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Sozialwissenschaften

Alexander Letzian

Kirchgemeinde im Sozialraum: Voraussetzungen für professionelle Gemeindediakonie

ISBN: 978-3-95549-481-0

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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die vorliegende Arbeit thematisiert die Schwierigkeit gemeindediakonischen Handelns innerhalb der Kirchgemeinden, welche mit Menschen in Kontakt treten und die Möglichkeit besitzen, über ihre Kirchgemeindegrenzen hinaus in den Sozialraum als Treffpunkt und als Mitgestalter und Aktivator zu wirken. Im Zentrum des Interesses stehen hierbei das Verhältnis von Kirchgemeinde und Sozialraum und die Rolle der Gemeindediakonie und der Versuch, eine Einordnung der unterschiedlichen Verständnisse vorzunehmen. Dies erfolgt unter Berücksichtigung der Frage, wie die Kirchgemeinde professionell im Sozialraum agieren kann, und wird von der Intention geleitet zu überlegen, wie ein derartiges gemeindediakonisches Engagement professionell gestaltet werden kann. Dabei wird jedoch keinesfalls der Anspruch erhoben, einen abschließenden Konzeptentwurf von (professioneller) Gemeindediakonie bzw. kirchgemeindlichen Engagements aufzustellen, sondern es soll im Gegenteil dazu angerregt werden, bisherige gemeindediakonische Aktivitäten als solche zu erkennen, zu würdigen und im Blick auf den Sozialraum weiter zu hinterfragen, was darüber hinaus von der Kirchgemeinde geleistet werden kann.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Voraussetzungen professioneller Gemeindediakonie: Im folgenden Kapitel sollen die vier Fragenkategorien näher betrachtet werden. Die Beschäftigung mit dem Fragen stellt gleichsam die Voraussetzung für professionelle Gemeindediakonie dar. Voraussetzung ist dabei nicht zu verstehen als ein Rezept für gelingende Gemeindediakonie, sondern bedeutet eine Reflexion vorhandener gemeindediakonischer Aktivitäten bzw. grundlegendende Vorbetrachtung zur Entwicklung neuer Elemente. 3.1, Wie ist der Status Quo?: Die Frage nach dem Status Quo ist dahingehend wichtig, dass sie sowohl die Bedarfe als auch die Ressourcen im Sozialraum in den Blick nimmt. Warum sollte die Kirchgemeinde gemeindediakonisch aktiv werden, wenn die Bedarfe schon voll erfüllt werden? Oder warum sollte die Kirchgemeinde eine Sozialstation gründen, wenn fehlende Schülernachhilfe einen größeren Bedarf darstellt? Bei der Feststellung der Bedarfe hat die Kirchgemeinde, neben den offiziellen Statistiken bzw. Berichten über den Sozialraum oder dem Austausch in Netzwerkrunden mit anderen Trägern sozialer Hilfeleistungen im Sozialraum, die große Chance, dass sie mit den einzelnen Menschen im Kontakt ist und so deren Bedarfe miterlebt gegebenenfalls sogar teilt. Nach P.-H.Zellfelder besitzen Kirchgemeinden ‘[…] die größte Kompetenz im Blick auf das, was in einem Stadtteil […]’geschieht, da sich alles ‘[…] im Bereich, in Rufweite einer Kirchengemeinde […]’ ereignet. ‘Keine Firma hat ein dichteres Filialnetz.’ In den Kinder- und Jugendgruppen, Hauskreisen, Gottesdiensten, Gesprächs- und Bibelrunden treffen die unterschiedlichen Gemeindeglieder aufeinander und tauschen sich aus. Einen weniger öffentlichen Rahmen bilden Seelsorgegespräche, in denen Problemlagen angesprochen werden. Zwei Einschränkungen sind dabei m.E. zu treffen. Zum einen soll nicht der Eindruck entstehen, dass in den Kirchgemeinden nur Problemlagen ausgetauscht werden bzw. sich die Vielzahl von Bedarfen im Sozialraum in der Kirchgemeinde widerspiegeln. Aber dennoch bildet die gemeinschaftliche und geistliche Ebene der Kirchgemeinde einen Ort, an dem die Nöte und Ängste der einzelnen Mitglieder und deren Bekannten kommuniziert werden. Zum anderen soll auch nicht der Eindruck entstehen, dass die Kirchgemeinde i.S. von einzelnen oder gar allen Mitgliedern über alles und jeden im Sozialraum bzw. der Kirchgemeinde