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- Das Ibn Khaldoun Denkmal in Tunis: Zwischen nationaler Identität und kollektiven Gedenken
Soziologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 152
Abb.: 17
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Ibn Khaldoun, Staatstheoretiker, Historiograph und Rationalist des arabischen Mittelalters, wurde im Jahr 1332 in Tunesien, damals Ifriqiya, geboren. Er studierte und verfasste an der Ez-Zitouna-Universität in Tunis seine erste Fassung der berühmten Muqaddima, dem Buch der Beispiele. Die in ihr enthaltenen Erkenntnisse über das gesellschaftliche Leben begründen die Anfänge der Soziologie. Es ist ein Standardwerk, das in allen arabischen Schulen ausführlich besprochen und diskutiert wird. Auch in Europa gewinnt das Werk inzwischen zunehmend an Bedeutung. Das Denkmal von Ibn Khaldoun, das auch heute noch im Stadtzentrum von Tunis zu sehen ist, wurde im Jahr 1978 durch den ehemaligen und ersten Staatspräsidenten Tunesiens Habib Bourguiba errichtet. Welches kommunikative und politische Konzept wurde damals mit dem Denkmal in Verbindung gebracht? Woran sollte sich das Kollektiv der Tunesier erinnern und was sollte es besser vergessen? Das vorliegende Buch befasst sich intensiv mit diesen und anderen Fragen und mit der damals geplanten politischen Kommunikation. Anhand des französischsprachigen Leitmediums La Presse de Tunisie konnte die mit der Denkmalssetzung einhergehende Kampagne rekonstruiert und dokumentiert werden.
Textprobe: Kapitel 4, Historie, Zeichen und Denkmäler: 4.1, Geschichte: Um das Phänomen und die Existenz des Ibn Khaldoun Denkmals in Tunis seit seinem Bestehen nachvollziehen zu können, soll zunächst ein dem Thema gerecht werdender Überblick der Geschichte Tunesiens gegeben werden. Dieser Überblick beschreibt die Entstehung des französischen Protektorats bis zur unabhängigen Republik Tunesien, die von Habib Bourguiba vorangetrieben wurde. Im ersten Teil wurde bereits erwähnt, dass figürliche Darstellungen in arabischen Gesellschaften keine Tradition haben. Ausgehend von dieser Tatsache, erschien es in diesem Zusammenhang notwendig, die Entstehung der Avenue, wo das Denkmal Ibn Khaldouns steht, zu skizzieren und die Denkmale vorzustellen, die sich zu einem früheren Zeitpunkt auf der Avenue befanden und welche Aussagen mit ihnen einhergingen. Zum Ende dieses Abschnittes, soll der Künstler des Ibn Khaldouns Denkmals vorgestellt werden. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wollte Zoubeir Turki selbst nicht zu dem Ereignis sowie den politischen Hintergründen Stellung beziehen. Am Ende dieses Abschnittes wird zuerst eine chronologische Zusammenfassung der zur Analyse heran gezogenen Presseartikel vorgenommen. Im Anschluss daran, folgt eine Klassifikation der jeweiligen Artikel. Die Gerüchte, die sich mehr oder weniger parallel aus der Denkmalsetzung entwickelten, wurden der Analyse voran gestellt. 4.1.1, Das französische Protektorat: Die seit dem Jahre 1705 bestehende Dynastie der Husseiniden sah sich bereits in den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts durch das Voranschreiten türkischer Truppen auf libysches Territorium bedroht und ersuchte deshalb militärischen Schutz von französischer Seite. Frankreich befand sich zu diesem Zeitpunkt in militärischen Auseinandersetzungen auf algerischem Boden, die bis in das Jahr 1845 hinreichten. Zwischen Frankreich und Tunesien wurde eine Protektoratsvereinbarung getroffen die sich zunächst im Sinne des Wortes auf militärischen Schutz des schwächeren Staates Tunesien bezog. Die Vereinbarung wurde im Jahr 1881 durch das Einmarschieren französischer Truppen auf tunesischen Boden gebrochen. Dem voran gegangen war eine durch Frankreich, England und Italien unterstützte und forcierte Verschuldung des Monarchen Mohammed es Sadok Bay, der sich bereits im Jahr 1869 gezwungen sah, durch ein Dekret die beteiligten Schuldner an innenpolitischen Entscheidungen teilhaben zu lassen. Während England lediglich wirtschaftliche Interessen verfolgte, entbrannte nach dem Berliner Kongress ein jähes Konkurrieren der beiden aufstrebenden Kolonialmächte Frankreich und Italien um tunesisches Territorium. Ein zunächst geheim gehaltener Plan des Ministerpräsidenten und Bildungsministers der dritten Republik Jules Ferry und mit politischem Übereinkommen mit dem Republikaner Leon Gambetta wurde eine militärische Invasion in Tunesien umgesetzt. Französische Truppen drangen über die algerische Grenze und den Hafen von Bizerte in Tunesien ein und zwangen Mohammed es Sadok Bay am 12.Mai 1881 zur Unterschrift des Vertrages von Bardo, der die innere Souveränität des Landes gänzlich in französische Hände übergab. Den daraufhin entbrannten Aufständen der Tunesier begegnete die nun französische Protektoratsmacht mit militärischer Gewalt. Am 10.Oktober wurde über der Kasbah von Tunis die französische Flagge gehisst. In den folgenden vierundsiebzig Jahren Kolonialzeit entschied die französische Republik über die innenpolitischen Geschehnisse in Tunesien. Die Monarchenfamilie der Bays hatte landesintern nur noch repräsentativen Charakter und verfügte über wenig politische Einflussnahme. Das Land wurde unter französischen Siedlern aufgeteilt und agrarwirtschaftlich ausgebaut. Die wirtschaftliche und kulturelle Einflussnahme wirkte sich auf das Schul- und Bildungswesen aus, bis hin zu kompletter administrativer Übernahme. Die Kehrseite war neben Rassismus massive Unterdrückung der so genannten Indigenen , wirtschaftliche Ausbeutung und aggressive Akkulturation. 