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- Identität Europa: Wie europäisch ist die Türkei?
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 54
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Bereits seit 1963 versucht die Türkei Mitglied der Europäischen Union (EU) zu werden. Es stellt sich daher die Frage, warum die Türkei noch kein Mitglied wurde, besonders im Hinblick auf die EU-Osterweiterungen in den Jahren 2004 und 2007. Diese Frage wurde vor allem auch in den Medien und in der breiten Öffentlichkeit, spätestens seit 2002, sehr brisant und kontrovers diskutiert. Im Zentrum der politischen Debatte über eine EU-Mitgliedschaft der Türkei stehen dabei nicht so sehr die ökonomischen Unterschiede zwischen der EU und der Türkei, sondern mögliche kulturelle Differenzen. Das Ziel dieser Studie ist es, zu klären, ob die Türkei europäisch ist und, was eigentlich das ‚Europäischsein’ ausmacht. Zu Beginn wird auf die Wurzeln der modernen europäischer Identität eingegangen. Dafür wird zunächst 'Europa' definiert und anschließend untersucht, was Europa charakterisiert und wo seine Grenzen liegen. Es wird gezeigt, dass Europa eine Kulturgemeinschaft ist, dessen gemeinsame Werte und Normen im Vordergrund stehen. Anschließend wird die Rolle der Wahrnehmung erklärt. Diese konstruktivistische Perspektive hebt die Rolle von Ideen und Identitäten hervor. Wichtig hierbei ist die Annahme, dass Interessen und Identitäten nicht exogen gegeben, sondern sozial konstruiert sind durch die intersubjektiven kommunikativen Prozeduren und Verständnisse. Diese wiederum sind in den sozialhistorischen Kontext eingebetet. Bei einer positiven Identifikation stellt die Türkei eine Brücke dar, weil das Selbst (= Europa) den Anderen (= Türkei) als ähnlich und nicht bedrohlich ansieht. Allerdings ist ebenfalls eine negative Identifikation denkbar. Das Selbst nimmt dann den Anderen als gefährlich und moralisch unterlegen wahr. In diesem Fall bildet die Türkei eine Grenze zu Europa und demzufolge auch zur EU. Im dritten Teil wird der Weg der Türkei zu einer europäischen Nation analysiert. Dabei wird vor allem auf historische Wendepunkte und Schritte in Richtung Europa eingegangen: die Regierungszeit von Mustafa Kemal Pascha, Begründer der Republik Türkei, das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Türkei, die Zollunion, den EU-Gipfel in Helsinki und die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober 2005. Abschließend werden die Vor- und Nachteile eines Beitritts der Türkei zur EU diskutiert. Dabei stehen die Größe der Türkei, die Menschenrechtssituation und die Dominanz des türkischen Militärs, sowohl die geostrategische Lage als auch die Wirtschaftsbedingungen in der Türkei im Mittelpunkt.
Textprobe: Kapitel 4.2, Ankara Abkommen: Die erste formelle vertragliche Beziehung zwischen der Türkei und der EU, damals noch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, besteht seit dem 12. September 1963, als in Ankara ein Assoziierungsabkommen zwischen beiden Parteien unterzeichnet wurde. Das Ziel dieses Abkommens isteine ‘beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien’ zu fördern. Des Weiteren ist in Artikel 2 Absatz 1 festgeschrieben, dass die türkische Wirtschaft beschleunigt aufgebaut und der Beschäftigungsstand sowie die Lebensbedingungen der türkischen Bevölkerung angehoben werden sollen. Zur Realisierung dieser Ziele war die stufenweise Errichtung einer Zollunion vorgesehen. Die Assoziation sollte sich in drei Phasen vollziehen. Die erste Phase ist die Vorbereitungsphase, in der die Türkei ihre Wirtschaft mit Hilfe der Gemeinschaft festigen sollte. Diese Phase sollte mindestens 5 Jahre dauern. Der Assoziationsrat, das oberste Entscheidungsorgan der Assoziation, weitete diese Phase jedoch auf 10 Jahre aus. In der zweiten Phase, der Übergangsphase, sollte die türkische Wirtschaftspolitik derjenigen der Gemeinschaft angenähert werden. Dafür wurde ein Zeitraum von 12 Jahren festgelegt. Eine Phase von insgesamt 22 Jahren wurde demnach für ausreichend erachtet, das Schwellenland Türkei innerhalb einer dynamischen Weltwirtschaft an den europäischen Standard heranzuführen. In der letzten Phase sollte vor allem die Wirtschaftspolitik der Vertragsparteien verstärkt koordiniert werden. Das Hauptziel der Endphase stellt die Herbeiführung der Vollmitgliedschaft der Türkei zur Europäischen Gemeinschaft dar. Der Status der Vollmitgliedschaft wird jedoch nicht automatisch der Türkei nach der Endphase der Assoziation zuerkannt. Um Vollmitglied der Gemeinschaft zu werden, müsse die Türkei die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Gründung der Gemeinschaft vollständig übernehmen. Erst dann werden die Vertragsparteien die Möglichkeit eines Beitritts der Türkei zur Europäischen Gemeinschaft prüfen. Die Frage besteht doch, warum 1963 kein EWG-Mitglied Bedenken gegen die türkische Mitgliedschaft erhoben hatte und warum der damalige Präsident der EWG-Kommission, Walter Hallstein, sogar sagte, dass die Türkei ein Teil Europas ist. Zur Beantwortung und Erklärung dieser Frage muss man sich die Gründe anschauen, die zur Assoziierung der Türkei mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geführt haben. Aus türkischer Sicht spielten politische, wirtschaftliche, aber auch ideologische Gründe eine entscheidende Rolle. Durch die Mitgliedschaft in die EWG sollte der von Atatürk vollzogene Prozess der Westorientierung abgeschlossen werden. Die wirtschaftliche Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Westen galt als logischer und krönender Abschluss der Einbindung in das westliche System. Aus der Sicht der EWG standen jedoch hauptsächlich sicherheitspolitische Interessen im Vordergrund. Dabei muss der historische Zeitbezug mit beachtet werden. Die Kuba-Krise war erst zwei Jahre her . Zu diesem Zeitpunkt war keines Falls sicher, ob der Westen jemals den ‚Kalten Krieg’ mit der UdSSR gewinnen würde. Somit war jeder Verbündete dem Westen willkommen. Je enger die Verbindungen geknüpft waren, desto sicherer galt der Bündnispartner. Da die Türkei bereits Mitglied der OECD (seit 1948), des Europarates (seit 1949) und der NATO (seit 1952) war, sollte nun auch im wirtschaftlichen Rahmen der EWG eine Verbindung hergestellt werden. Für die Ausweitung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nach Südosten waren also strategische und politische Gründe entscheidend.
Anja Kleine, geboren 1988, begann nach dem Abitur ihr Studium der Sozialwissenschaften und Philosophie im Kernfach Politikwissenschaft an der Universität Leipzig. Im Jahr 2009 schloss sie dieses mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts erfolgreich ab. Bereits während des Studium entwickelte die Autorin ein besonderes Interesse an soziologisch-politischen Fragestellungen und sozialkritischen Themen. Da der Beitritt der Türkei zur EU einen kontrovers diskutierten Diskurs darstellt, widmete sie sich ihm in ihrer Bachelorarbeit.
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