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- Lernen ist Gehirnsache: Was bewirkt Lernen auf neurobiologischer Ebene?
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 56
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das, was uns in so besonderem Maße für das Lernen auszeichnet, ist die hohe Anpassungsbereitschaft unseres Gehirns. Doch was genau spielt sich beim Lernen in unserem Gehirn ab? Wie kann man Lernprozesse auf der Ebene unserer Gehirnzellen erklären? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich das vorliegende Buch, hauptsächlich im Bereich der Neurobiologie. Um zunächst einen Einblick in die Funktionsweise und Struktur des menschlichen Gehirns zu bekommen, werden in einem ersten Schritt anatomische und physiologische Grundlagen zusammengefasst dargestellt. Darauf aufbauend wird sich mit der Frage beschäftigt, was Lernen auf neurobiologischer Ebene bedeutet. Wie werden Informationen in unserem Gehirn gespeichert? Im weiteren Verlauf geht die Autorin auf die Hirnstrukturen ein, welche für das Lernen von besonderer Bedeutung sind. Daran werden anschließend Faktoren erläutert, die den Lernprozess negativ oder positiv beeinflussen können. Jeder kennt diese eigenartigen Momente, in denen man um des Lernprozesses Willens eigentlich jemandem zuhören oder sich auf einen Text konzentrieren sollte, dies aber einfach nicht gelingt. Warum man in solche Situationen gerät, wird ebenfalls erläutert. Nachdem aus den gewonnenen Erkenntnissen didaktische Rückschlüsse gezogen wurden, erfolgt ein erstes Zwischenfazit. Daran anschließend werden noch einige sehr banale Form des Lernens hervorgehoben: Der Prozess des Lernens ist in starkem Maße von der Interaktion eines Individuums mit anderen Menschen abhängig. Um diesem Aspekt einen gebührenden Platz einzuräumen, wird die Form des Lernens durch Nachahmung dargestellt, welche ohne die Auseinandersetzung mit anderen Menschen, ohne das Vorhandensein von Bezugspersonen oder Vorbildern nicht machbar wäre.
Textprobe: Kapitel 3.1, Definition: Lernen zu definieren ist keine leichte Aufgabe, da es je nach Fachdisziplin verschiedene Sichtweisen auf den Lernprozess gibt. In der Lernpsychologie wird Lernen laut Wikipedia (2011a) als 'ein Prozess der relativ stabilen Veränderung des Verhaltens, Denkens oder Fühlens aufgrund von Erfahrung oder neu gewonnenen Einsichten und des Verständnisses (…) aufgefasst.' Eine solche Verhaltensänderung kann in Form des schulischen Lernens stattfinden, aber auch als automatisches Nebenprodukt unserer Lebenserfahrungen entstehen. Münch (2008) stellt passend hierzu eine Differenzierung Schuhmachers dar, welcher in die Kategorien privilegiertes und nicht-privilegiertes Lernen unterscheidet. Ersteres bezeichnet Lernprozesse, die durch bestimmte Erfahrungen und Umweltbedingungen ausgelöst werden und biologische Entwicklungsschritte mit sich ziehen (beispielsweise sprechen und laufen lernen). Nicht-privilegiertes Lernen hingegen umschreibt Umstände, deren ausgelöste Lernprozesse auf keinem biologischen Rhythmus beruhen, wie es typischerweise Lernsituationen in der Schule an sich haben. Diese Art von Lernen wäre in gewissen Maßen vermeidbar, während Lernen als lebensbegleitende Funktion nicht von uns umgangen werden kann. Beide Formen des Lernens basieren auf drei Faktoren: einem anregenden Umfeld, individuellen Erfahrungen und häufige Anwendung (Münch, 2008). Lernen hat für uns viel mit Gedächtnis zu tun. Wenn wir es schaffen, eine Information langfristig zu behalten, so bezeichnen wir diese als gelernt. Dabei ist Lernen nicht nur das Einspeichern neuer Informationen im Gehirn, sondern auch das Verknüpfen von Inhalten untereinander (Madeja, 2010). So speichern wir beispielsweise nicht