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- Wenn Pendeln das Leben diktiert. Einflüsse und Auswirkungen auf die Lebensqualität in der Pendlerrepublik Deutschland
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2018
AuflagenNr.: 1
Seiten: 72
Abb.: 6
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Phänomen des Pendelns zwischen Wohn- und Arbeitsort gewinnt zunehmend an Bedeutung im gesellschaftlichen sowie individuellen Kontext. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, wie Erwerbstätige pendeln in ihren Alltag integrieren und erforscht die damit verbundenen Einflüsse und Auswirkungen auf die Lebensqualität. Die empirische Untersuchung erfolgte durch vier leitfadengestützte, problemzentrierte Interviews, welche nach der Methodik der Grounded Theory ausgewertet wurden. Ein besonderes Augenmerk der Arbeit lag hierbei auf dem Pendlertypus des Tages- und Wochenpendlers sowie des Geschäftsreisenden. Es zeigte sich, dass besonders der Faktor Zeit einen bedeutenden negativen Einfluss auf das subjektive Wohlempfinden der Pendler ausübt. Die Auswirkungen manifestieren sich beim Pendelnden selbst, indem sie Gesundheit, Lebensstil, Karriere, jedoch auch soziales Umfeld und Partnerschaft bzw. Familie verändern. Es zeigte sich im Hinblick auf die Lebensqualität, dass eine Unausgeglichenheit der Grund-, Sicherheits- und Selbstverwirklichungsbedürfnisse negative Auswirkungen auf das subjektive Wohlempfinden haben kann. Jedoch wurde auch ersichtlich, dass pendeln als positiv empfunden werden kann, wenn dessen Integration in den Alltag aus der freien Entscheidung der Pendler hervorging und somit die bestmögliche Lösung darstellt.
Textprobe: Kapitel 3, Stand der Forschung: Das Forschungsinteresse an Pendlern und ihrer Lebensqualität konnte in den vergangenen 20 Jahren einen großen Zuwachs verzeichnen: Zum einen beeinflussen Strukturwandel und Globalisierung den Alltag der Erwerbstätigen, sodass eine (berufsbedingt) mobile Lebensform immer häufiger gewählt wird und in den Fokus der – nicht nur sozialwissenschaftlichen – Forschung rückt. Zum anderen beschäftigt der Aspekt der Lebensqualität zunehmend Politik, Zivilgesellschaft und internationale Organisationen, deren Hauptziel die Messung und Verbesserung des objektiven und subjektiven Wohlbefindens darstellt. Eine der bedeutendsten Untersuchungen des letzten Jahrzehnts ist die Längsschnittanalyse der Forschungsgruppe um den deutschen Soziologen Schneider, welche bereits von 2001 bis 2002, sowie in den Jahren 2007, 2010 und 2012 unter dem Titel Job Mobilities and Family Lives in Europe – Modern Mobile Living and its Relation to Quality of Life in insgesamt sechs europäischen Ländern mit 7.220 Studienteilnehmern zwischen 25 und 54 Jahren durchgeführt wurde. Im Fokus der Forschung standen die Verbreitung und Vielfalt an berufsbedingter räumlicher Mobilität in Europa, Gründe und Umstände für Mobilitätsentscheidungen sowie die Folgen von berufsbedingter räumlicher Mobilität für Wohlbefinden, berufliche Entwicklung, Familienleben und soziale Integration. Erkenntnisse sind vor allem, dass berufsbedingte Mobilität zugenommen hat und längst kein Randphänomen mehr ist: Jeder fünfte Vollzeiterwerbstätige in Deutschland war zum ersten Zeitpunkt der Untersuchung (2007) als Fernpendler, Geschäftsreisender, Saisonarbeiter (Shuttle) oder (beruflicher) Wohnortwechsler mobil. 32 Prozent der aktuell Erwerbstätigen waren in ihrem Berufsleben bereits mobil und gelten als Mobilitätserfahrene. 20 Prozent der beruflich Mobilen erleben eigenen Angaben zufolge keinerlei Schwierigkeiten und sind gern unterwegs – teils aus finanziellen Gründen, teils aus Vergnügen an der Mobilität selbst. Eine stabile Beziehung am Heimatort ist in diesen Fällen oft gegeben (vgl. Hupfeld, Brodersen & Herdegen, 2013, S. 10 Schneider et al, 2016, S. 5 ff. Triebel, 2010, S. 46 ff. Rüger & Schneider, 2016, S. 5 ff.). Des Weiteren ist gemäß der Untersuchung eine Abnahme der residenziellen Mobilität zu verzeichnen: Im Jahr 2010 haben seit dem Verlassen ihres Elternhauses lediglich 19 Prozent der Deutschen ihre Heimatregion gewechselt – der Trend zur beruflichen Mobilität nimmt zu. 70 Prozent der mobilen Erwerbstätigen gaben an, dass ihre derzeitige Mobilität eine Übergangsphase darstellt und langfristig kein mobiles Leben geplant sei (vgl. Hupfeld, Brodersen & Herdegen, 2013, S. 10 Triebel, 2010, S. 46 ff. Rüger & Schneider, 2016, S. 7). Generell konnten Auffälligkeiten der soziodemografischen Charakteristika nachgewiesen