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- Neue Wege zur Elternbildung: Intervention im Familienzentrum
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 68
Abb.: 9
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie Elternbildung in einem Familienzentrum adressatengerecht und anwendbar gestaltet werden kann. Die Konzeption der Nürnberger Familienzentren sieht vor, dem Schwerpunkt Elternbildung größtmögliche Beachtung zu schenken, liefert aber nur wenige bis gar keine Methoden oder Umsetzungsempfehlungen für die Mitarbeiter der Einrichtungen. Bildungsarbeit in Kindertagestätten für Erwachsene findet meistens in Form von Elternabenden oder -gesprächen in intervenierender Form statt. Das Erlernen von neuen Kompetenzen, dem die Elternbildung Rechnung tragen will, wird häufig zu wenig Beachtung geschenkt. Die Methode der kulturellen Intervention soll, auch wenn diese noch unveröffentlichte Arbeitsweise wenig bekannt ist, das Bindeglied zwischen der klassischen Elternarbeit und der geforderten Elternbildung darstellen. Anhand von Beispielen aus der Praxis und der Fachliteratur sollen mittels Kriterien das Gelingen einer solchen Vorgehensweise dargestellt werden.
Textprobe: Kapitel 4.4, Effekte in der Elternbildung: Wie wird gelernt: Atmosphäre für das Lernen gestalten – eine stimmige Dramaturgie erstellen, Vorstellungen wecken – dem Denken Spielräume verschaffen, Lernen beflügeln – für Leitmotive sorgen, Gelerntes stark anwenden – es darstellen. Wird nun die kulturelle Intervention für Elternbildungsangebote genutzt, eröffnen sich neue Möglichkeiten und Handlungsspielräume, um den Familien in verschiedenen Lebenslagen unterstützend zu helfen. Wie beschrieben müssen zu Beginn die Themen für die Aktivitäten eruiert und die Intention der Eltern abgefragt werden. Nach erfolgreicher Klärung dieser Fakten kann sich der Interventionsleiter zielgerichtet und geplant an die Umsetzung des Prozesses wagen. Dieser Verlauf sollte keinen Schulcharakter haben, sondern mit Leichtigkeit und dem nötigen Anteil an Freude. Der Mensch gewinnt seine Freiheit, also die Möglichkeit, selbstbestimmt zu handeln, im Laufe eines Lernprozesses, wobei uns die Gehirnforschung mitteilen kann, dass dieses Lernen in der Tat auch physiologisch gestützt Spaß macht: Es werden nämlich Endorphine freigesetzt. Das Gehirn hat Freude am Entdecken und Erfinden, es ist geradezu dafür gemacht. Werden die Kernaussagen nochmals betrachtet, lassen sich neben der Freude am Tun weitere Effekte für die Bildungsarbeit mit Familien beschreiben. 1. Der Prozess muss schöpferisch sein: Die Tätigkeit steht im Vordergrund. 2. Die Intervention muss durch die Teilnehmer freiwillig vollzogen werden. 3. Die Bedeutung für die Teilnehmer muss erkennbar sein. 4. Der Prozess muss aktiv, also bewusst geschehen. 5. Der Verlauf muss anschließenden reflektiert werden. 6. Die Intervention muss ein Erfahrungslernen ermöglichen. 7. Der Intervenierende muss dies planvoll und zielgerichtet vorbereiten. Durch die schöpferische Tätigkeit entsteht eine Möglichkeit, um vielen unterschiedlichen Familien eine Kommunikationsebene zu erlangen. Das gesprochen Wort steht nun nicht mehr im Vordergrund, sondern das aktive Geschehen. Emotionen, Mimik und Gestik lassen sich nahezu in alle Sprachen übersetzen und helfen, die Eltern zu aktivieren. Durch die Vielfältigkeit von kulturellen Interventionen – sei es Tanz, Kochen oder Theaterspielen – kann jeder seine Fähigkeiten und Ressourcen einbringen, um den Prozess in selbstwirksamer Form gelingen zu lassen. Selbstwirksamkeit meint die Überzeugung eines Menschen, in unterschiedlichen Lebenssituationen subjektiv Kontrolle zu erleben und sich kompetent zu fühlen. Für [ Menschen, C.H.] ist die Erfahrung von Selbstwirksamkeit von großer Bedeutung für ihre positive