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- Magersucht (Anorexia nervosa) infolge von Vaterentbehrung
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 68
Abb.: 11
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Bedingt durch sich verändernde Lebens- und Arbeitswelten sowie der Pluralisierung der Lebensformen in unserer Gesellschaft geraten traditionelle Werte und Normen immer mehr in den Hintergrund. Partnerschaften bedingen nicht mehr zwangsläufig Eheschließungen und diese wiederum nicht immer Elternschaft. Vielmehr ist ein Trend dahingehend zu verzeichnen, dass immer mehr Beziehungen gelöst und Ehen geschieden werden bzw. eine Eheschließung gänzlich vermieden wird. Dennoch gehen aus den gescheiterten Beziehungen recht häufig Kinder hervor, die bedingt durch die Trennung ihrer Eltern von nun an bei einem einzigen Elternteil, vor allem bei den Müttern, aufwachsen (müssen). Die gewandelten Vorstellungen von Familie allgemein sowie Mutter- und insbesondere Vaterschaft und die damit verbundenen hohen Scheidungs- und Trennungsraten haben eine steigende Anzahl meist vaterlos aufgewachsener Kindergenerationen mit sich gebracht. Diese Vaterlosigkeit wird von den Kindern nicht selten traumatisch erlebt, umso früher sie dieser ausgesetzt worden sind, und hat dementsprechend Konsequenzen. Die Folgen der Vaterentbehrung sind oftmals psychosomatischer Natur und so ist es nicht verwunderlich, wenn die Anzahl der an Essstörungen erkrankten Kinder und Jugendlichen zunimmt. In dieser Arbeit soll der Zusammenhang zwischen der Vaterentbehrung und der Genese der Magersuchterkrankung dargestellt werden. Allerdings muss erwähnt werden, dass diese spezifische Thematik bisher recht wenig erforscht und der Zusammenhang zwischen der Vaterlosigkeit eines Kindes in den frühen Entwicklungsjahren und der Ausprägung der Magersucht als Resultat dieses Verlustes empirisch kaum belegt ist. Um sich diesem Thema anzunähern, beabsichtige wird der historische und gesellschaftliche Wandlungsprozess des Vaterbildes aufgezeigt und es werden die Erkenntnisse im Laufe der Vaterforschung dargestellt. Schließlich wird die Bedeutung des Vaters für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes herausgearbeitet. Erst auf dieser Grundlage ist es möglich, das Phänomen der Vaterabwesenheit, welches tatsächlich existiert, zu beschreiben und dessen Folgen zu charakterisieren. Da auch die Magersucht (Anorexia nervosa) aus den traumatischen frühkindlichen Erlebnissen resultieren kann, werden diese und ihre Historie, weitere Ursachen und Ausprägungen im weiteren Verlauf der Arbeit beschrieben. Abschließend werden insbesondere Heilungschancen dieser schwerwiegenden Erkrankung, die tödlich enden kann, sowie präventive Maßnahmen, um einer solchen Störung erst entgegenzuwirken, aufgeführt.
Textprobe: Kapitel 3., Vaterabwesenheit - Väter rücken zunehmend ins Zentrum des Forschungsinteresses: Im vorhergehenden Kapitel dürfte die historisch gewachsene eminente Bedeutung des Vaters für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes deutlich geworden sein. Doch welche Folgen sind zu erwarten, wenn ein Kind ohne Vater aufwachsen muss? In diesem Kapitel soll dem Einfluss eines abwesenden Vaters nachgegangen und die möglichen Konsequenzen erörtert werden. Die Auswirkungen und Unterschiede zwischen anwesenden und abwesenden Müttern auf die kindliche Entwicklung wurden schon frühzeitig durch die ‘Hospitalismusforschung’ und deren Pionieren wie René Spitz, Anna Freud, Dorothy Burlingham sowie John Bowlby belegt (vgl. Petri 2006, S. 26). Während Väter zu Beginn der Vaterforschung - wenn ihnen denn Beachtung geschenkt wurde - noch als defizitär betrachtet worden sind, so rücken sie nun verstärkt ins Zentrum des Forschungsinteresses. Auffällig dabei ist, dass zunehmend der abwesende Vater und daraus resultierende Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes, das Familiensystem und die Gesellschaft thematisiert werden. In der gegenwärtigen Fachliteratur sind die Termini ‘Vaterlosigkeit’, ‘Vaterdeprivation’ oder ‘Vaterabwesenheit’ immer häufiger vertreten. Unter dem Begriff der Vaterlosigkeit ist ganz allgemein ‘die Erziehung eines Kindes nur durch die Mutter’ (o.V. 2008d) zu verstehen, während die Vaterdeprivation einen Verlust oder Entbehrung dessen darstellt (vgl. o.V. 2008a). Der deutsche Psychoanalytiker Horst Petri beschreibt diese Begriffe detaillierter: ‘Vaterlosigkeit soll hier als ein Zustand definiert werden, in dem das Kind über keinerlei bewußte [!] Erfahrungen mit einem leiblichen Vater verfügt.’ (Petri 2006, S. 56) ‘Bei der Vaterabwesenheit handelt es sich um eine unbestimmte Form der Vaterentbehrung, die durch ihre zahlreichen Muster eine einheitliche Definition erschwert ... [und, A.H.] für alle Zustände von Vaterentbehrung steht und von der Vaterlosigkeit über den Vaterverlust bis zur ‚berufsbedingten Abwesenheit des Vaters während des Mittagessens’ reicht’ (Petri 2006, S. 71f.). Die Entbehrung der Väter ist jedoch kein neues Phänomen, sondern schon die Kinder der Kriegs- und Nachkriegszeit wuchsen ohne einen Vater auf (vgl. Franz 2004, S. 22). Aus diesem Grund wurde in den 1950er Jahren auf die Folgen der kriegsbedingten Abwesenheit des Vaters, insbesondere der mangelnden Autorität, hingewiesen (vgl. Le Camus 2006, S.31f.). Der Schweizer Psychotherapeut Peter Landolf setzt sich bereits 1968 empirisch mit den Konsequenzen der Vaterlosigkeit auseinander und macht die Differenz zwischen einem vaterverwaisten und volleltrigen Kind deutlich (vgl. Walter, H. 2002, S. 19). Er führt die Vaterlosigkeit, welche er einerseits als einen realen Verlust, andererseits allgemein als ein Charakteristikum der Gesellschaft definiert (vgl. Landolf 1968, S. 9f.), auf drei Ursachen zurück: ‘der Zerfall des Autoritätsbegriffs seit dem Mittelalter’, ‘die Folge der beiden Weltkriege’ sowie ‘die moderne Arbeits- und Lebensweise’ (Landolf 1968, S. 9). Die Vaterabwesenheit ist demzufolge ein gesamtgesellschaftliches Problem und ein Prozess, den das Kind in seiner Persönlichkeitsentwicklung durchläuft, aber: ‘eine vaterlose Gesellschaft hat es, selbst unter den Bedingungen eines Matriarchats, zu keiner Zeit gegeben und wird es nicht geben, solange menschliche Gemeinschaften existieren’ (Petri 2006, S. 16). Jeder Mensch hat, insbesondere biologisch betrachtet, einen Vater und konstruiert innerlich ein Vaterbild, selbst wenn er diesen nie kennen gelernt hat (vgl. Schon 2006, S. 24). Die Ursachen der Vaterabwesenheit sind vielfältig: Tod bedingt durch Erkrankungen, Unfälle, Kriege oder Suizid Haftstrafen des Vaters sowie berufliche Gründe. Allerdings stellen zeitweise oder dauerhafte Trennungen und Scheidungen der Eltern heutzutage den Hauptgrund der Vaterabwesenheit dar und haben damit den Tod durch Kriegsereignisse als Auslöser abgelöst (vgl. Erhard/Janig 2003, S. 8 vgl. Petri 2006, S. 25). Auch im Hinblick auf die steigende Zahl gerichtlicher Ehelösungen wächst das Interesse an der Erforschung der - aus der Vaterabwesenheit resultierenden - Folgen. Immerhin stellt mittlerweile fast jede fünfte Familie eine so genannte Einelternfamilie dar und somit wachsen in etwa drei Millionen Kinder bei nur einem Elternteil auf, wobei der Anteil der Mütter bei ca. 90% liegt. Die Anzahl der Ehescheidungen und die der, in Einelternfamilien aufwachsenden Kinder nimmt stetig zu – mit weiterhin steigender Tendenz (vgl. Franz 2004, S. 23 vgl. VAMV 2007, S. 11). Demnach ist heute davon auszugehen: ‘Beziehung mündet nicht immer in Ehe, Partnerschaft und Ehe nicht immer in Elternschaft, und Elternschaft sichert weder Ehe noch Partnerschaft’ (Walter, W. 2002, S. 107). Die genauen Folgen der Vaterabwesenheit sind in Deutschland kaum empirisch erfasst, so dass diese in der Literatur bisher auch nur schemenhaft skizziert worden sind. Die Mannheimer Kohortenstudie zur Epidemiologie psychogener Erkrankungen hat im Langzeitverlauf an der Mannheimer Bevölkerung psychische und psychosomatische Erkrankungen untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass die Kriegs- und Nachkriegskindergenerationen, welche in den ersten Lebensjahren durch einen Vatermangel geprägt waren, auch Jahre später deutlich anfälliger für das Auftreten psychischer Störungen sind (vgl. Franz et al. 1999, S. 261 vgl. Franz 2004, S. 22f.). Die Studie und deren Ergebnisse werden nun dargestellt.
Antje Heubel, M.A., wurde 1981 in Halle (Saale) geboren. Ihr Studium der Sozialpsychologie und Pädagogik an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover schloss die Autorin im Jahr 2008 mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfolgreich ab.
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