werden: Beruflich Mobile sind im Vergleich zu weniger oder Nicht-Mobilen jünger, gebildeter und vor allem männlich. Häufig ist ein mobiles Leben für Menschen bis zum 30. Lebensjahr ein erstrebenswertes Ziel, zu dessen Erreichung Auslandserfahrung, befristete Verträge oder mehrmaliges Wechseln des Wohnortes bereitwillig akzeptiert werden. Junge Akademiker sind demnach besonders varimobil, ältere Erwerbstätige mit mittlerem Bildungsabschluss können häufig der Gruppe der Fernpendler zugeschrieben werden. Eine Führungsverantwortung zieht dennoch nicht zwangsweise Mobilität nach sich (vgl. Hupfeld, Brodersen & Herdegen, 2013, S. 10 Schneider et al., 2016, S. 5 ff. Triebel, 2010, S. 46 ff. Rüger & Schneider, 2016, S. 5 ff.). Erkenntnisse sind weiterhin, dass in Partnerschaften, in denen beide Partner erwerbstätig sind, Mobilität häufiger verbreitet ist, als in Partnerschaften mit nur einem Einkommen. Mobile Partnerschaften werden öfter von Kinderlosen geführt. Haben zwei Drittel der mobilen Männer Kinder, trifft dies nur auf ein Drittel der Frauen zu. Letztere sind bei mobiler Lebensform weniger oft verheiratet oder seltener Mütter als nicht-Mobile Frauen. Beruflich mobile Männer sind jedoch gleich oft Väter wie die nicht-mobile Vergleichsgruppe. Männer und kinderlose Frauen in Deutschland sind verhältnismäßig gleich mobil. Während das Pendeln von langen Strecken bzw. die Lebensweise der Wochenpendler signifikant negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Frauen hat, gilt dies nicht für Männer. Jedoch sind Eltern häufiger mit negativen gesundheitlichen Auswirkungen konfrontiert als Kinderlose (vgl. Hupfeld, Brodersen & Herdegen, 2013, S. 10. Triebel, 2010, S. 46 ff. Rüger & Schneider, 2016, S. 5 ff.). Ähnliche Ergebnisse zeigt auch die Untersuchung von Gräbe und Ott (2003), in welcher aus 10.000 Haushalten letztlich neun erwerbstätige Wochenpendler herausgefiltert und qualitativ befragt wurden, um anhand von Leitfadeninterviews deren vorherrschende Berufssituation, private Lebensverhältnisse, Wünsche, Ängste, Belastungen, Konflikte etc. zu analysieren: Junge, männliche Erwerbstätige sind häufiger Wochenpendler als Frauen, deren Anteil mit zwei Dritteln jedoch – analog zu Rüger und Schneider (2016, S. 7) – unter dem dreißigsten Lebensjahr am höchsten liegt. Der Schulabschluss bildet bei Wochenpendlern ebenfalls ein entscheidendes Kriterium, denn hohe Bildungsabschlüsse sind häufiger vertreten als niedrigere, auch das Haushaltsnettoeinkommen korreliert mit diesen Zahlen. Die Wochenpendler leben überwiegend in Drei- bis Vier-Personen-Haushalten, fahren durchschnittlich eine Strecke von 275 Kilometern, um zum Arbeitsort zu gelangen, und benutzen dafür meistens das eigene Auto anstatt öffentlicher Verkehrsmittel. Schneider et al. (2002, S. 98) sowie Gräbe und Ott (2003, S. 43 f.) stellten in ihren Untersuchungen fest, dass ein großer Teil der Wochenpendler entweder angestellt ist, oder im öffentlichen Dienst arbeitet. Selbstständige und Freiberufler entscheiden sich seltener für das Wochenpendeln. Die Pendeldauer beträgt meistens bis zu fünf Jahre und wird von Gräbe und Ott (2003, S. 48) in Erst-, Langzeit- und Spätpendler unterteilt. Zwei Drittel der Befragten empfinden Pendeln als Belastung, die Zunahme steigt mit der Arbeitsortentfernung. Die Partnerschafts- und Sozialbeziehungen leiden unter einem dauerhaften Pendeln, dem mit einer starken Alternativensuche am Wohnort entgegengewirkt werden soll (vgl. Gräbe & Ott, 2003, S. 46 f.). Auch der bei Schneider et al. festgestellte generelle Rückgang der residienziellen Mobilität kann nachgewiesen werden, wobei die Unsicherheit des Arbeitsverhältnisses den Hauptgrund darstellt (vgl. Gräbe & Ott, 2003, S. 154 f. Rüger & Schneider, 2016, S. 7).
Claudia Andersch, Sozialwissenschaftlerin (B.A.), wurde 1989 in Dresden geboren. Nach ihrem Abitur folgten eine kaufmännische Berufsausbildung und ein Studium, der Berufseinstieg bei einem renommierten Schweizer Reiseveranstalter in Zürich sowie eine Anstellung als Personal Assistant des Schweizer Geschäftsführers eines internationalen Softwarehauses. Nach fünfjährigem Aufenthalt in der Schweiz entschied sich die Autorin für ein Zweitstudium der Sozialwissenschaften in Fulda, welches sie 2017 sehr erfolgreich abschloss. Ihr Interesse gilt im Besonderen Themen der Arbeits- und Organisationssoziologie, der Personalentwicklung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements.
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