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- Prüfungsangst als Form der Schulphobie: Über die Diagnose und den Umgang mit prüfungsängstlichen Schülerinnen und Schülern
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Prüfungsängste haben einen entscheidenden Einfluss auf den Schulalltag und die Lebensqualität eines Betroffenen. Diese psychische Störung hat nicht nur Auswirkungen auf die emotionale Befindlichkeit, sondern gestaltet den Alltag und die berufliche Zukunft von Kindern und Jugendlichen in einem besonderen Maß mit. Oftmals wird diese Störung in der Schule und im familiären Umfeld nicht erkannt oder unterschätzt, da das Wissen um Prüfungsängste in einer unangemessenen Form häufig mangelhaft ist. Angst vor einer Prüfung zu haben, ist zunächst auch nicht ungewöhnlich. Diese Arbeit beschäftigt sich aber mit der Prüfungsangst als psychische Störung, um Lehrern, Pädagogen, Eltern und den betroffenen Kindern und Jugendlichen aufzuzeigen, welche Erscheinungsformen der Prüfungsangst als phobische Störung denkbar und welche Interventionsmaßnahmen anzuwenden sind. Eine eigene Empirie soll dabei verdeutlichen, welche Rolle die Prüfungsangst in der Schule spielt und in welcher hilflosen Lage sich die Schülerinnen und Schüler tatsächlich befinden.
Textprobe: Kapitel 3.2, Epidemiologie: Die Krankheitshäufigkeit von Schulphobie aller Kinder und jungen Erwachsenen liegt bei etwa vier Prozent. Die Prävalenz der Störung ist im Kindesalter recht hoch und nimmt von der Kindheit bis zum Jugendalter hin ab. Der zeitliche Beginn der Störung variiert. Die Schulphobie beginnt in der Regel ab einem frühen Durchschnittsalter von 8,7 Jahren, kann aber auch zu einem späteren Zeitpunkt einsetzen, nämlich zwischen 12,4 und 12,9 Jahren. Laut der Angaben im DSM-IV tritt die Störung in klinischen Stichproben bei Jungen und Mädchen gleich häufig auf. Bei epidemiologischen Stichproben kommt die Störung häufiger bei Mädchen vor, was durch ein Verhältnis von circa zwei zu eins der durchschnittlichen Zusammensetzung bei der Inanspruchnahme kinder- und jugendpsychiatrischer Einrichtungen begründet wird (vgl.: Weber, 2011, S. 31f.). Im Folgenden wird die Verbreitung von Prüfungsangst in einer Population angeführt, wobei die Epidemiologie die Variablen wie Häufigkeit, Geschlechterverteilung und die soziale Herkunft Betroffener umfasst. Obwohl die Prüfungsangst als häufiges Phänomen bezeichnet wird, existieren nicht viele Studien, die konkrete Angaben zur Häufigkeit von Prüfungsängsten machen. Das Grundproblem ist zum einen die fehlende einheitliche Definition, aber auch das Festlegen eines übereinstimmend akzeptierten Messinstruments mit Vergleichswerten. Außerdem erschweren geringe Rücklaufquoten die Generalisierung der Ergebnisse auf die Gesamtpopulation. Im Bereich der Häufigkeit von Prüfungsängsten bei Schülerinnen und Schülern variieren die Angaben sehr stark, das zum Teil Angaben zu den genutzten Instrumenten fehlen. Ein spezifischer Zeitbezug für die Prüfungsangst wird in den Studien nicht formuliert, sondern nach dem generellen Umgang mit Prüfungen und Prüfungsängsten gefragt. Methodische Probleme der Studien sind unter anderem, dass einige nur an kleinen Stichproben durchgeführt wurden, über die Rücklaufquote nicht berichtet wird oder diese problematisch niedrig ist und das die Studien unterschiedliche Operationalisierungen für Prüfungsängste verwenden, was eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse sehr erschwert. (Vgl.: Fehm, Fydrich, 2011, S.13) Kluge und Kornblum (1981) kommen in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass 52 Prozent aller deutschen Schülerinnen und Schüler unter einer Schulangst leiden, aber nur 32 Prozent aller europäischen, 47 Prozent aller nordamerikanischen und 28 Prozent aller orientalischen Schülerinnen und Schüler. Deutsche Schülerinnen und Schüler erreichen dabei vermutlich höhere Angstwerte als Nordamerikanische vergleichbaren Alters, da das Verhalten deutscher und amerikanischer Eltern gegenüber ihren Kindern und ihren Erziehungsstrategien stark variiert. (Vgl.: Kluge, Kornblum, 1981, S.63) Schätzungen und Vergleiche mehrerer Studien zeigen, dass circa fünf Prozent der