Selbst-Bewertung. In künstlerisch-ästhetischen Handlungszusammenhängen ist es für die Teilnehmenden möglich, die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten und-grenzen zu erkunden und zu erproben. Die Freiwilligkeit lässt Eltern die Möglichkeit, sich nach ihren Kompetenzen für ein Angebot zu entscheiden und daran teilzunehmen. Das kulturpädagogische Praxisfeld ist Teil des nicht-formalen Bildungsbereichs und damit frei von Lehrplänen und von außen gesetzten Leistungsansprüchen. Entsprechend ist schon die Entscheidung zur Teilnahme an den (außerschulischen) Angeboten grundsätzlich freiwillig. Das Prinzip der Freiwilligkeit ist ein entscheidender Motor für z.B. Motivation und Verantwortungsbereitschaft der tätigen Subjekte. Im besonderen Feld der ästhetischen Produktion und Rezeption ist Freiwilligkeit eine Grundbedingung für die Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen In-der-Welt-sein , die nur unter dieser Bedingung gelingen kann. Das Individuum muss die Intensität und die Form des gestaltenden Ausdrucks selbst bestimmen. Wird sich bewusst für ein Angebot entschieden, ist die Wahrscheinlichkeit auch sehr hoch, dass sich die Teilnehmer aktiv am Geschehen beteiligen. Auch wenn sich Familien für ein Angebot entscheiden, bei denen sie noch keine Vorkenntnisse haben, können jene durch das Mitwirken neue Kompetenzen erlangen und dies in ihr Erfahrungsportfolio mit aufnehmen. Der größte Effekt bei einem Angebot mit der Methode der Kulturellen Intervention ist die soziale Teilhabe am Leben generell. Mittendrin statt nur dabei kann ein Motto für diese Form der Partizipation sein. Das aktive Gestalten, also das Tun und die Bedeutungsebene, haben für die Eltern einen hohen Aufforderungscharakter. Damit ist gemeint, die aktuelle Lebenssituation der Familien in den Blick zu nehmen und deren Bedeutung für das Zusammenleben in ästhetisch-künstlerischen Form zu bearbeiten. Kulturpädagogische Angebote und Projekte knüpfen an der Lebenswirklichkeit der Subjekte an und bieten den Teilnehmern die Möglichkeit, einem selbstgestellten Thema, einer ihre Lebenswirklichkeit betreffende Frage ästhetisch forschend nachzugehen. Durch Perspektivenwechsel, Verfremdung und Übersetzung in ästhetische Formen gelingt die Distanz zur eigenen Lebenswirklichkeit, die Reflexion, kritische Bewertung, die Einnahme eines eigenen Standpunkts und ggf. verändertes Handeln ermöglicht. Die Aktivierung der Eltern, das Mitmachen an sich und das dabei Sein an solchen Aktivitäten fördert die Teilhabe am Leben. Bildung und soziale Teilhabe sind sehr eng miteinander verknüpft und bieten den Partizipierenden die Möglichkeit, ihren Wissenshorizont zu erweitern. Der Sozialpolitikforscher Franz Xaver Kaufmann hat bei seiner Untersuchung der sozialen Teilhabe vier Bedingungen herausgefunden, die notwendig erfüllt sein müssen, damit diese Form der Teilhabe stattfinden kann: rechtliche, geographische, finanzielle und Bildungsvoraussetzungen. Die rechtliche Perspektive bedeutet, dass keine Bevölkerungsgruppe und kein einzelner Mensch durch bestimmte Rechtsvorschriften von sozialen Teilhabemöglichkeiten ausgeschlossen werden darf. Die geographische Bedingung besagt, dass eine gewisse Erreichbarkeit an den Orten, an denen soziale Teilhabe realisiert werden soll, gegeben sein muss. Die finanzielle Dimension sagt, dass Teilhabe auch materielle Ressourcen benötigt, und sei es auch nur, dass Fahrgeld vorhanden ist, um die Teilhabemöglichkeit zu nutzen. Und jede Form von Teilhabe hat nicht zuletzt bildungsmäßige Voraussetzungen, für die aufgrund des Menschrechtscharakters der Teilhabevorschrift die Öffentliche Hand Sorge tragen muss. Auch diese vier Bedingungen haben ihre Berechtigung im Elternbildungsangebot. Durch die Familienzentren werden die ersten drei Bereiche abgedeckt und müssen