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- Lebenslanges Lernen als bildungspolitisches Leitprogramm auf internationaler und europäischer Ebene
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 60
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In den letzten Jahrzehnten hat sich Lebenslanges Lernen nicht nur zu der bedeutendsten pädagogischen Leitidee in Europa entwickelt, sondern ist gleichzeitig zum Oberbegriff der bildungspolitischen Reformbemühungen der Europäischen Union (EU) geworden. Entsprechend der Lissabon-Strategie des Europäischen Rates (2000), welche das Ziel verfolgt, die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, ist Lebenslanges Lernen in den bildungspolitischen Dokumenten der EU mittlerweile als zentrale Leitidee fest verankert und damit wesentlicher Bestandteil der europäischen Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Das vorliegende Buch informiert nicht nur über das EU-Konzept des Lebenslangen Lernens, sondern betrachtet neben weiteren internationalen programmatischen Ansätzen von OECD und UNESCO außerdem die Umsetzung Lebenslangen Lernens im EU-Mitgliedstaat Deutschland. So sollen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene die Veränderungen von Zielsetzungen und Begründungen der Konzepte Lebenslangen Lernens von den 1970er Jahren bis zur Gegenwart verständlich gemacht werden. Schließlich erfolgt nach der Herausstellung von Chancen und Risiken eine kritische Würdigung des bildungspolitischen Konzepts und der Entwicklung bzw. Etablierung Lebenslangen Lernens innerhalb Europas.
Textprobe: Kapitel 2., Die Entwicklung des bildungspolitischen Konzepts des Lebenslangen Lernens auf internationaler Ebene: 2.1, Erste programmatische Ansätze von Europarat, OECD und UNESCO in den 1970er Jahren: Aus einer funktionalen Perspektive, welche Lebenslanges Lernen als Antwort auf eine bestimmte gesellschaftliche Situation deutet und der Bildungspolitik die Aufgabe zuweist, in diesem Kontext Probleme und mögliche Lösungsvorschläge aufzuzeigen, lässt sich die Hinwendung zum Lebenslangen Lernen zunächst mit der ‘Diagnose’ einer Weltbildungskrise (vgl. Hof 2009, S. 33 vgl. Coombs 1969) – in Bezug auf Deutschland rief Picht gar die ‘Bildungskatastrophe’ aus (vgl. Picht 1964) – begründen. Daraus resultierte die seit den 1970er Jahren unter dem Stichwort ‘Lebenslanges Lernen’ diskutierte Forderung, ein ‘veraltetes, starr strukturiertes, an althergebrachten Zielen festhaltendes, institutionenfixiertes Bildungssystem, das ein inflexibles Wissen produziert, welches den komplexen Anforderungen einer dynamischen Lebenswelt nicht angepasst ist’ (Gerlach 2000, S. 160f.), durch eine Verzahnung der einzelnen Bildungsbereiche und der damit verbundenen pädagogischen Institutionen und Prozesse zu erneuern (vgl. Hof 2009, S. 33). Bereits im Jahr 1962 wurde im Rahmen der dritten Konferenz der europäischen Bildungsminister erstmalig auf den Begriff ‘Lebenslanges Lernen’ hingewiesen (vgl. Lombeck 2011, S. 40). Nach einer konzeptionellen Phase im Europarat zwischen 1967 und 1971 entstand ein Kompendium aus 15 Studien, eine Synopse und eine Veröffentlichung: ‘Permanent Education. Fundamentals for an Integrated Educational Policy’ (vgl. ebd. vgl. Europarat/Rat für kulturelle Zusammenarbeit 1971). Das im Titel genannte Konzept ‘Permanent Education’ basiert auf dem Ziel