nur ab, dass Milch ein Getränk ist, aus dem man Kakao mischen kann, sondern wir verknüpfen diese Tatsache mit dem Wissen, dass Milch von Kühen gegeben wird. Je nach Erfahrungshorizont kann also einer einfachen Information eine lange und komplexe Wissenskette folgen. Diese Fähigkeit ist enorm wichtig, denn nur hierdurch schaffen wir es, Zusammenhänge in unserer Welt zu erkennen und so ihre Komplexität annähernd zu begreifen. Was genau Lernen auf neurobiologischer Ebene bedeutet, möchte ich hier nicht vorwegnehmen, da diese Fragestellung sich im weiteren Verlauf dieses Kapitels klären wird. 3.2, Neuronale Repräsentationen: Wenn wir die Augen schließen und ein inneres Bild entstehen lassen, einen Gegenstand oder Raum, ein Gesicht, eine Situation, …, dann können wir feststellen, dass unsere Welt und unser Körper in unserem Gehirn abgebildet sind. In der Neurowissenschaft wird diese Abbildung als neuronale Repräsentation bezeichnet. Mit dem Ausdruck Repräsentation ist in diesem Zusammenhang laut Spitzer (2002) ein inneres Abbild bestimmter äußerer, durch Reize vermittelter Charakteristika und Strukturen der Umwelt gemeint. Sämtliche Eindrücke und Erfahrungen hinterlassen in uns neuronale Repräsentationen, beziehungsweise ändern schon bestehende Repräsentationen- genau dies bezeichnet man als Lernen. Auf neuronaler Ebene bedeutet eine Repräsentation, dass ein bestimmtes Neuron immer genau dann feuert, wenn ein ihm zugewiesener Input erfolgt. Vereinfacht ausgedrückt: jedes Neuron repräsentiert etwas. Dieser Vorgang wird durch das System unterschiedlicher Synapsenstärken ermöglicht. Jeder Input aus der Umgebung eines Organismus muss verarbeitet werden, um mit einem Output reagieren zu können. Neuronen arbeiten hierfür in neuronalen Netzwerken mit unterschiedlich starken Synapsen. Nehmen wir zur genaueren Erklärung ein ganz simples neuronales Netzwerk als Beispiel: Ein bestimmter Input führt zur Aktivierung bestimmter 'Inputneuronen', welche den aufgenommenen Reiz über Synapsen an 'Outputneuronen' übertragen. In unserem vereinfachten neuronalen Netzwerk ist jedes 'Inputneuron' mit jedem 'Outputneuron' über Axone verbunden. Der Unterschied zwischen den Verbindungen besteht in der Stärke der Synapse. Da ein Aktionspotenzial erst ab einem bestimmten Schwellenwert ausgelöst wird ('Alles-oder-Nichts-Prinzip') führt eine einzelne schwache Synapse in unserem Beispielnerzwerk nicht zu einer Reizweiterleitung. Durch einen Inputreiz werden aber nicht nur ein einzelnes 'Inputneuron', sondern mehrere aktiviert, wodurch ein spezielles Aktivierungsmuster entsteht, welches dazu führt, dass an einem 'Outputneuron' mehrere Signale eintreffen. Je nach Stärke der einzelnen Synapsen, über die der Reiz eintrifft, kann dieser eine Depolarisierung im präsynaptischen Neuron hervorrufen. Die Stärke der Synapsen kann, wie im Kapitel 'Die Plastizität des Gehirns oder: Lernen auf zellulärer Ebene' dargestellt, durch Lernvorgänge verändert werden. Eine Repräsentation bedeutet also, dass durch ein bestimmtes Inputmuster über das System unterschiedlich starker Synapsen genau ein Neuron aktiv wird. Das aktive Neuron repräsentiert dementsprechend den eintreffenden Reiz. Das oben dargestellte Schema des 'Input-Output-Mechanismus' ist stark vereinfacht. Würde in unserem menschlichen Gehirn tatsächlich jede Repräsentation unserer Umwelt in nur einem Neuron gespeichert werden, wäre unser Gehirn stark für Störungen anfällig. Das Absterben eines Neurons würde bedeuten, dass die komplette in ihm gespeicherte Repräsentation verloren wäre. Dies ist glücklicherweise nicht der Fall, da unser Gehirn in neuronalen Netzwerken mithilfe von Neuronenpopulationen arbeitet. Jedes Neuron wird zwar, wie beschrieben, nur bei einem