nicht durch die Familien selbst initiiert oder geleistet werden. Die Bildungsvoraussetzungen als soziale Teilhabe können demnach über die kulturellen Interventionen stattfinden. Ebenfalls wichtig ist, den Prozess soweit möglich in selbstgesteuerter Form anzubieten. Im Mittelpunkt steht die Initiative der Subjekte, die ihre Lernerfahrungen selber planen, ihren Bedürfnissen entsprechend umsetzen und dabei an eigene Bedeutungskontexte anknüpfen. In der kulturpädagogischen Praxis wird selbstgesteuertes, gemeinsames Lernen in möglichst kleinen Gruppen gefordert. Jeder Einzelne bringt sich mit seinen Möglichkeiten, Kenntnissen und Ideen ein und kann dabei auf die Gruppe als Unterstützungssystem zurückgreifen. 5.1, Schlüsselkompetenz als Kriterien für Kulturelle Bildung: Im aktuellen bundesweiten und internationalen Bildungsdiskurs wird der Frage, welche Fähigkeiten die Menschen heute ausbilden müssen, um sich in einer vernetzten, zunehmend komplexer werdenden und sich immer schneller verändernden Welt zurechtzufinden, eine zentrale Bedeutung beigemessen. Es wird davon ausgegangen, dass [ Menschen, C.H.] eine Vielzahl von Fertigkeiten situations- und kontextangemessen anzuwenden und miteinander zu kombinieren, um mit den sich ständig verändernden Lebensumständen und den vielfältigen Anforderungen, die die Gesellschaft an sie stellt, umgehen zu können. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, werden Schlüsselkompetenzen in der kulturellen Bildung benötigt, die sich unter systemischer Betrachtung wie folgt darstellen lassen: 1. Selbstkompetenz, wie beispielsweise Selbststeuerung, Belastbarkeit, Eigeninitiative, Entscheidungsfähigkeit und Flexibilität. 2. Sozialkompetenz, wie beispielhaft Einfühlungsvermögen, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Kritikfähigkeit. 3. Methodenkompetenz, wie Lernfähig-, Organisations-, Problemlösungs- und Reflexionsfähigkeit sowie Medienkompetenz. Ausgehend von dieser grundlegenden Definition werden einige zentrale Bedeutungsdimensionen von Schlüsselkompetenzen als Kriterien für kulturelle Bildungsarbeit dargestellt. Die Selbst-, Sozial und Methodenkompetenz sind sehr komplexe Themengebiete, die sich nicht durch einfache oder vorgegebene Fertigkeiten erlernen lassen. Um die Selbstkompetenzen zu erlangen, müssen die einzelnen aufgeführten Beispiele selbst erlebt worden sein. Bin ich wirklich belastbar und zeige ich Eigeninitiative oder lasse ich die andere Person dies für mich tun? Um dies herauszufinden, ist daher ein selbstgesteuerter Lernprozess effektiv. Was eine Person selbst erlebt und erfahren hat, kann intensiver nachvollzogen werden und haftet besser im Gedächtnis. Dieser Lernprozess wird ebenfalls am leichtesten selbstwirksam, wenn die Stärken und die Interessen der Person eingebunden werden. Je mehr Identifikation mit der jeweiligen Situation und den Methoden besteht, desto höher ist die Erfolgsquote, dass dieses neu erworbene Wissen behalten und verwendet wird. Dieser Interessenbezug kann am ehesten über kulturelle Methoden erreicht werden: Musik, Tanz, Kunst, Medien oder Bewegung sind kulturelle Sparten, die fast alle Menschen begeistern. Interesse und/oder Identifikation ist dadurch sehr wahrscheinlich gegeben.
Christian Höllfritsch, geboren 1981 in Nürnberg, arbeitete seit 2004 als Erzieher und ein Jahr später als Leitung der Champini Sport-Kindertagestätte. Seit 2011 führt er das Familienzentrum Neulichtenhof, dessen Schwerpunkt auf der intensiven Bildungsarbeit mit Familien unterschiedlicher Kulturen liegt. Im dualen Studium an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule zum staatlich anerkannten Sozialpädagogen konnte er praktische Problemstellungen der Elternbildung theoretisch aufgreifen und neu formulieren.
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