der Entfaltung von verantwortungsvollen und zur Realisierung eines ‘guten Lebens’ (ebd., S. 29) fähigen Menschen und setzt voraus, dass mit einer Veränderung des Bildungssystems, welches sich für alle Lernzeiten im Lebenslauf durch eine hohe Flexibilität und dementsprechend freie Zeiteinteilung sowie größtmögliche Wahlfreiheit kennzeichnen solle, hinsichtlich Verantwortungsbewusstsein, Kreativität, Kritikfähigkeit etc. auch eine Veränderung der Menschen herbeigeführt werden kann (vgl. ebd. vgl. Kraus 2001, S. 59ff.). Die Publikation macht jedoch deutlich, dass die formulierten Grundzüge für einen Entwurf der ‘Permanent Education’ keineswegs allgemeingültige, umsetzbare Instruktionen, sondern vielmehr auf Beobachtungen beruhende Prinzipien und Vorschläge darstellen (vgl. ebd., S. 60 vgl. Europarat/Rat für kulturelle Zusammenarbeit 1971, S. 2). Der im Auftrag der UNESCO entstandene Faure-Bericht ‘Wie wir leben lernen’ (1973) betont einerseits die Notwendigkeit des Lebenslangen Lernens als Antwort auf den wissenschaftlichen und technologischen Wandel, andererseits wird eine Bildungsreform auch vor dem Hintergrund der verstärkten Bildungsungleichheit zwischen den Staaten und Bevölkerungsgruppen gefordert (vgl. Faure 1973 vgl. Hof 2009, S. 34). Um die Basis für die Etablierung einer Lerngesellschaft zu schaffen, sei es nach dem Report notwendig, dass alle Teile der Gesellschaft – und zwar nicht nur Pädagoginnen und Pädagogen – mit all ihren zur Verfügung stehenden Mitteln bei der Ermöglichung von lebenslangen Lernprozessen mitwirken (vgl. Faure 1973, S. 43). Während die UNESCO als Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, bei der die demokratische Entwicklung der internationalen Gemeinschaft im Vordergrund steht (vgl. Hof 2009, S. 34 vgl. Kraus 2001, S. 109f.), und der Europarat, den Link als ‘das demokratische Gewissen Europas’ (Link 1997, S. 202) bezeichnet und der demzufolge ‘in wenigen Worten zusammengefasst’ (Kraus 2001, S. 109) auf ‘Demokratie, Chancengleichheit und Ganzheitlichkeit’ (ebd.) abzielt, ein integrierendes Konzept verfolgten (vgl. Dewe/Weber 2007, S. 64), ‘dass lebenslange Erziehung als einen Prozess versteht, persönliche, soziale und berufliche Entwicklung in der Lebensspanne zu vollenden, um die Lebensqualität von Individuen und ihrer Gesellschaft zu verbessern’ (Dietsche/Meyer 2004, S. 6), fokussiert der im Jahr 1973 von der OECD veröffentlichte Bericht ‘Recurrent Education: A Strategy for Lifelong Learning’ die wirtschaftliche Perspektive (vgl. Lombeck 2011, S. 41 vgl. Hof 2009, S. 34) und stellt Schule bzw. formalisierte Lernkontexte in den Mittelpunkt (vgl. Dewe/Weber 2007, S. 64). Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass die OECD als Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vordergründig ein hohes Wirtschaftswachstum, einen hohen Beschäftigungsstand und finanzielle Stabilität in ihren ca. 30 Mitgliedsländern anstrebt, nicht verwunderlich (vgl. Kraus 2001, S. 110). So behandelt der OECD-Bericht (1973) vordergründig das Thema der allgemeinen Weiterbildung nach der schulischen und beruflichen Erstausbildung (vgl. Lombeck 2011, S. 41). Die Intention des Konzepts der ‘Recurrent Education’ ist, dass die Lernenden in der Folge ihrer Erstausbildung ‘in gewissen zeitlichen Abständen zu Veranstaltungen organisierten Lernens zurückkehren’ (Jourdan 1978, S. 