deutschen Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I von einer Prüfungsangst betroffen sind. In den meisten Studien werden Geschlechtsunterschiede dahingehend festgestellt, dass weibliche Personen stärkere Ausprägungen einer Prüfungsangst aufweisen als männliche. Die Effektstärken für den Geschlechtsunterschied bewegen sich dabei im mittleren Bereich. Der Geschlechtsunterschied ist damit für Prüfungsängste etwas weniger stark ausgeprägt als bei anderen Ängsten. Wie auch bei der Beurteilung von Geschlechtsunterschieden hinsichtlich der Prävalenz von sonstigen Ängsten und Phobien muss bei der Interpretation der Befunde für Prüfungsängste berücksichtigt werden, dass für diese Unterschiede zwei Gründe möglich sind: Frauen erleben tatsächlich mehr Prüfungsängste oder sie berichten offener über ihre Ängste als Männer. (Vgl. Fehm, Fydrich, 2011, S.15) Zudem besteht der Verdacht, dass aufgrund der in der Erziehung wirksam werdenden Geschlechtsstereotype, den Mädchen größere Emotionalität und weniger Selbstbeherrschung zugeschrieben wird, es für Mädchen angemessener und leichter ist, sich selbst Angst einzugestehen. (Vgl.: Kluge, Kornblum, 1981, S.72) Prüfungsangst resultiert nicht aus der jeweiligen Prüfungssituation, sondern durch die Sozialisation des jeweiligen Prüflings. Die in der frühen Kindheit ausgeprägten Dispositionen sind für die spätere Ausprägung der Prüfungsangst entscheidend. Damit ist die Entstehung und Ausprägung der Störung in hohem Maße von der Sozialisations-Biographie des Kindes abhängig und diese wiederum ist vor allem durch die primäre, beziehungsweise familiäre Sozialisation strukturiert. Die Erziehungswerte und Sozialisationsstile mit denen das Kind in den ersten Lebensjahren in Berührung kommt, prägen sowohl die Leistungsmotivation und Leistungsangst als auch die unbewussten Angstfraktionen, die in der Prüfung reaktualisiert werden können. (Vgl.: Prahl, 1977, S.155f.) ‘Erziehungswerte und Sozialisationsstile variieren aber mit dem sozioökonomischen Status der Eltern. Insofern hängt die Prüfungsangst in signifikanten Umfang von der sozialen Herkunft des Prüflings ab.’ (Prahl, 1977, S. 156, Z.17ff.) Familien aus Unterschichten sind gekennzeichnet durch eine geringe Aufwärtsmobilität und daher durch einen hohen Grad von Klassenreproduktion, daher lässt sich bei ihnen eine starke Tradierung von Sozialisationspraktiken und –normen nachweisen. Umgekehrt sind Familien aus der Mittelschicht durch ihre Mobilitätsorientierung gekennzeichnet und daher durch eine stärkere Offenheit und Dynamik ihrer Sozialisationsmethoden. Die Sozialisation in Unter- und Mittelschicht ist demnach durch eine große Anzahl von Merkmalen zu unterscheiden. In der Unterschicht sind die Umweltanreize geringer, weshalb die bei der kindlichen Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten und Leistungsmotive förderlichen Anreize reduziert sind. Aufgrund der Wohnsituation, der Anzahl der Geschwister und der möglichen Berufstätigkeit der Mutter haben Kinder aus Unterschichten seltenerer Identifikationschancen und die häufigeren Trennungserlebnisse führen zu einer stärkeren Angstdisposition. Zudem unterscheidet sich das Strafmaß in den Schichten, wenn in der Unterschicht schneller und härter bestraft wird und in der Mittelschicht auch über aufsässiges Verhalten hinweg gesehen wird. Der berufliche Werdegang der Eltern hat zudem in der Unterschicht mehr Einfluss auf das Verhalten der Eltern als in der Mittelschicht, was sich in autoritären Verhalten widerspiegelt. Dieses Verhalten kann von Kindern als willkürlich betrachtet werden, was auf spätere Sanktionsverhaltensweisen in Prüfungen übertragen wird.
Lena Grun wurde 1987 in Essen geboren. Zurzeit studiert sie an der Universität Duisburg-Essen auf Lehramt für Haupt-, Real- und Gesamtschulen mit den Fächern Deutsch und Geschichte. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende Erfahrungen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychologie. Ihre Erfahrungen im Studium und durch Tätigkeiten als Teamerin in Jugendbildungsstätten und in Nachhilfeeinrichtungen motivierten sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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