Bescheid weiß. Aber die Kirchgemeinde hat als Gemeinschaft aus vielen Mitgliedern die Kenntnis über viele Problemlagen. Es bleibt die Frage, was sie mit diesem Wissen macht. Im Blick auf die Ressourcen stellen sich zwei Ebenen heraus. Die erste Ebene ist der Blick in die Kirchgemeinde und die zweite Ebene richtet sich an den Sozialraum. Mit dem Fokus auf die Kirchgemeinde lassen sich spezifische Chancen und Herangehensweisen feststellen, die letztlich in den Sozialraum hineinwirken können: Neben den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern stellen die Kompetenzen der einzelnen Gemeindeglieder einen großen Ressourcenpool dar. Jeder kann etwas, was ein anderer eventuell brauchen könnte. Zudem besitzt die Kirchgemeinde eine Vielzahl an Räumen und Flächen, die als Treffpunkt für Gruppen oder Veranstaltungsorte dienen können. Hinzu kommt, dass die Kirchgemeinde als Teil des Religionssystems für einen (christlichen) Wertekanon steht, der außerhalb von ‘weltlichen’ Normierungen und Leitprinzipien liegt und von ihr in gewisser Weise sogar erwartet wird - im Luhmannschen Sinne - auf diese Leitprinzipien korrektiv bzw. ethisch mahnend einzuwirken. Die zweite Richtung blickt auf die Ressourcen im Sozialraum. Ziel bei dieser Betrachtung ist es zum einen mögliche Kooperationspartner ausfindig zu machen und Kompetenzen zu vereinen und zum anderen dient sie dazu, Doppel- und Mehrfachstrukturen bzw. Angebote auszuschließen und das Engagement abzustimmen. Kirchlicherseits ist die Gemeinde im ‘Kirchenbezirk’ oder der ‘Landeskirche’ sozialraumübergreifend aktiv und vernetzt. Ebenso bildet ihre Nähe zur verfassten Diakonie, die als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege eine hohe sozialarbeiterische Kompetenz besitzt, eine Chance i.S. eines Netzwerks ‘[…], das die soziale Infrastruktur einer Stadt stärkt und das nachbarschaftliche Miteinander in den Wohnquartieren ausbildet. […] Gerade im Zusammenwirken in Kirchengemeinden werden diakonische Einrichtungen und Dienste herausgefordert, gemeinsam Verantwortung für die Stadt zu übernehmen und die Soziale Stadt zu gestalten.’ Darüber hinaus muss gefragt werden, welche weiteren (nichtchristlichen) Einrichtungen und Träger im Sozialraum vorhanden sind, welche Vereine, Selbsthilfegruppen, Bildungseinrichtungen oder Zentren mit welchen Angeboten für welche Zielgruppen vor Ort agieren. Die Frage nach dem Status Quo stellt sich m.E. in Anlehnung an A.Götzelmann als zentrale Frage dar, da sie Kirchgemeinden davor bewahren hilft, für alles verantwortlich sein zu müssen: ‘Die diakonische Gemeinde kann und muss nicht alles selber machen. Es gibt vielfältige soziale und diakonische Hilfsangebote, auf die man verweisen, über die man informieren, an die man delegieren und mit denen man kooperieren kann. Die christliche Gemeinde kann aus der Einsicht in ihre Begrenztheit auch durch modellhaftes Arbeiten wirken. Die christliche Gemeinde vor Ort muss - sei es aus falsch verstandenen Idealismus, sei es aus Machtstreben - nicht möglichst viele soziale Aufgaben im Gemeinwesen an sich reißen, damit wäre sie überfordert. Sie kann sich aber auch nicht mit dem Status quo der Not und des eigenen Helfens abfinden. Das wäre eine Unterforderung. Sie wird den Mittelweg finden müssen, modellhaft, vorbildlich zu arbeiten, einzuspringen, wenn sonst keiner hilft, zu informieren und zu delegieren, wo es guten Gewissens möglich ist, und zu kooperieren, wo es sinnvoll erscheint. So wird sie bei kleiner werdenden eigenen Ressourcen, aber größer werdender Phantasie und Hoffnung ihren Beitrag zur sozialen Gestaltung der Zukunft im Namen Christi bringen.’ 