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- Der EU-Beitritt der Türkei: Eine unüberwindbare Hürde?
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Abb.: 8
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die zunehmende Bedeutung der Europäischen Union wird anhand der Vielzahl an bisher stattgefundenen Erweiterungsrunden deutlich. Sie verfügt über eine enorme Anziehungskraft. Immer mehr Länder streben einen EU-Beitritt an, wodurch es zur Entstehung von Problemen in der EU kommt, vor allem im Bereich ihrer Handlungsfähigkeit. Die Türkei ist das erste muslimisch geprägte Land, das einen Beitritt in die EU anstrebt. Seit über vierzig Jahren wartet die Türkei darauf, als vollwertiges Mitglied der EU beitreten zu können. Die Beitrittsverhandlungen wurden bereits aufgenommen und die Türkei hat zahlreiche Reformen verabschiedet, mit denen sie für Europa bereit gemacht werden soll. Dennoch scheint der EU-Beitritt der Türkei noch in weiter Ferne zu liegen. Seit vielen Jahren kommt es immer wieder zu hitzigen Debatten über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei und die damit verbundene Integration in die Strukturen der EU. Viele verschiedene Argumentationslinien spielen dabei eine Rolle, die jedoch im Kern alle auf die gleiche Frage hinauslaufen: Ist eine Integration der Türkei in die EU realisierbar? Diese Frage stellt das zentrale Thema der Untersuchung dar und wird anhand einer Darstellung der verschiedenen Diskussionsebenen dieser Debatte analysiert und bewertet. Die Bewertung der Integrationsreife der Türkei auf EU-Ebene steht dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Darstellung der öffentlich geführten Debatte, bei der die allgemeine Einstellung der EU-Bürger zum türkischen EU-Beitritt sowie die Entwicklung dieser Einstellung innerhalb der letzten Jahre analysiert wird. Die empirischen Grundlagen bilden bei dieser Untersuchung die Fortschrittsberichte der Europäischen Kommission sowie diverse Sekundäranalysen von Befragungen der EU-Bürger. Neben der Frage nach der Realisierbarkeit des EU-Beitritts der Türkei erhält auch die Frage nach Alternativen zu einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU im Rahmen dieses Buches eine große Bedeutung. Diese werden vor dem Hintergrund einer möglichen Alternative für die Türkei betrachtet, falls der angestrebte EU-Beitritt nicht erfolgen kann.
Textprobe: Kapitel: 4.1, Die wirtschaftlichen Kriterien: Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch die türkische Wirtschaft schwer getroffen und führte zu schweren Verlusten. Allerdings erholte sich diese wieder recht schnell und hat zahlreiche Reformen eingeleitet. Folglich hat die Türkei seit dem Jahr 2009 wieder hohe Wachstumsraten zu verzeichnen. Nach Hoffmann, dem Korrespondenten der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul, hat die Türkei im ersten Quartal des letzten Jahres sogar optimistische Prognosen mit einem Wirtschaftswachstum von insgesamt 11,7 Prozent übertroffen. Die Türkei verzichtete sogar auf ein Kreditprogramm. Im Gegensatz dazu mussten sich andere Staaten in der weltweiten Wirtschaftskrise um finanzielle Unterstützung des Internationalen Währungsfonds bemühen. Deutschland ist dabei der wichtigste Wirtschaftspartner der Türkei, weshalb die deutsche Wirtschaft ein großes Interesse an einer noch engeren Anbindung der Türkei hat. Diese bietet diesbezüglich einen besseren Zugang für Geschäfte mit Asien und dem Nahen Osten. Des Weiteren erfolgte in der Türkei ein Anstieg des Handels- und Leistungsbilanzdefizits, eine Zunahme des Inflationsdrucks sowie ein Rückgang der Arbeitslosigkeit, die jedoch noch immer weit über dem Stand vor der Krise liegt. Die Kommission geht weiterhin davon aus, dass die Arbeitslosigkeit auch weiterhin hoch bleibt. Den Grund für diese Annahme sieht sie in demografischen Faktoren. Auch das Missverhältnis zwischen den angebotenen und nachgefragten Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle. Mit Hilfe der Strategie für die Rücknahme der Krisenbewältigungsmaßnahmen