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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 44
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Paris, 16. Januar 1919: Dem niederländischen Gesandten wird ein Schreiben des Obersten Rates der Alliierten durch den Generalsekretär der Friedenskonferenz überreicht. Die Note ist von dem französischen Ministerpräsidenten Clemenceau unterzeichnet. Darin verlangen die Vertragsstaaten des Versailler Friedensvertrags von der niederländischen Regierung die unverzügliche Auslieferung des abgedankten deutschen Kaisers Wilhelm II. Dieser hatte nach den revolutionären Ereignissen in Deutschland und seiner erzwungenen Abdankung am 28. November 1918 Exil in Schloß Amerongen in den Niederlanden gefunden. Gemäß Artikel 227 des Versailler Vertrags sollte Wilhelm II. wegen schwerer Verletzung des internationalen Sittengesetzes und der Heiligkeit der Verträge vor einem noch zu gründenden internationalen Gericht der Prozess gemacht werden. Die ablehnende Antwort der niederländischen Regierung folgte am 21. Januar 1920. Zur Begründung hieß es, dass (1) die Niederlande keine Vertragspartei des Friedensvertrages seien und daher die Pflichten, die sich für Deutschland aus dem Vertrag ergäben, nicht auf die Niederlande übertragen werden könnten. Weiterhin fügte die niederländische Regierung an, dass sie (2) dem Krieg vollkommen ferngestanden, bis zuletzt ihre Neutralität aufrechterhalten und somit nur ihre eigenen Pflichten zu betrachten habe. Darüber hinaus berief sie sich auf (3) die nationale Tradition, die seit Jahrhunderten die Niederlande zu einem Zufluchtsort für die in internationalen Konflikten Unterlegenen gemacht habe. Unabhängig vom Stellenwert des Vertragswerkes von Versailles und des diplomatischen Tauziehens um die Auslieferung Wilhelms II. steht fest, dass es sich bei dem Auslieferungsbegehren um den ersten Versuch in der Geschichte des modernen Völkerrechts handelt, in dem ein ehemaliges Staatsoberhaupt wegen Verletzungen völkerrechtlicher Bestimmungen vor einem internationalen Tribunal hätte angeklagt werden sollen. Ebenso kann man diesen Vorgang als Zeichen für die Veränderung der jahrhundertealten Tradition des Völkergewohnheitsrechts werten. Von diesem Zeitpunkt an konnte sich ein Staatsoberhaupt, dessen Immunität vor Strafverfolgung aus einer Zeit stammte, in denen das Staatsoberhaupt den Staat personifizierte, nicht mehr zwangsläufig hinter der nahezu absoluten Souveränität des Staates verstecken. Seitdem und vor allem in den letzten Jahren gab es einige bemerkenswerte Entwicklungen im Bereich der Immunität von Staatsoberhäuptern, die in der vorliegenden Studie untersucht werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel IV, Beispiele von Prozessen gegen (ehemalige) Staatsoberhäupter: In der Vergangenheit hat es des Öfteren Verfahren gegen amtierende Staatsoberhäupter und vor allem gegen ehemalige Staatsoberhäupter gegeben. Dabei ist zwischen Verfahren gegen (ehemalige) Staatsoberhäupter oder hohe Staatenvertreter vor Gerichten des eigenen Staates, Verfahren vor Gerichten von Drittstaaten und Verfahren vor internationalen Gerichten zu unterscheiden. 1., Verfahren gegen ehemalige Staatsoberhäupter vor Gerichten des eigenen Staates: Verfahren gegen ehemalige Staatsoberhäupter vor Gerichten des eigenen Staates sind in der Geschichte häufiger vorgekommen. Indes trafen diese Fälle meist mit einer aufgeheizten Stimmung in der Bevölkerung zusammen, so zum Beispiel während einer Revolution. Dabei wurde dem ehemaligen Staatsoberhaupt selten ein fairer Prozess zugebilligt, sondern er wurde vielmehr dem Willen des Volkes direkt ausgeliefert. Ein bekanntes Beispiel ist die Hinrichtung des französischen Königs Ludwig XVI. im Jahre 1793 während der Französischen Revolution. Neuere Beispiele sind die Erschießung des italienischen Diktators Mussolini im Jahre 1945 oder des rumänischen Diktators Ceausescu im Jahre 1989. Dennoch kam es vor allem mit der nationalen Aufarbeitung der Militärdiktaturen in Argentinien und Chile zu Gerichtsprozessen gegen ehemalige Staatsoberhäupter. Unter anderem wurde der ehemalige chilenische Diktator Pinochet, dessen Festsetzung in London 1998 für erhebliches Aufsehen sorgte, später vor ein chilenisches Gericht gestellt. In Argentinien ist der Prozess gegen den ehemaligen Junta-Chef Jorge Videla eröffnet worden. Bereits zuvor wurde dessen Nachfolger Reynaldo Bignone zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Auch deutsche Gerichte befassten sich mit der Immunität ehemaliger Staatsoberhäupter. Nach der Aufnahme der Länder der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in das Bundesgebiet begann auch hierzulande die Aufarbeitung dort geschehener Verbrechen. Allerdings muss man dabei den Unterschied beachten, dass in den angesprochenen südamerikanischen Ländern scheinbar ein Umdenken über die Rechtsstaatlichkeit stattgefunden hat, wobei die Rechtsordnung gleich geblieben ist, während die DDR als Staat untergegangen ist. Generell kann sich kein amtierendes oder ehemaliges Staatsoberhaupt vor Gerichten des eigenen Staates auf seine völkerrechtliche Immunität berufen. In diesem Fall stellte sich jedoch die Frage, ob die DDR nicht ein souveräner Staat gewesen ist. In den Verfahren, die als ‘Mauerschützenprozesse’ in die deutsche Rechtsgeschichte eingegangen sind, wurden die ehemaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker und Egon Krenz, wegen des ‘Schießbefehls’ an der innerdeutschen Grenze angeklagt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied im Jahre 1992, dass für Honecker, nach Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland unter dem ehemaligen Artikel 23 des Grundgesetzes, keine Immunität in Betracht kommt. Die Immunität wurde nicht gewährt, da die Bundesrepublik die DDR nicht als souveränen Staat anerkannte und somit der Staatsratsvorsitzende der DDR in diesem Sinne nie ausländisches Staatsoberhaupt gewesen sei. Honecker wurde in der Zeit bis zum Mauerfall eine spezielle Immunität eingeräumt, die sogenannte ‘Lex Honecker’, die ihm nur dann von der Strafverfolgung ausnahm, wenn er sich ‘auf amtliche Einladung’ hin in der Bundesrepublik aufhielt. Darüber hinaus entfiel eine mögliche Immunität nach dem Aufgehen der Länder der DDR in der Bundesrepublik, da der Untergang eines Staates die Aufhebung der bis dahin gewährten Immunitäten einleitet. Der Prozess gegen Honecker wurde vor dem Urteilsspruch wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten gemäß §206a StPO eingestellt. Der Prozess gegen Egon Krenz, den letzten Staatsratsvorsitzenden der DDR, endete mit der Verurteilung zu einer 6 ½ jährigen Freiheitsstrafe.

Über den Autor

Florian Hideg, M.A., wurde 1986 in Daun geboren. Sein Studium des Internationalen Rechts und der Politik schloss der Autor 2012 mit dem akademischen Grad des Master of Arts erfolgreich ab. Sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl motivierte ihn, sich während des Studiums und darüber hinaus mit besonderen Rechtsfragen des Völkerrechts auseinanderzusetzen.

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