9), wobei die Individuen für die Teilnahme an Lernangeboten selbst verantwortlich sind (vgl. Hof 2009, S. 36). Dies bedeutet in der Konsequenz, dass das Gelingen des Lebenslangen Lernens hier davon abhängt, ob und inwiefern die Lernenden ihrer individuellen Selbstverantwortung gerecht werden (vgl. ebd. vgl. OECD 1973, S. 34). Trotz dieser o.g. internationalen Programmschriften und einiger Praxisprogramme, die ‘weder von der Erziehungswissenschaft noch von der nationalen Politik in größerem Maße aufgegriffen (wurden)’ (Hof 2009, S. 37), nimmt die öffentliche Diskussion um das Lebenslange Lernen Ende der 1970er Jahre zunehmend ab, was auch darin begründet liegt, dass die wirtschaftliche Krise dieser Zeit den mit Lebenslangem Lernen verbundenen Optimismus schmälerte (vgl. ebd.) und die öffentlichen Mittel zur Finanzierung von Studien zum Lebenslangen Lernen folglich in der Mitte der 70er Jahre eingestellt wurden. 2.2, 1990er Jahre: Die Renaissance Lebenslangen Lernens in der europäischen und internationalen Bildungspolitik – Erneute Vorschläge von OECD und UNESCO: Diese wurden erst zu Beginn der 1990er Jahre vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit und mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit unter neuen Gesichtspunkten fortgesetzt (vgl. Lombeck 2011, S. 41). Mitte der 1990er Jahre griff schließlich die Europäische Kommission das Konzept auf und setzte Lebenslanges Lernen in Bezug zur Situation der EU (vgl. Field 2006, S. 16), woraufhin das Europäische Parlament im Oktober 1995 das ‘Europäische Jahr des lebensbegleitenden Lernens’ (1996) ausrief (vgl. Hof 2009, S. 37). Die Mitgliedstaaten wurden ‘insbesondere durch die Europäische Kommission angehalten, das Konzept des Lebenslangen Lernens in die nationale Diskussion einzubringen und politische Umsetzungsinstrumente zu entwickeln’ (ebd., S. 38). Im Zuge dessen wurde der Diskurs zum Lebenslangen Lernen derart angeregt, dass Schemmann gar von einer zweiten Boomphase spricht (vgl. Schemmann 2002, S. 133). Dies lässt sich aber nicht nur durch die bildungspolitische Zielsetzung der EU (vgl. hierzu Kap. 3) belegen, sondern zeigt sich ferner darin, dass sowohl OECD als auch UNESCO, ‘die bereits in den 1970er Jahren den internationalen bildungspolitischen Diskurs bestimmt haben’ (Rothe 2011, S. 216), neue programmatische Dokumente zur Frage der zukünftigen Bildungskonzepte und -strukturen publizierten (vgl. Hof 2009, S. 38 40). Der im Jahr 1996 veröffentlichte OECD-Bericht ‘Lifelong Learning for All’ definiert Lebenslanges Lernen als ‘continuation of conscious learning throughout the lifespan’ (OECD 1996, S. 89) und begründet die Forderung danach im Vergleich zu vorherigen Argumentationen nicht mehr vorwiegend ökonomisch, sondern vielmehr auch sozialpolitisch, indem Lebenslanges Lernen als notwendige Absicherung gegen gesellschaftliche Ausgrenzung und Mittel sozialer Integration thematisiert wird (vgl. Hof 2009, S. 39). Entsprechend dem OECD-Bericht von 1973 wird aber erneut die individuelle Selbstverantwortung für die Lern- und Bildungsaktivitäten herausgestellt (vgl. ebd.). In diesem Kontext legt der Bericht nahe, ‘Lifelong Learning’ als ‘attitude’ (OECD 1996, S. 90) zu begreifen, zumal es für die Weiterentwicklung des Gemeinwesens in ökonomischer, politischer und sozialer Hinsicht von großer Bedeutung sei (vgl. Hof 2009, S. 