bestimmten Input aktiv, der Umkehrschluss jedoch gilt nicht. Vielmehr feuern bei einem Input eine ganze Reihe Neuronen, wenn auch unterschiedlich stark. Zur genaueren Verdeutlichung möchte ich ein Experiment von Wilson und McNaughton, 1993, kurz darstellen (Spitzer, 2002): Die beiden US-amerikanischen Wissenschaftler untersuchten, wie schnell Ortsinformationen von einem Organismus erworben werden können. Hierfür ließen sie Ratten einen Käfig genau erkunden, während gleichzeitig die Neuronenaktivität speziell im Hippocampus abgeleitet wurde. Anhand des Aktivitätsmusters der Neuronen zeigte sich, dass so genannte Ortszellen spezifischen Bereichen des Käfigs zugeordnet sind, dass also ein bestimmtes Ortsneuron an einer bestimmten Position im Käfig besonders stark aktiv wird. Dieses Phänomen können wir durch den schon erklärten Mechanismus der neuronalen Repräsentation begründen. Ein weiteres Ergebnis von Wilson und McNaughton war jedoch, dass unser Beispiel-Ortsneuron nicht nur dann aktiv wird, wenn sich das Tier an der dem Neuron zugewiesenen Stellen befindet, sondern auch, wenn es sich in der Nähe der Stelle aufhält. Die Lokalisation des Tieres im Raum wird also nicht durch ein einzelnes Neuron kodiert, sondern durch das Aktivitätsmuster vieler Neuronen. Die Wissenschaftler führten das Experiment so weit, dass sie aufgrund des Wissens, in welchem Neuron welcher Punkt des Käfigs repräsentiert ist, die Position ihrer Versuchstiere im Käfig allein anhand der Neuronenaktivität im Hippocampus nachvollziehen konnten. Die Aktivität einer einzelnen Ortszelle ergab hierbei nur ungenaue Angaben. Durch das variable Zusammenspiel aller Ortszellen wurde aber eine räumliche Orientierung möglich. Je komplexer neuronale Repräsentationen sind, desto mehr Neuronenpopulationen sind beteiligt. Als Veranschaulichung nennt Spitzer (2002) eine Situation, in der ein Feuerwehrauto an einer Person vorbei fährt. Direkt werden die Repräsentationen, die die Person aufgrund individueller Erfahrungen gespeichert hat, aktiv. So feuern Neuronen für Bewegungen, Farben und Geräusche- aber auch Nervenzellen höherer Verarbeitungszentren, in denen zum Beispiel Gefahr, Neugier, Feuer,… repräsentiert sind, können aktiv werden. 3.3, Die Plastizität des Gehirns oder: Lernen auf zellulärer Ebene: Eine grundlegende Annahme war lange Zeit, dass das Gehirn sich nach der Geburt kaum mehr verändert. Immerhin bleibt die Zahl der Neuronen Untersuchungen zur Folge unverändert. Dennoch ist das Gehirn eines ausgewachsenen Menschen fast doppelt so groß, wie das eines Neugeborenen. Wachstum ist also erkennbar. Wie hieraus schon ableitbar, ist das Gehirn also alles andere als statisch. Im Gegenteil. Das menschliche Gehirn ist in höchstem Maße flexibel, es passt sich den äußeren und inneren Bedingungen und Gegebenheiten ständig an- oder anders ausgedrückt: es lernt. Für uns ist diese Aussage nicht neu, da wir schon im vorherigen Kapitel erfahren konnten, dass sich neuronale Repräsentationen neu bilden oder verändern können. Wir nennen diese Fähigkeit 'Plastizität' (Spitzer, 2002). Der Begriff der 'Plastizität' stammt von dem griechischem Wort 'plastikos' ab, was so viel bedeutet wie 'formend' (Scholz und Klein, 2010). Je nach individueller Erfahrung formt sich also unser Gehirn um, wandelt sich, passt sich an. Die individuelle Lebenserfahrung eines Menschen macht sein Gehirn durch die diesem eigene Plastizität zu etwas einzigartigem. Die in der Neurobiologie als Neuroplastizität bezeichnete Anpassung des Gehirns, beziehungsweise des zentralen Nervensystems an individuelle Erfahrungen, kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Diese sind im Folgenden näher beschrieben.
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