4.1.2, Habib Bourguiba: Protagonist der Unabhängigkeit: Der Protagonist der tunesischen Unabhängigkeit, Habib Bourguiba, wurde im Jahre 1903 in der Hafenstadt Monastir geboren. Habib Bourguiba studierte Politologie und Rechtswissenschaft an der französischen Elite Universität Sorbonne. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich gründete er im Jahre 1934 die Neo Destour Partei. Durch selbstpublizierte Zeitungen und Flugblätter machte Habib Bourguiba seine Unabhängigkeitsbestrebungen in ganz Tunesien bekannt und machte auf die von Franzosen betriebenen Missstände aufmerksam. Mehrfach wurden er und seine Mitstreiter, die später auch zu seinen politischen Konkurrenten wurden, aufgrund ihrer politischen Aktivitäten inhaftiert und deportiert. Von Soldaten der deutschen Wehrmacht während des zweiten Weltkrieges aus einem Gefängnis bei Lyon entlassen und an italienische Verbündete ausgeliefert, wandte sich Habib Bourguiba erstmals wieder in einer Radioübertragung im Jahre 1943 an die tunesische Gesellschaft. Er kehrte noch während des 2. Weltkriegs nach Tunesien zurück, doch flüchtete er über die Hafenstadt Sfax über Libyen nach Ägypten. Bourguiba war Mitbegründer des Organisationskomitees maghrebinischer Staaten und warb in Kairo bei der jüngst gegründeten Arabischen Liga um Unterstützung für ein unabhängiges Tunesien. Erst Anfang der fünfziger Jahre kehrte er nach Tunesien zurück, revitalisierte die von ihm gegründete Neo Destour-Partei (sie wurde später in Parti Socialiste Destourien umbenannt und vertrat sozialistische Ansichten), reiste abermals durch das gesamte Land und warb erneut für ein unabhängiges Tunesien. Nach Ausbruch der Januar Revolution im Jahr 1952, geriet Bourguiba abermals in französische Haft und wurde wieder außer Landes geschafft. Erst in der Regierungszeit von Pierre Mendes France (1954) gelang es, politische Zugeständnisse der französischen Regierung für eine Wiedererlangung der inneren Autonomie zu erzielen. Am 1. Juni 1955 kehrte Bourguiba endgültig nach Tunesien zurück und sah sein Ziel, die tunesische Unabhängigkeit, in greifbare Nähe gerückt. Tunesien wurde am 20. März 1956 offiziell in die Unabhängigkeit entlassen. Durch den Rücktritt des Monarchen Bay Lamines wurde im Jahre 1957 offiziell die Monarchie abgeschafft und die Republik Tunesien ausgerufen. In seiner Regierungszeit als Staatspräsident ersetzte Habib Bourguiba nach kemalistischem Vorbild die Sharia-Gerichte durch ein säkulares Justiz-system, er löste religiöse Stiftungen auf und führte somit den Laizismus in Tunesien ein. Der Islam bleibt laut Verfassung offiziell tunesische Staats-religion und das Arabische Nationalsprache. Am 3.November 1974 wurde Habib Bourguiba zum Präsidenten auf Lebenszeit ernannt. Die Errungenschaften seiner Regierungszeit waren die Gleichberechtigung von Mann und Frau durch den code statue personelle , die allgemeine Schulpflicht und der Aufbau eines Bildungssystems. Damit einhergehend der Bau der Universitäten von Tunis, Monastir, sowie Sousse und Kairouan, ein neues Gesundheitswesen und der Ausbau der tunesischen Infrastruktur. Sein planwirtschaftliches Experiment führte zu Missernten und war ein Auslöser für die harten politischen Auseinandersetzungen der siebziger Jahre.
Aida Ben Achour, 1968 in Frankfurt am Main geboren, entschied sich nach einer kaufmännischen Ausbildung und einem intensiven Engagement an Dr. Hochs Konservatorium im Fach Klavier zu einem Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste zu Berlin. Während des Studiums vertiefte sie ihre Interessensschwerpunkte auf die Bereiche der verbalen, interkulturellen und politischen Kommunikation. Das Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation schloss sie im Jahr 2007 mit dem akademischen Grad der Diplom Kommunikationswirtin erfolgreich ab. Im Verlauf Ihres des Studiums sammelte die Autorin umfangreiche Erfahrungen in der Planung und Umsetzung von Symposien und Kongressen. Im Auftrag des international renommierten Rightlivelihood Award mit Sitz in Stockholm, hierzulande besser bekannt als der Alternative Nobelpreis , führte sie u.a. eine umfassende Studie über die Rezeption des Preises in der deutschen Öffentlichkeit durch. Während ihres Studiums entwickelte sich ihr Interesse für die Lehre und Philosophie Ibn Khaldouns, eines arabischen Staatstheoretikers des Mittelalters. Sein Werk, die Muqaddima, bildete die Grundlage für ihre Forschungsarbeit kollektiver Gedenkformen und Kommunikationsmedien in Tunesien. Die Denkmalssetzung Ibn Khaldouns und die damit einhergehenden Kommunikationsabsichten bilden den Hintergrund dieses Buches.