3.2, Wer trägt die Gemeindediakonie mit welchen Erwartungen?: In der Binnenanalyse umfasst die Frage nach der Trägerschaft von Gemeindediakonie letztlich deren An- und Einbindung in die Kirchgemeinde. Ist sie ein (mehr oder weniger stark ausgeprägter) Arbeitszweig oder fest im Bewusstsein der Kirchgemeinde verankert? Bei ihrer Untersuchung zur Gemeinwesendiakonie stellten M.Horstmann und E.Neuhausen fest, dass keine der untersuchten Projekte von allen Mitgliedern der Kirchgemeinde getragen werden und wurden. Es gab immer einzelne Personen bzw. Gruppen, die die Idee hatten und vorantrieben. Diese ‘[…] mussten oft dafür werben, dass sich die Kirchengemeinde auf den Prozess einlassen konnte. Die Kommunikation in die (Kern-)Gemeinde hinein ist daher eine der zentralen Aufgaben bei der Entwicklung gemeinwesendiakonischer Arbeit. Die Frage nach dem Trägerkreis ist im Kern eine nach der Kommunikation gemeindediakonischen Handelns in die Kerngemeinde hinein. G.K.Schäfer empfiehlt dabei ‘[…] die Einsetzung eines Diakonieausschusses, dem insbesondere mäeutische und rektorale Aufgaben, der Koordination und Kooperation zugewiesen werden […].’ In ihm versammeln sich interessierte Mitglieder der Kirchgemeinde und im besten Falle besitzt er Entscheidungsbefugnisse für gemeindediakonische Aktivitäten. Bei kleineren Kirchgemeinden, in denen die Bildung eines zusätzlichen Ausschusses unrealistisch ist, kann auf dieser Ebene auch ein Diakoniebeauftragter agieren, wobei eine größere Anzahl an Beauftragten wünschenswert ist. Bei beiden Varianten ist es aber sinnvoll, das diakonische Interesse und Bewusstsein auch durch Weiterbildungen zu verstärken und zu festigen. Zu den Aufgaben eines solchen Beauftragten bzw. Ausschusses zählen Koordination, Kooperation und die Durchführung von Kampagnen zur Gemeinwesendiakonie, die Profilierung und Stärkung der Kirchgemeinde, die Förderung des lokalen interkulturellen und interreligiösen Dialogs, die Entwicklung und Unterstützung von Innovations-Projekten, die Entwicklung von Fundraising- und Sponsoring-Strategien und Aktionen zur Stärkung von bürgerschaftlichen Engagement. Ein ähnlicher Ausschuss ist ebenso auch auf übergemeindlichen Ebenen nötig und möglich. In der Frage nach den Erwartungen spiegelt sich das Verständnis von Gemeindediakonie und Kirche wider. Die Ausführung zur Rolle der Gemeindediakonie im Kapitel 2 stellt das Ideal einer diakonischen Kirchgemeinde auf, in der Gemeindediakonie zum Leben und Wesen der Kirchgemeinde und der Mitglieder gehört. Es herrscht ein festes Bewusstsein und Handeln, in dem die Hilfe für den Nächsten nicht nur in institutioneller, sondern auch und vor allem in nachbarschaftlicher Form geschieht. Gemeindediakonie richtet sich an alle Menschen im Sozialraum, was auch Menschengruppen umfasst, die sonst eher nicht in Gemeindekreisen anzutreffen sind. Dies kann innerhalb der Kirchgemeinde zu Ängsten im Umgang mit ‘den neuen Gästen’ führen. In traditionelleren Kirchgemeinden kommt zudem die Angst hinzu, ‘[…] Attraktivität einzubüßen, wenn sich die Gemeinde zum Gemeinwesen hin öffnet.’ Auf die Gefahr des Zerbrechens der ‘Kern’Gemeinde durch eine verstärkte Gemeindediakonie weisen M.Horstmann und E.Neuhausen in ihrer Studie hin, ‘[…] dass gemeinwesendiakonisches Engagement nicht unbedingt zu einer Erhöhung der Mitgliederzahlen führt, vielleicht sogar eher zu einem Verlust traditioneller Mitglieder, die in anderen Gemeinden Angebote finden und sich daraufhin umpfarren lassen.’ Dieser Effekt kann aber durchaus auch umgedreht erfolgen, sodass neue Gemeindeglieder bzw. neue Ehrenamtliche aus anderen Kirchgemeinden durch die Gemeindediakonie angezogen werden. Nach E.Neuhausen und M.Horstmann gilt dabei das Motiv für Menschen da zu sein und deren Alltag zu teilen, auch und gerade mit Menschen, die sonst wenige Kontaktpunkte haben, ‘[…] sich für sie zu interessieren und ihnen Teilnahme und Teilhabe zu ermöglichen […].’ Hinzu kommt das Hineinwirken der Projekte in den Stadtteil und die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch Ermöglichung von bürgerschaftlichen Engagement.

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