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- Vom Aderlass bis zur Zahnextraktion: Medikale Konzepte und Therapiemaßnahmen im Spiegel ausgewählter Selbstzeugnisse im frühneuzeitlichen Europa
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Lange beschäftigte sich die Medizingeschichte fast ausschließlich mit dem ärztlichen Stand und dessen Forschungen, Theorien und Entdeckungen. Der Patient ging hierbei als unumgängliches Mittel zur Geschichtsschreibung in einer gesichtslosen Masse unter. Erst durch ein vermehrtes Interesse für die Sozial- und Alltagsgeschichte wurde Mitte der 1980er Jahre der Blick auf die Laienperspektive gelenkt. Die vorliegende Arbeit betrachtet nunmehr zwei unter dem medizinhistorischen Aspekt der Laienperspektive noch nicht untersuchte Quellen. Zum einen wird der umfassende Briefwechsel der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans (1652-1722) untersucht, deren Verfasserin als Mitglied der europäischen Aristokratie nicht nur nebensächlich über selbst erfahrene oder ihr Umfeld betreffende Krankheiten schrieb. Sie gewährt uns heute neben einem Einblick in individuelle Krankheiten gleichsam ein Bild von Epidemien und die auf diese bezogenen Reaktionen der Umwelt. Als weitere sehr persönliche und ausführliche Quelle wird das umfangreiche Tagebuch des Samuel Pepys (1633-1703) betrachtet, das dem erstgenannten Zeugnis in Bezug auf Erwähnungen therapeutischer Konzepte und Krankheiten in nichts nachsteht. Der Hauptteil dieser Arbeit gliedert sich in drei Kapitel, wobei sich deren Struktur aus komparatistischen Motiven gleicht. Zunächst werden die theoretischen Grundlagen um Krankheiten und Therapiemaßnahmen definiert und die Pluralität der medikalen Konzepte dargelegt, wobei auch diese deskriptiv erörtert werden. Anschließend sind im folgenden Kapitel die Korrespondenzen der Herzogin von Orléans Gegenstand der Betrachtungen. Nachdem ein kontextueller Zusammenhang zwischen der Herzogin und ihren Briefen geschaffen wurde, werden zunächst Krankheiten und therapeutische Maßnahmen, dann die drei Konzepte einzeln analytisch auf ihren Gehalt um medikales Wissen untersucht. Ebenso unter diesen methodischen Aspekten und nach den gleichen Gliederungspunkten gestaltet sich die Untersuchung der Tagebücher des Samuel Pepys. Im letzten Kapitel des Hauptteils werden die zuvor gewonnenen Ergebnisse zunächst unter der Gegenüberstellung erwähnter Krankheiten und Therapiemaßnahmen und ferner um die Kenntnis der einzelnen Konzepte verglichen. Abschließend werden alle erbrachten Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst und ein Ausklick auf zukünftige thematische Forschungsschwerpunkte gegeben.
Textprobe: Kapitel 2.1, Individuelle Krankheiten und Epidemien: Die Darlegung der Erkrankungen, die das frühneuzeitliche Europa bewegten, bildet den Ausgangspunkt für eine Beschreibung der Therapiemaßnahmen und der krankheitsdeutenden medikalen Konzepte. Den zu untersuchenden Selbstzeugnissen ist, wie in den einzelnen Kapiteln ausgeführt wird, eine Krankheitswahrnehmung zu entnehmen, die zwischen individuellen Krankheiten und Epidemien differenzierte. Als Ursachen individueller Krankheiten, zu denen frühneuzeitliche Zeitgenossen Infektionskrankheiten und Organbeschwerden zählten, wurden vor allem Erkältungen, Fehler der diätetischen Lebensausrichtung und erbliche Neigungen betrachtet. Hierbei sind Fieber, Schnupfen, Husten, Milzbeschwerden , Gicht , Wassersucht , Rheumatismus , Koliken , Magenverstimmung, Verdauungsbeschwerden sowie Kopf- und Zahnschmerzen besonders zu betonten, denn diese wurden auch von Elisabeth Charlotte von Orléans und Samuel Pepys häufig thematisiert. Die jedoch größte medizinische Bedrohung stellten spontan auftretende Massenerkrankungen dar, deren epidemische Ausbreitung durch dicht bevölkerte Städte und überwiegend unhygienische Verhältnisse begünstigt wurde und oft mit Ernteausfällen und Hungersnöten einher ging. Die Pest ist hierbei wohl die bekannteste Epidemie des Mittelalters, wurde der Pestausbruch in Florenz 1348 doch schon im Decamerone Boccaccios dargestellt und seit dem Mittelalter nicht ohne Grund als ‘Schwarzer Tod’ gefürchtet. Die Beulenpest wird durch Biss oder Kot der Ratten- und Menschflöhe übertragen und führt nach 48 Stunden zu einer bläulich-schwarzen Verfärbung der Stelle des Flohbisses. Nach zwei bis sieben Tagen folgt ein Anschwellen der Lymphknoten, was durch Fieberschübe, starke Kopfschmerzen, Halluzinationen und Blutungen unter der Haut begleitet werden kann. Der Tod tritt ein, wenn die Lymphdrüsen nach innen aufbrechen und eine daraus resultierende zu hohe Anzahl von Pesterregern eine Blutvergiftung bewirkt. Liegt die Wahrscheinlichkeit nach Erkrankung an der Beulenpest zu sterben bei 50%, so hat die Lungenpest eine Letalität von 100%. Die durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragende Krankheit führt nach 24 bis 48 Stunden Inkubationszeit zu Atemnot, Bluthusten und Herzrasen. Der unweigerliche Erstickungstod tritt durch eine Nervenlähmung und Zerstörung des Lungengewebes ein. Diese Krankheitsbilder verdeutlichen die Angst der Zeitgenossen, die sich auch in den zu untersuchenden Korrespondenzen und Tagebucheinträgen wiederspiegelt. Neben Fleckfieber , Malaria und der Geschlechtskrankheit Syphilis waren vor allem die Pocken gefürchtet. Diese Virusinfektion ließ jeden zweiten Erkrankten sterben. Das Überleben war nach 14-tägiger Erkrankung und Symptomen wie hohem Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschlag mit eitrigen Pusteln mit einer folgenden lebenslangen Immunität, aber auch Narben verbunden. Eine weitere gefürchtete Epidemie stellte die Ruhr dar, denn diese Infektionskrankheit ruft häufig blutige Durchfälle hervor, die durch den enormen Verlust von Wasser, Blut und Mineralien tödlich verlaufen können. Die Ausbreitung dieser Erkrankung des Magen-Darm-Trakts durch über die Nahrung aufgenommene Bakterien wurde ebenfalls durch mangelnde Hygiene unterstützt. Die individuellen und masseninfektiösen Erkrankungen wurden von den unterschiedlichen medikalen Konzepten gedeutet. Bevor jedoch auf diese eingegangen wird, sollen Therapiemaßnahmen vorgestellt werden, mit welchen die Konzepte die Krankheiten zu heilen beabsichtigten.
Eric Kresse, B.A., wurde 1986 geboren. Sein Studium der Staats- und Sozialwissenschaften an der Universität der Bundeswehr München schloss der Autor im Jahre 2011 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts erfolgreich ab. Während des Studiums sammelte der Autor umfassende Erfahrungen mit historischen Texten. Fasziniert von der Entwicklung der Medizin motivierte ihn dieses Interesse, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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