolonne’ (ebd., S. 56) werden könne. Dies bedeutete ‘die bedingungslose Unterordnung unter den Führerbefehl sowie [die] starre Einordnung in das Kollektiv. Im Gleichschritt konnten Gefühle [erlebt werden], die durch Massenaufmärsche, -kundgebungen und –feiern mit sakralen Elementen […] verstärkt wurden’ (ebd., S. 57). Die Lager nahmen die Jugendlichen durch z. B. eine einheitliche Uniformierung, die Wahl des Ortes in der freien Natur sowie gemeinschaftliches Singen für sich ein und machten individuelle Bestrebungen so gut wie unmöglich (vgl. ebd., S. 57). Natürlich sind auch hier Symbole, z. B. Symbole der Bewegung wie Hakenkreuzfahne oder Symbolwörter wie Boden und Reich sowie Rituale und die musische Formung durch z. B. Soldatenlieder von großer Bedeutung. Abschließend werden an dieser Stelle Ziele und Methoden der Formationserziehung am Beispiel der HJ zusammengefasst und deutlich gemacht. ‘Das Erziehungsziel der HJ orientierte sich an der NS-Ideologie’ (ebd., S. 60). Es ging dabei vor allem um den Ausbau körperlicher Kräfte sowie der Wehrerziehung im Allgemeinen. Dazu kam bei den Mädchen die Gesundheitserziehung. In jedem Falle spielte ‘die weltanschauliche Schulung eine zentrale Rolle’ (ebd., S. 60). Auf Fahrten, sowie im Lager oder an Heimabenden wurde dementsprechend eine völkische Weltanschauung, mit dem Lebensweg des Führers, Hierarchie und Organisation der HJ und die Geschichte der NS-Bewegung im Mittelpunkt, gelehrt. Wichtig dabei war das Erleben innerhalb einer Gruppe, also eine Mannschaftsschulung. Die Nationalsozialisten setzten dabei besonderen Wert auf die Gefühle, die sich bei solchen Massenerlebnissen einstellen: ‘Menschen zu formen und zu führen heißt, sie zu erregen und zu bewegen’ (Herrmann, 1993, S. 111). ‘Die Masse wird lenkbar und formbar in der seelischen Erregtheit’ (ebd., S. 112). Die Jugendlichen wurden somit in ihrem Erleben und dadurch auch in ihrem Bewusstsein geprägt. Sie waren dadurch in ihrem Geist offen für die nationalsozialistische Ideologie (vgl. ebd., S. 107f.). Herrmann nannte diese Methode ‘Gestaltung der Wahrnehmung der Wirklichkeit als Voraussetzung für moralische Bildung’ (S. 101). Gemeint ist die sogenannte Willenserziehung, d. h., die Nationalsozialisten wollten, dass den Jugendlichen Gewohnheiten angeeignet werden, welche sie in ihrem späteren Leben unter Garantie ein sittliches Verhalten sowie moralisches Urteilen im nationalsozialistischen Sinne an den Tag legen lassen (vgl. ebd., S. 107ff.). Weitere Aktivitäten der HJ waren: ‘Sportwettkämpfe, kulturelle Betätigungen wie Chöre, Musikzüge und Spielscharen Sammlungen, Ernte-, Sozial-, später Kriegseinsätze sowie Teilnahme an Kundgebungen, Feiern, Festen, Eltern- und Werbeabenden’ (Keim, 1997, S. 60). Außerdem galt der Leitspruch ‘Jugend soll von Jugend geführt werden’ (ebd., S. 63), was im Grunde jedem Jugendlichen die Voraussetzungen bot, ‘relativ leicht und rasch Führungspositionen [zu] erringen und dann selbst Befehle [zu] erteilen’ (ebd., S. 63). Das gleiche galt für die sogenannten ‘HJ-Sondereinheiten wie Marine-HJ, Motor-HJ oder Fliegereinheiten’ (ebd., S. 63). Dadurch wurde die NS-Formation für die Jugendlichen zunehmend attraktiver.
Anne Marquardt, M.A. wurde 1988 in Potsdam geboren. Ihr Lehramtsstudium der Fächer Deutsch und Biologie an der Universität Potsdam schloss die Autorin im Jahre 2013 mit dem akademischen Grad des Master of Education erfolgreich ab. Angeregt durch erziehungswissenschaftliche Seminare während des Studiums, widmete sie sich der Thematik Der Film im Nationalsozialismus sowie dessen didaktischer Bedeutung während der nationalsozialistischen Herrschaft. Im Rahmen des vorliegenden Buches intensivierte sie dieses Interesse, indem sie untersuchte, inwieweit ausgewählte Lehrerbegleithefte zu Filmen der Regisseurin Leni Riefenstahl die Formationserziehung im Schulunterricht der Nationalsozialisten unterstützten.
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