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Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Ein Elternteil eines Kindes stirbt. Dieses Erlebnis ist wohl eines der schlimmsten, das man sich für einen Menschen vorstellen kann. Das Geschehene wird für das Kind zu einem kritischen Lebensereignis und erfordert eine unendlich schmerzliche Bewältigung. Schlägt die Bewältigung fehl, so kann es womöglich auch zu weiteren psychischen Krankheiten kommen. Die Lebensereignisforschung widmet sich diesen Ereignissen. Sie versucht Lebensereignisse zu klassifizieren und die positiven bzw. negativen Folgen für die betroffenen Menschen zu ermitteln. Warum können einige Menschen ein bestimmtes kritisches Lebensereignis ohne viele Probleme bewältigen und anderen gelingt diese Bewältigung nur sehr schlecht oder gar nicht? Welche Lebensereignisse sind für die meisten Menschen positiv oder aber schwer zu verkraften? Und aus welchem Grund schätzen Menschen solche Lebensereignisse so unterschiedlich ein? Diese und viele weitere Fragen beschäftigen die Lebensereignisforschung. Die Autorin gibt Ihnen in diesem Buch einen kleinen Einblick in diesen Forschungsbereich und legt dar, welche Ergebnisse es zu den kritischen Lebensereignissen ‘Scheidung der Eltern’ und ‘Schulwechsel nach der 4. Klasse’ gibt.
Textprobe: Kapitel 2, Definition von Lebensereignissen: Nach Filipp (1995a) stellen kritische Lebensereignisse reale Lebenserfahrungen dar, die ein Einschnitt im Geschehensablauf sind. Sie werden von den Personen häufig als Übergänge im Lebenslauf wahrgenommen. ‘Kritische Lebensereignisse werden als systemimmanente Widersprüche in der Person-Umwelt-Beziehung betrachtet, die einer Lösung bedürfen bzw. die Herstellung eines neuen Gleichgewichts fordern.’ (Filipp, 1995a, S. 9) Filipp benutzt den Begriff ‘kritisches Lebensereignis’. Der Zusatz ‘kritisch’ soll das Lebensereignis als Wendepunkt charakterisieren (Schmalohr, 1989). Kritische Lebensereignisse sind durch die Veränderungen der (sozialen) Lebenssituation einer Person gekennzeichnet. Die Person muss sich mit entsprechenden Anpassungsleistungen auf die neue Situation einstellen. Diese Anpassung erfordert die Veränderung oder den Abbau bisheriger Verhaltensmuster, deshalb werden kritische Lebensereignisse als ‘stressreich’ angesehen. Sie können vermeintlich positiv (z.B. Geburt eines Kindes) oder vermeintlich negativ (z.B. Scheidung der Eltern) sein (Filipp, 1995a). Sie treten in der Regel eher schlagartig, kurzfristig und deshalb massiv auf (Haußer, 1983). Diese Definition schließt natürlich nicht aus, dass die Folgen eines kritischen Lebensereignisses sehr lange anhalten können. Nach Filipps Definition erscheinen kritische Lebensmerkmale als ‘ [...] prägnant und herausragend durch die Tatsache ihrer emotionalen Nicht-Gleichgültigkeit’ (Filipp, 1995a). 3. Merkmale kritischer Lebensereignisse: Die Schwierigkeit liegt schon darin, kritische Lebensereignisse zu klassifizieren. Ob eine Begebenheit als kritisches Lebensereignis angesehen wird und welche Bedeutung die Konfrontation haben kann, ist abhängig von kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen sowie von der jeweiligen Epoche. Um kritische Lebensereignisse genauer zu definieren, wird versucht sie auf bestimmte Merkmalsdimensionen anzusiedeln. Dazu zählen die objektiven und subjektiven Ereignismerkmale. Zu den objektiven Ereignismerkmalen zählt, z.B. der Grad der Universalität eines Ereignisses. Es gibt an, wie viele Personen von einem Ereignis zu einem gegebenen Zeitpunkt betroffen sind (Filipp, 1995a). Aus der Perspektive der Entwicklungspsychologie ist die Unterscheidung von normativen, nicht-normativen und historischen kritischen Lebensereignissen von Bedeutung. Sie sind in einer Kultur mehr oder weniger stark an ein bestimmtes Lebensalter gebunden. Das normative kritische Lebensereignis hat eine sehr hohe Auftrittsrate in der Bevölkerung der jeweiligen Kultur (Krampen, 2002). Der Grad der normativen Verpflichtung reicht vom Angebot mit Empfehlungscharakter bis zur gesetzlich festgelegten Forderung. Einige Lebensereignisse sind langfristig vorausschau- und planbar. Es ist also möglich Prävention zu betreiben. Beispiele für normative kritische Lebensereignisse sind der Schulwechsel nach der 4. Klasse, der Beginn der Sexualität oder der Berufsbeginn (Montada, 2002). Normative kritische Lebensereignisse werden in der Entwicklungspsychologie auch Entwicklungsaufgaben genannt. Nicht-normative kritische Lebensereignisse sind unabhängig von der kulturellen und biologischen Strukturierung des Lebenslaufs. Sie sind nur auf einen kleinen Anteil der Bevölkerung begrenzt und das kritische Lebensereignis betrifft nicht bestimmte Altergruppen. Das