39). Diente das bereits dargelegte Konzept der ‘Recurrent Education’ (vgl. Kap. 2.1) dazu, ein neues Bildungsmodell aufzubauen, so ist ‘Lifelong Learning for All’ (OECD 1996) nun selbst das Modell und im Idealfall eine Lebenseinstellung (vgl. Gerlach 2000, S. 107). Der Paradigmenwechsel ist dadurch erkennbar, dass der Lernprozess allgegenwärtig wird, indem er direkt in die Arbeit einfließt und mit dieser verschmelzt (vgl. Dewe/Weber 2007, S. 67) – ‘(…) learning while working and working while learning’ (OECD 1996, S. 100). Um der sozial ungleichen Verteilung der Partizipationsmöglichkeiten an lebenslangen Lernprozessen entgegenzuwirken, gelte es jedoch, durch die Unterstützung staatlicher und wirtschaftlicher Organisationen ‘die sozioökonomischen, institutionellen und individuelldispositionalen Barrieren zum Lebenslangen Lernen abzubauen’ (Hof 2009, S. 40 vgl. OECD 1996, S. 92ff.). Auch der ebenfalls im Jahr 1996 von der UNESCO unter Federführung von Jacques Delors veröffentlichte Bericht ‘Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum’ beschreibt Bildung als ‘eines der wichtigsten Mittel, um die Entwicklung der Menschheit besser und in größerem Einklang zu fördern’ (Delors 1997, S. 11) und ‘aus den Menschen mündige Bürger zu machen, die zugleich auch Weltbürger sind’ (Dewe/Weber 2007, S. 66). An dieser Stelle wird der globale Anspruch dieses Berichts bereits deutlich, der jedoch gleichzeitig zusätzlich national-kulturelle und damit lokale Besonderheiten und Bedingungen des Lernens über die Lebenszeit zu berücksichtigen und eben daraus seine allgemeine globale Gültigkeit abzuleiten versucht (vgl. ebd., S. 66f. vgl. Knoll 1997, S. 33ff.). Die vier Säulen ‘Learning to know’ – auf das Individuum abgestimmte Lerntechniken –, ‘Learning to do’ – im Berufsleben geforderte Fertigkeiten –, ‘Learning to live together’ – Wissen, das dem friedlichen Zusammenleben dienlich ist – und ‘Learning to be’ – Persönlichkeitsentfaltung – sollen die zentralen Aspekte einer neuen Bildungspolitik darstellen, wobei das Lebenslange Lernen als ein globales Konzept den lokalen Bedingungen angepasst wird (vgl. Dewe/Weber 2007, S. 66f.). Es reiche nicht mehr, ‘jedes Kind schon früh mit einer bestimmten Wissensmenge zu versorgen, von der es dann in Zukunft zehren kann. Jeder einzelne muß befähigt werden, sein ganzes Leben hindurch lernen zu können, um sein Wissen zu mehren, Fertigkeiten und Qualifikationen zu erwerben und sich einer wandelnden, komplexen und miteinander verknüpften Welt anpassen zu können’ (Delors 1997, S. 73). Die hohe Bedeutung beider hier vorgestellten Dokumente von OECD (1996) und UNESCO (1996) zeigt sich vor allem darin, dass sie ‘in den folgenden Jahren direkt und indirekt zu wichtigen Referenzpunkten im bildungspolitischen Diskurs (werden). Auch wenn in den Dokumenten die durchaus verschiedenen Positionen beider bildungspolitischen Organisationen sichtbar werden, tragen beide zur Verstetigung der diskursiven Formation Lebenslanges Lernen und zur Etablierung der in ihr erzeugten Gegenstände und Begriffe bei’ (Rothe 2011, S. 223).
Timo Robert Fent wurde 1988 in Dortmund geboren. Sein Studium der Erziehungswissenschaft/Pädagogik an der Universität Trier schloss der Autor im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts (B.A.) erfolgreich ab.
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