soll ein starkes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum erreicht werden. Mit dem Ziel der deutlichen Verbesserung der Haushaltslage wurden in der Türkei finanzpolitische Rahmenvorschriften aufgestellt. Die Strukturreformen führten zu unterschiedlichen Fortschritten. Doch die Kommission rechnet in diesem Zusammenhang in der Türkei mit einer Beschleunigung des Reformtempos aufgrund der niedrigen Realzinsen und der verbesserten Wirtschaft. Auf diese Weise bleibt die Handels- und Wirtschaftsintegration mit der EU nach Ansicht der Kommission auf einem hohen Niveau. Was den freien Warenverkehr angeht, so lässt sich anhand der Mitteilung der Kommission über die wichtigsten Herausforderungen für die Jahre 2010-2011 feststellen, dass die Rechtsangleichung der Türkei an die EU weit fortgeschritten ist. Allerdings wird der freie Warenverkehr weiterhin durch technische Handelshemmnisse wie Schranken behindert. Im Bereich der Wettbewerbspolitik setzt die Türkei die Wettbewerbsregeln wirksam um und auch die Angleichung bei den Kartellvorschriften befindet sich auf einem hohen Stand. Darüber hinaus stellt auch die Verabschiedung eines Gesetztes zur Schaffung einer Aufsichtsbehörde für staatliche Beihilfen einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbspolitik dar. Insgesamt bewertet die Kommission im Zusammenhang der wirtschaftlichen Kriterien die Türkei zurzeit wie folgt: ‘[…] die Türkei [ist]eine funktionierende Marktwirtschaft[…]. Das Land dürfte mittelfristig in der Lage sein, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften in der Union standzuhalten, sofern es sein umfassendes Strukturreformprogramm fortsetzt.’ Und auch Hoffmann urteilt in diesem Zusammenhang äußerst optimistisch: ‘Wirtschaftlich geht es in dem 72-Millionen-Staat aufwärts.’ Für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei stellte die Erfüllung der wirtschaftlichen Kriterien keine Voraussetzung dar. Allerdings sollten bereits Schritte in dieser Richtung erfolgt sein, wie es die Türkei zum Zeitpunkt der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen vorzuweisen hatte. Insgesamt ist aber davon auszugehen, dass die vollständige Erfüllung der wirtschaftlichen Kriterien noch viele Jahre in Anspruch nehmen wird, denn trotz dieser enormen Fortschritte, die die Türkei in den letzten Jahren im Bereich der Wirtschaftsentwicklung zu verzeichnen hat, bleibt der wirtschaftliche Abstand zwischen der Türkei und der EU bestehen. Nach Riemer ergeben sich aus dieser Tatsache weit reichende Konsequenzen, zu denen die Forderung nach Übergangsregelungen gehört, die den Verhandlungsverlauf bestimmen kann. Aber auch Sonderregelungen bei der Integration in die EU-Politik können sich als Konsequenzen ergeben und den Zeitpunkt des Beitritts bestimmen. Bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wird in diesem Sinne eine Verhandlungsstrategie, die Drei-Säulen-Strategie, auf die in Kapitel 4.2.4 dieses Buches noch näher eingegangen wird, angewandt, um weitere Reformen in der Türkei einzuleiten und die Integration in die EU-Strukturen zu fördern. Auf diese Weise soll der Abstand zwischen der Türkei und der EU verringert werden. 4.2, Die politischen Kriterien: Weichenstellung für die Entscheidung über den EU-Beitritt der Türkei: Die allgemeine Integrationsfähigkeit eines Beitrittskandidaten muss erst zum Zeitpunkt des Beitritts vollständig erreicht sein. Die wirtschaftlichen Kriterien sowie das Acquis-Kriterium müssen erst zu diesem Zeitpunkt erfüllt sein. Anders sieht es dagegen mit der Erfüllung der politischen Kriterien aus. Diese müssen bereits vor dem Beginn der Beitrittsverhandlungen erfüllt werden. Die EU verdeutlicht auf diese Weise ihren Anspruch, ‘[…] eine Union auf der Grundlage gemeinsamer demokratischer Werte zu sein, die sie etwa in der Präambel und in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) ausformuliert hat.’ Besonders im Beitrittsprozess der Türkei spielen diese politischen Kriterien eine zentrale Rolle, da es bisher immer wieder zu deutlicher Kritik seitens der EU aufgrund der politischen Verhältnisse in der Türkei gekommen ist. Zu den Kritikpunkten zählen vor allem die Verletzung der Menschenrechte in der Türkei sowie der Meinungsfreiheit, eine mangelhafte Ausbildung der türkischen Demokratie und zusätzlich auch die Anwendung von Gewalt und Folter durch staatliche Ordnungsorgane. In Helsinki beschloss 1999 der Europäische Rat neben der Anwendung der Kopenhagener Kriterien, die für alle Beitrittskandidaten gleich sind, auch die Erfüllung weiterer politischer Bedingungen durch die Türkei. Diese ergeben sich aus der besonderen Lage der Türkei sowie ihrer bisherigen Beziehungen zur EU. Eine Lösung der Zypernfrage steht hierbei ebenso im Mittelpunkt wie die Behebung des Konflikts zwischen der Türkei und dem EU-Mitglied Griechenland. Des Weiteren formulierte der Europäische Rat diverse Maßnahmen, mit denen die Gleichstellung der Türkei mit den anderen Kandidatenländern verdeutlicht werden sollte. Eine Maßnahme stellte die Beitrittspartnerschaft dar, die für die Türkei eines der wichtigsten Instrumente für die Vorbereitung des Beitritts darstellt. Diese ‘[…] zielt darauf ab, den türkischen Behörden bei der Erfüllung der Beitrittskriterien zu helfen. Ihr Schwerpunkt liegt auf den politischen Kriterien. Sie umfasst eine ausführliche Beschreibung der Prioritäten für die Vorbereitung des Landes auf den Beitritt, die insbesondere die Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands betreffen […]’. In diesem Sinne wurden Mechanismen geschaffen, mit denen die EU, neben der Einhaltung der Beitrittspartnerschaft, auch die Einhaltung des nationalen Programms kontrollieren kann. Die Europäische Kommission bewertet diesbezüglich in regelmäßigen Abständen die Fortschritte der Türkei mit einem Fortschrittsbericht, in dem sie zusätzlich auch die Bereiche nennt, in denen noch größere Änderungen und Anpassungen unternommen werden müssen, um die Beitrittskriterien sowie die Übernahme und Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstandes zu erfüllen. Das folgende Kapitel soll den Stand der Verwirklichung der politischen Integration der Türkei verdeutlichen und den Grundrechtsstandards der EU gegenüberstellen. Zusätzlich werden vorhandene Defizite in diesem Bereich aufgezeigt, um auf diese Weise den verbleibenden Reformbedarf zu verdeutlichen, der bis zur vollen Erfüllung der EU-Beitrittskriterien besteht. Als konkrete Problemfelder der türkischen Demokratie haben sich vor allem die politische Rolle des Militärs, die Lage der Meinungsfreiheit sowie die Menschenrechte und der Minderheitenschutz in der Türkei ergeben. Die Diskussion über die Lage der Demokratie in der Türkei beschränkt sich auf die genannten Aspekte. Zur Ermittlung des aktuellen Standes der Entwicklung der politischen Grundrechte in der Türkei wurden vor allem Länderberichte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International über die Türkei sowie die Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die wichtigsten Herausforderungen für das Jahr 2010-2011 ausgewertet.
Peggy Schirmböck (geb. Schulze) wurde 1981 in Bautzen geboren. An der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität in Hannover absolvierte sie ihr Studium zur Dipl. Sozialwissenschaftlerin. Zu den Schwerpunkten gehörten die politischen Systeme anderer Länder, internationale Beziehungen und die europäische Integration. Bereits seit vielen Jahren beschäftigt sich Peggy Schirmböck sowohl privat als auch im Rahmen ihres Studiums mit Literatur über die EU und die Europäische Integration. Mit dem Aufkommen der Türkei-Debatte in den Medien entwickelte sie ein besonderes Interesse an dieser Thematik. Die Frage, ob eine Integration der Türkei in die Strukturen der EU realisierbar ist, war ein grundlegender Gedanke, der Peggy Schirmböck dazu motivierte, eine eigene Studie über diese Thematik zu verfassen. Diese soll die Möglichkeiten und Probleme einer EU-Integration der Türkei prägnant darstellen und analysieren.
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