kritische Lebensereignis ist für jede Person hinsichtlich des Zeitpunktes im Lebenslauf einzigartig und nicht vorhersehbar. Beispiele sind Erkrankung, Unfall, Scheidung, Lottogewinn und unerwartetes Erbe (Hultsch & Cornelius, 1995). Historische kritische Lebensereignisse betreffen alle Menschen oder eine große Gruppe in einem politischen, kulturellen oder geografischen Lebensraum zur gleichen Zeit. Historische Ereignisse sind mehr oder weniger vorhersehbar. Menschen aller Altersklassen können von einem historischen Ereignis betroffen sein. Die Auswirkungen sind jedoch manchmal altersspezifisch. Das kritische Lebensereignis ‘Krieg’ kann, z.B. für ein Kind ganz andere Auswirkungen haben als für einen Soldaten. Weitere Beispiele für historische kritische Lebensereignisse sind ökonomische Krisen und Naturkatastrophen (Krampen, 2002). Die Bewertung eines kritischen Lebensereignisses ist teilweise auch davon abhängig, wie viele Menschen betroffen sind oder jemals waren. Die psychologischen und sozialen Erfahrungen sind bei kritischen Lebensereignissen, die viele Menschen betreffen (bei einem historischen kritischen Lebensereignis, wie z.B. ein Krieg), anders, als wenn ein kritisches Lebensereignis nur einen einzelnen Menschen betrifft. Es kommt dann oft die Frage auf, warum man selbst, obwohl man keine Schuld hat, betroffen ist. Wenn kritische Lebensereignisse viele Menschen betreffen, ist die Gesellschaft eher bereit zu helfen und der Vorwurf der Selbstverschuldung kommt nicht auf (Montada, 2002). Wichtig sind auch die zeitlichen Charakteristika von kritischen Lebensereignissen. Dazu zählen der Zeitpunkt, die Dauer und der synchrone Verlauf (Hultsch & Cornelius, 1995). Es ist auch von Bedeutung in welcher Altersperiode ein kritisches Lebensereignis eintritt. Ein Beispiel dafür ist die Schwangerschaft. Die Gesellschaft sieht eine Schwangerschaft in einer bestimmten Altersspanne als ‘normal’ an. Wenn die Schwangerschaft aber weit von dieser Altersspanne abweicht, kann es zu Vorwürfen aus der Gesellschaft kommen. Auch für die Schwangere selbst kann es entscheidend sein, in welcher Lebensphase sie ein Kind erwartet. Sie kann sich auf das Kind freuen, weil z.B. eine Schwangerschaft schon lange geplant war und sie ihr Leben einigermaßen gut auf die neue Situation umstellen kann. Ganz anders kann eine Frau ihre Schwangerschaft einschätzen, wenn sie noch sehr jung ist, vielleicht noch zur Schule geht und die Schwangerschaft nicht geplant war. Natürlich kann sich das Mädchen auch in dieser Situation über das Kind freuen, aber die Schwangerschaft kann auch sehr leicht als negatives kritisches Lebensereignis angesehen werden (Montada, 2002). Dieses Beispiel zeigt, dass die subjektive Einschätzung eines kritischen Lebensereignisses von großer Bedeutung ist. Es gibt also neben den objektiven Ereignismerkmalen auch subjektive Ereignismerkmale. Subjektive Ereignismerkmale kritischer Lebensereignisse sind u.a.: - Die subjektive Altersangemessenheit. Jede Person legt die Altersangemessenheit für sich fest durch die Berücksichtigung von entwicklungsbezogenen Meinungen und Stereotypen. - Die subjektive Universalität. Wie viele andere Personen nimmt man wahr, die ähnliche Ereignisse erleben? - Die subjektive Bewertung. Sieht die Person das kritische Lebensereignis als positiv oder negativ an? Dabei spielt eine große Rolle, ob das Ereignis erwünscht ist. - Die subjektive Kontrollierbarkeit. Fühlt man sich in der Lage das kritische Lebensereignis zu bewältigen oder steigt einem die ganze Situation über den Kopf? - Verantwortlichkeitsattribution. Hat die Person das kritische Lebensereignis selbst verschuldet? Die Verantwortlichkeit spielt bei der Bewertung und Verarbeitung von Ereignissen eine große Rolle, z.B. bei Unfällen. Wenn eine Person für einen Unfall verantwortlich ist, können zusätzliche Gefühle zur Belastung werden. Auch das Opfer kann Gefühle gegen den Schuldigen entwickeln, z.B. Hass. - Die subjektive Sinnhaftigkeit. Die Person muss die Bedeutsamkeit und Reichweite des kritischen Lebensereignisses für sein eigenes Leben einschätzen. - Der subjektive Wirkungsgrad. Auf wie viele Lebensbereiche wirkt das kritische Lebensereignis? (Krampen, 2002). Für Montada (2002) sind ‘[...] nicht die Ereignisse und ihre objektiven Folgen, sondern die subjektive Bewertung der erlittenen Verluste, der Probleme und der wahrgenommenen Gewinne’(S. 45) entscheidend.
Ann-Kathrin Christiansen wurde 1983 in Niebüll geboren. Sie absolvierte an der Universität Flensburg ein Lehramtsstudium für Grund- und Hauptschule, das sie im Jahre 2007 abschloss. Heute arbeitet sie als Grundschullehrerin in Schleswig-Holstein.
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