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Sozialwissenschaften

Maria Pauline Buss

Realityfernsehen und Fremdschämen: Eine fMRT-Studie

ISBN: 978-3-95820-262-7

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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Abb.: 8
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Menschen schämen sich fremd, wenn sie jemanden dabei beobachten, wie er oder sie sich öffentlich blamiert. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, in welcher Form neuronaler Aktivität sich Fremdschämen manifestiert und inwieweit interindividuelle Unterschiede im Erleben von Fremdscham auszumachen sind. Es soll betrachtet werden, ob das verwendete Stimulusmaterial (Ausschnitte aus Reality-Fernsehformaten) starkes Fremdschämen auslöst und dieser Effekt weder durch die Lustigkeit noch die mitleiderregende Wirkung erklärt werden kann. Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) soll gezeigt werden, dass der linke superiore temporale Gyrus, ein subgyraler Bereich im Grenzgebiet von Parietal- und Frontallappen der rechten Hemisphäre und ein Bereich im Grenzgebiet von medialem frontalen Gyrus und Gyrus cinguli bei dem Erleben von Fremdscham eine Rolle spielen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 1.6, Mögliche Entstehungsprozesse von Fremdschämen - ein Ordnungsversuch: Relativ unbeantwortet lassen die Forschungsbestrebungen der letzten Jahre allerdings die Frage, welche Prozesse bei der Entstehung von Fremdscham eine Rolle spielen. Daher wird im Folgenden ein theoretischer Versuch unternommen, aus einer Auswahl vorhandener Erkenntnisse zum Phänomen Fremdschämen vier verschiedene Prozesse herauszuarbeiten, die möglicherweise bei der Entstehung von Fremdscham eine Rolle spielen könnten. Dies soll dazu dienen, infolge dessen theoretische Überlegungen in Bezug auf an der neuronalen Antwort von Fremdschämen möglicherweise beteiligte Areale zu schließen. Bei der Entstehung von Fremdscham ist möglicherweise ein ideosynkratischer Bewertungsprozess beteiligt. Damit ist gemeint, dass das beobachtete normverletzende Verhalten in Bezug zu eigenen moralischen und normativen Grundsätzen gesetzt wird und ein Vergleichsprozess zwischen verschiedenen mentalen Repräsentationen stattfindet. Resultiert der Vergleichprozess in einer starken Abweichung des beobachteten Verhaltens von den eigenen Moralvorstellungen, wird Fremdscham ausgelöst. Fremdscham könnte in diesem Sinne ein salienter affektiver Indikator für die soziale Relevanz der wahrgenommenen Unterschiedlichkeit der mentalen Repräsentationen sein, die in den Vergleichsprozess mit einbezogen werden. Für die Existenz eines solchen oder ähnlichen Bewertungsprozesses sprechen u.a. die Ergebnisse von Marcus et al. (1996). Sie zeigen, dass Fremdschämen ein deutlich subjektiver Prozess ist und das Ausmaß der empfundenen Fremdscham eher vom Beobachter abhängig ist, als von der Charakteristik der beobachteten Situation. Auch die Erkenntnis von Krach et al. (2011), dass nur der Beobachter den normverletzenden Charakter der beobachteten Situation verstehen muss, damit Fremdscham entsteht, spricht für die Beteiligung eines eher subjektiv geprägten Bewertungsprozess. Epley, Keysar, Van Boven und Gilovich (2004) zeigten, dass auch der Prozess der Perspektivübernahme zu weiten Teilen einer egozentristischen Verzerrung unterliegt. Die eigene Perspektive wird dabei als Anker genutzt und schrittweise in Richtung der vermuteten des Gegenübers adjustiert. Diese Adjustierung ende, sobald eine einigermaßen plausible Antwort generiert wurde. In diesem Sinne wäre vorstellbar, dass im Fall des Fremdschämens die schrittweise Adjustierung durch das Erleben der aversiven Emotion Fremdscham vorzeitig abgebrochen werden könnte, was die starken Beobachtereffekte erklären würde. Letztere Ergebnisse geben außerdem einen Hinweis darauf, dass bei der Entstehung von Fremdscham möglicherweise Prozesse der kognitiven Perspektivübernahme beteiligt sind. Dafür spricht einerseits, dass im Speziellen die Vorstellung, wie man selber an Stelle der in die peinliche Situation involvierten Person denken und fühlen würde (imagine self-Perspektive), das Erleben von Fremdscham nach sich zieht (Stocks et al., 2011). Andererseits zeigte Krach et al. (2011) positive Korrelationen zwischen kognitiver Subskala des verwendeten Empathiemaßes und dem Fremdscham-Erleben sowie der Aktivität im anterioren cingulären Cortex und in der linken anterioren Insula. Auf neuronaler Ebene basieren solche kognitiven Mentalisierungsfähigkeiten auf der intakten Funktionsweise eines neuronalen Netzwerks bestehend aus medialem präfrontalen Cortex (mPFC), den superioren temporalen Sulci (STS) und den temporalen Polen (Shamay-Tsoory, 2009). Möglicherweise sind bei der Entstehung von Fremdscham aber auch emotionale empathische Prozesse beteiligt. Vorstellbar wäre, dass wenn die beobachtete Person selber Verlegenheit zeigt, Prozesse emotionaler Ansteckung aktiviert werden und dieselbe Emotion beim Beobachter ausgelöst wird - in diesem Fall stellvertretende Verlegenheit. Dass Fremdschämen irgendetwas mit emotionaler Empathie zu tun haben muss, zeigen die von Krach et al. (2011) nachgewiesenen positiven Korrelationen zwischen emotionaler Subskala des verwendeten Empathiemaßes und dem Fremdscham-Erleben sowie der Aktivität im anterioren cingulären Cortex und in der linken anterioren Insula. Andererseits zeigte Stocks et al. (2011), dass wenn Pbn aufgefordert werden, sich die Gedanken und Gefühle der Person vorstellen, die sich blamiert (imagine other-Perspektive), vermehrt empathische Sorgen berichtet werden, jedoch nicht Fremdscham. Zudem nehmen in diesem Fall Pbn vermehrt das Angebot an, auch nach Untersuchungsende in regelmäßigen Abständen über sechs Wochen hinweg weitere Informationen über die Person zu erhalten, die die peinliche Situation erlebt hat (Annäherungsverhalten). Ein solches Annäherungsverhalten tritt nicht auf, wenn Pbn wie beschrieben die imagine self-Perspektive einnehmen sollten, die mit dem Erleben von Fremdscham assoziiert wurde. Die neuronale Basis affektiver Empathie ist nicht so eindeutig. Shamay-Tsoory (2009) schlägt vor, dass affektive Mentalisierungsfähigkeiten auf der intakten Funktionsweise desselben neuronalen Netzwerks wie kognitive Mentalisierungsfähigkeiten (mPCF, STS, temporale Pole) beruhen. Allerdings seien zusätzlich orbitofrontale mediale Regionen beteiligt, wo die Integration von kognitiven und affektiven Prozessen stattfindet.

Über den Autor

Maria Pauline Buss wurde 1988 in Forst (Lausitz) geboren. Ihr Studium der Psychologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn schloss sie 2013 mit dem akademischen Grad Bachelor of Science erfolgreich ab. Getragen von ihrem besonderen Interesse für Biopsychologie und Neurowissenschaften setzte sie sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit über ein Jahr intensiv mit der neuronalen Verarbeitung und dem Erleben von Fremdscham auseinander. Derzeit studiert die Autorin an der Hochschule für Musik und Tanz Köln im Bereich Instrumentalpädagogik.

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